Heike Rath, Sie sind seit langem in der Männerdomäne Baurecht unterwegs. Wie war das seinerzeit als junge Anwältin? Wie erleben Sie es heute?
Es war von Anfang an großartig und es ist es bis heute (lacht)! Nein, wirklich: Ich habe es im Baurecht noch nie erlebt, dass ich als Frau einen Nachteil habe. Ganz im Gegenteil, ich hatte immer den Eindruck, dass sich die männlichen Kollegen gefreut haben, wenn mal eine Frau dabei war. Heute ist das selbstverständlich. Und ich habe den Eindruck, dass eine Frau am Verhandlungstisch mäßigend wirkt und die Gespräche sachlicher verlaufen.
Lena Rath, Sie sind inzwischen seit zehn Jahren Baurechtsanwältin. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?
Ich kann das nur bestätigen. Bisher hatte ich nicht das Gefühl, als Frau anders behandelt worden zu sein. Der Umgang mit Kollegen ist fair und sachlich. Mandanten zollen einem Respekt dafür, dass man sich der Materie engagiert annimmt. Und selbst auf der Richterbank findet mittlerweile ein Generationenwechsel statt, so dass man vermehrt jungen Kolleginnen begegnet.
Lena Rath, Sie sind Mutter zwei kleiner Kinder. Wie bringen Sie Familie und Beruf unter einen Hut?
Ganz wesentlich ist eine sehr gute Organisation. Für mich als Anwältin ist das aber ganz normal. Und ich muss einfach viel flexibler sein als früher, denn bei aller Planung, manchmal muss ich spontan auf Unvorhergesehenes reagieren können und dann auch mal schnell von der Rolle als Anwältin in die der Mutter wechseln. Natürlich geht all das nur mit einem verlässlichen Partner. Für meinen Mann ist es völlig normal, dass er sich um die Kinder kümmert, wenn die Frau arbeiten ist. Das ist heute sicher anders als früher. Das kenne ich so von meinem Vater damals nicht (lacht).
Wie steht es denn grundsätzlich um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Anwaltschaft?
Heike Rath: Es hat sich schon einiges getan, aber es bleibt ein schwieriges Thema, und zwar für Frauen und Männer gleichermaßen. Beide Aufgaben sind sehr zeitintensiv und stehen damit in einem Spannungsverhältnis.
Lena Rath: Heutzutage können die Kinder schon mit einem Jahr oder früher in die Kita gehen. Das ist ein Riesenfortschritt. Ich selbst habe schon nach drei Monaten wieder angefangen zu arbeiten. Das wäre ohne solche Angebote nicht gegangen. Theoretisch hätte ich auch eine längere Auszeit nehmen können, aber das wäre nichts für mich gewesen.
Heike Rath: Darüber bin ich auch sehr froh (lacht). Einmal abgesehen davon, ist es aber für uns Anwälte generell wichtig, nicht den Anschluss an eine sich ständig verändernde Gesetzeslage zu verlieren. Eine längere Auszeit ist schwer wieder aufzuholen.
Lena Rath: Das kann ich nur unterschreiben. Wenn ich mich erinnere, beim ersten Kind kam die Vergaberechtsreform, beim zweiten war es das neue Bauvertragsrecht und das beA kam. Dazu war BIM in aller Munde. Die Vorstellung, das alles nachzuarbeiten, finde ich wenig reizvoll. Daher bin ich auch immer zu Fortbildungen gegangen und habe zum Beispiel keine Baurechtstagung verpasst – und die Kinder auch mal mitgenommen.
Wie haben Sie Ihren Weg ins Baurecht gefunden?
Heike Rath: Das war genetisch bedingt (lacht). Mein Vater ist Architekt, mein Bruder ist Bauingenieur und so lange ich denken kann, ist bei mir in der Familie über das Bauen gesprochen worden. Ich wollte ursprünglich mal Architektur studieren, und da kam von meinem Vater die Ansage – an der man auch merkt, dass das eine andere Zeit war: ‚Was willst du als Frau am Bau, wenn du Architektur studierst, landest du als Verkäuferin in einem Einrichtungshaus.‘ Dafür bin ich ihm heute noch dankbar, denn ich kann als Juristin mehr leisten als es mir als Architektin gelungen wäre.
Lena Rath, das Bauen liegt also in der Familie. Hat Heike Rath sie beeinflusst, selbst Baurecht zu machen?
Nein, das war gar nicht nötig, denn wie meine Tante habe auch ich das Bauen in den Genen. Aber sie hat mich schon früh auf die Zusatzqualifikation Privates Baurecht von Professor Voit in Marburg hingewiesen. Die habe ich dann parallel zu meinem Referendariat absolviert und wahnsinnig viel gelernt. Dabei begeisterte mich nicht nur die illustre Runde der Referenten, sondern vor allem die Vielfältigkeit der Themen und so bin ich beim Baurecht geblieben.
