Im Werkvertraglichen Dreieck aus Leistung, Kosten und Terminen rückt die letzte Komponente mehr und mehr ins juristische Blickfeld. Denn nicht nur Schuldnerverzug kann einen Schadensersatz in Geld auslösen. Auch Gläubigerverzug können finanzielle Ansprüche zur Folge haben. Im Bauvertragsrecht, das sich in der Regel auf einen länger andauernden Zeitraum bezieht, gelten jedoch Besonderheiten.
Ausgangssituation:
Pacta sunt servanda! Verträge sind einzuhalten - auch seitens des Bauherrn und zwar bezüglich der Ausführungszeiten. Behindert der Bauherr selbst oder Umstände aus seiner Sphäre die Ausführung der vertraglichen Leistung werden Schadensersatzansprüche und Entschädigungsansprüche dem Grunde nach ausgelöst. Für den Unternehmer/Auftragnehmer gilt dann allerdings ein Grundsatz entsprechend der Schadensminderungspflicht. Eine Beurteilung der Rechtslage erfordert die ausführliche Darstellung eines komplexen Sachverhalts und das in gleich zweierlei Varianten.
Beispiel:
(Nach OLG Köln, Beschluss vom 08.04.2015, Az.: 17 U 35/14)
Der Auftragnehmer hat Glas- und Metallbauarbeiten für ein Glasdach/Atrium/Vordach in Höhe von über 400.000 € auszuführen. Die Arbeiten sollten am 30.07.2010 beginnen und rund drei Monate später am 21.10.2010 fertig gestellt sein. Wegen Verzögerungen anderer Arbeiten, kam zu erheblichen Verzögerungen der Glas- und Metallbauarbeiten: So konnte erst über ein Jahr nach dem angesetzten Termin damit begonnen werden. Auch die Ausführung selbst dauerte länger als die ursprünglich kalkulierten drei Monate.
Für diesen Zeitraum der Ausführung machte der Auftragnehmer Ansprüche in Höhe von ca. 71.000 € geltend. Letztlich wurde die Klage wegen fehlender Substantiierung abgewiesen. Denn dazu wäre eine Gesamtschau erforderlich gewesen, aus der sich die Kostendifferenz zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergeben hätte. Erst auf einer solchen Basis wird beklagtenseitiger Sachvortrag ermöglicht.
Differenzierend nach Kostenverursachungspositionen ist der Sachvortrag vermeintlich vergleichsweise einfach, wenn zusätzliche Kosten durch Mehraufwand entstanden wären. Denn dann läge ein "Schaden" im Sinne von § 6 Abs. 6 VOB/B vor, bzw. eine Grundlage für die Bemessung einer angemessenen Entschädigung gemäß § 642 BGB.
Ähnliches gilt, wenn Arbeitskräfte und/oder -maschinen wegen des verzögerten Baubeginns gänzlich unbeschäftigt gewesen wären. Hierzu reiche es aus, die Verzögerung bzw. die Stillstandszeiten zu benennen und die Vorhaltekosten konkret vorzutragen.
Bei allen anderen Kostenpositionen, insbesondere Gemeinkosten, ist die Darlegung, welche Differenz sich bei einem Vergleich zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergibt, schwieriger. Denn es müsse eine Art Bilanz für den gesamten Zeitraum (ursprünglich geplanter Beginn bis tatsächliche Beendigung) einmal unter Zugrundelegung der ursprünglichen Planung und einmal unter Darlegung des tatsächlichen Verlaufs erstellt werden. Nur so kann ein Vergleich der Vermögenslage des Auftragnehmers ohne und mit Bauzeitverschiebung nachvollziehbar sein. Ohne eine solche Darstellung bestünde das Risiko, dass behauptete Gemeinkosten und entgangener Gewinn für die Verzögerung des Baubeginns zugesprochen würden, obwohl in diesem Zeitraum tatsächlich entsprechende Beträge aufgrund anderer Dispositionen erspart wären oder anderweitig verbucht worden sein könnten. Beispielhaft nennt das Gericht hierzu folgende betriebliche Maßnahmen: vorweggenommener Betriebsurlaub; Abänderung von Zeitverträgen und Ausgleich von Überstunden; Vorziehen anderer Projekte und Maßnahmen wie Schulungen, Aus und Fortbildungen usw. Daher zeigt nur eine vergleichende Gegenüberstellung der erwarteten und der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben über den gesamten Zeitraum bis zur Beendigung des verzögerten Auftrags auf, ob der Auftragnehmer einen Schaden erlitten und Anspruch auf Entschädigung hat.
Hinweis:
Aufgrund der geforderten Bilanzierung über den gesamten Zeitraum hinweg ist bereits der zeitlich beschränkte Bezugszeitraum der Klage untauglich gewesen. Dies gilt zumindest bezüglich der Gemeinkosten.
Das Gericht weist auch darauf hin, dass nicht nur „neue Füllaufträge“ den Schaden reduzieren, sondern auch schon vorher rekrutierte. Es macht grundsätzlich keinen Unterschied, ob der Auftragnehmer einen Auftrag vorzieht, der für die Zeit nach der geplanten Erledigung des streitgegenständlichen Vertrages vorgesehen war, um dann diesen im Anschluss daran zu bearbeiten. Denn im Gesamtzeitraum sind jedenfalls beide Aufträge hintereinander abgearbeitet, nur in anderer Reihenfolge.
Je nach (Auftragnehmer-)Mandat wird die Sachverhaltsaufarbeitung wohl nur in Kooperation mit der Mandantschaft und auf Anweisung erfolgen können, wozu sich eine Vergütungsvereinbarung nach § 3a RVG anbietet.
Rechtsanwalt Johannes Jochem RJ Anwälte, Wiesbaden