Lena Rath, welche Rolle spielte Heike Rath in ihrer beruflichen Karriere?
Sie ist meine Mentorin geworden. Ich habe viel gelernt, den Umgang mit den Mandanten etwa und vor allem auch das strategische Denken. Das war nach der Ausbildung noch Neuland für mich, spielt aber in der Praxis eine zentrale Rolle. Bis heute profitiere ich von ihren herausragenden Erfahrungen im Privaten Baurecht.
Sie sind seit 2012 in einer gemeinsamen Kanzlei erfolgreich. War das von Anfang an der Plan?
Heike Rath: Nein, das hat sich so ergeben – und bis heute kann ich sagen, das war ein großer Glücksfall. Wir sind miteinander verwandt, wir verstehen uns menschlich gut und können uns fachlich sehr gut austauschen. Eine nahezu perfekte Voraussetzung, um gemeinsam erfolgreich zu sein. Für mich war zum Beispiel völlig klar, als Lena ihre Kinder bekam, dass ich einspringe und den Laden am Laufen halte. Umgekehrt kann ich sehr entspannt in den Urlaub fahren, weil ich weiß, dass Lena die Kanzlei im Griff hat.
Warum sollten junge Juristinnen und Juristen sich fürs Baurecht entscheiden?
Lena Rath: Das Baurecht hat eine unglaubliche Bandbreite spannender Themen zu bieten. Neben dem Juristischen ist auch die Bautechnik spannend. Seitdem ich damit zu tun habe, laufe ich mit anderen Augen durch die Welt. Und schließlich sind es auch die Menschen, mit denen ich zu tun habe, ob nun Kollegen oder andere Bauprofis.
Heike Rath: Die Baurechtler sind unglaublich nett und es macht einfach Spaß, mit meinen Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten. Die Baurechtsszene ist relativ klein und über die Jahre lernt man sich kennen und freut sich, wenn man miteinander zu tun hat. Das tut auch den Mandaten gut. Je besser der Kollege ist, desto schneller kann man auf den Punkt kommen. Beide Seiten wissen in der Regel, wo die eigenen, aber auch die Schwächen des Anderen liegen und können so die Risiken bewerten. Mit diesem Wissen lassen sich sachgerechte und den Risiken entsprechende Lösungen entwickeln.
Was braucht es, um im Baurecht erfolgreich zu sein?
Heike Rath: Man muss zwei Dinge mitbringen: Erstens, man muss mit Komplexität umgehen können. Denn sie haben komplexe Sachverhalte und viele Beteiligte. Zweitens, man muss entscheidungsfreudig sein, denn Unentschlossenheit führt zum Stillstand, und das ist eines der schlimmsten Dinge auf der Baustelle.
Lena Rath: Man darf nicht an seinem Schreibtisch kleben. Sie müssen raus auf die Baustelle, in den direkten Austausch mit den Baubeteiligten. Das macht die tägliche Praxis so interessant und abwechslungsreich. Und – noch einmal – die Bautechnik ist sehr wichtig. Ich finde es einfach spannend, mir von einem Ingenieur die Dinge bis ins Detail erklären zu lassen und mit diesem Wissen den Mandaten dann besser vertreten zu können.
Heike Rath: Sie müssen sehr kommunikativ sein. Das ist etwas, was ich jedem jungen Baurechtler raten würde: Besuchen Sie Kommunikationstrainings und Verhandlungsseminare, trainieren Sie Ihre Kommunikationsfähigkeiten und hinterfragen Sie auch mal kritisch, wie Sie auf andere wirken.
Lena Rath: Strategisches Denken ist sehr wichtig, um als Anwältin erfolgreich zu sein. Sie haben immer mit einer komplexen Gemengelage zu tun, da brauchen sie dringend einen roten Faden, um die eigene Strategie durchsetzen zu können.
Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten für baurechtlich spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte?
Heike Rath: Hervorragend! Denn Bauen ist nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern vor allem auch juristisch. Daher können Bauunternehmen, Architekten und Ingenieure heute nicht mehr ohne baubegleitende Rechtsberatung existieren.
Lena Rath: Das sehe ich auch so, als Baurechtler brauchen sie sich keine Sorgen zu machen. Die rechtlichen Grundlagen verändern sich ständig und der Beratungsbedarf ist und bleibt hoch – Tendenz steigend.
Lena Rath, soll Ihre Tochter auch Juristin werden? Und: Werden Sie versuchen, sie vom Baurecht zu überzeugen?
Sie hat einen sehr starken Willen, bringt also beste Voraussetzungen mit (lacht). Nein, ich werde sie nicht bewusst beeinflussen oder in eine Richtung drängen; sie soll lieber ihren eigenen Weg finden. Inwieweit die ‚Bau-Gene‘ in der Familie dabei eine Rolle spielen, wird sich zeigen.
Heike Rath, Lena Rath, vielen Dank für das Gespräch!