Gutachterkosten für Bauzeitennachtrag: Keine Erstattung nach BGB und VOB/B!

OLG Dresden, Urteil vom 25.03.2022 - 22 U 547/15; BGH, Beschluss vom 18.01.2023 - VII ZR 96/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 280, 311, 642 Abs. 1; VOB/B § 2 Abs. 5, § 6 Abs. 6

1. Die Kosten eines Privatgutachtens, das der Auftragnehmer nach einer Bauverzögerung zur Ermittlung der Mehrvergütung gem. § 2 Abs. 5 VOB/B erstellen lässt, können weder als Teil der Mehrkosten noch als Anspruch auf Entschädigung gem. § 642 BGB geltend gemacht werden.
2. Die nicht rechtzeitige Bereitstellung des Baugrundstücks durch den Auftraggeber stellt ohne anderweitige Vereinbarung der Parteien lediglich eine Obliegenheitsverletzung dar. Daher kann darauf kein die Privatgutachterkosten umfassender Schadensersatzanspruch gestützt werden.

OLG Dresden, Urteil vom 25.03.2022 - 22 U 547/15; BGH, Beschluss vom 18.01.2023 - VII ZR 96/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB §§ 280311642 Abs. 1; VOB/B § 2 Abs. 5, § 6 Abs. 6

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) war im Jahr 2007 auf der Grundlage der VOB/B mit dem Bau einer Überführung beauftragt worden. Die Bindefrist im vorausgegangenen Vergabeverfahren wurde vom Auftraggeber (AG) mehrfach verlängert. Auch die Ausführung der Arbeiten verzögerte sich, weil der AG erforderliche Genehmigungen verspätet beibrachte. Der AN machte daraufhin verzögerungsbedingte Mehrvergütungsansprüche gem. § 2 Abs. 5 VOB/B geltend, zu deren Berechnung er einen Privatgutachter beauftragte. Das OLG-Urteil, mit dem die hierfür als Teil der Mehrvergütung geltend gemachten Kosten von 80.000 Euro zunächst zugesprochen worden waren, hob der BGH auf (IBR 2021, 3). Nach Zurückverweisung verfolgt der AN diesen Anspruch weiter.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Aufwendungen für ein Privatgutachten sind nicht als materiell-rechtlicher Anspruch, sondern nur als Kosten des Rechtsstreits geltend zu machen. § 2 Abs. 5 VOB/B scheidet aus. Denn die zur Nachtragsberechnung aufgewandten Kosten sind kein Teil der Mehrvergütung (BGH, a.a.O.). § 642 BGB ist nicht einschlägig, weil er nur eine Entschädigung für die während des Annahmeverzugs unproduktiv vorgehaltenen Produktionsmittel begründet. Auf §§ 311280 BGB oder § 6 Abs. 6 VOB/B vermag sich der AN ebenfalls nicht zu stützen, weil ein Schadensersatzanspruch eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung voraussetzt. Die rechtzeitige Bereitstellung des Baugrunds stellt aber nur eine Obliegenheit dar.

Praxishinweis

Unternehmer stecken in einer Zwickmühle. Einerseits sehen sie sich wegen der (zu) hohen Anforderungen an die schlüssige Darlegung verzögerungsbedingter Mehraufwendungen gezwungen, diese durch kostspielige Privatgutachten ermitteln zu lassen. Andererseits hat der BGH (a.a.O.) entschieden, dass diese Aufwendungen jedenfalls nicht als Teil der Mehrvergütung gem. § 2 Abs. 5 VOB/B geltend gemacht werden können. Die offengebliebene Frage nach einer anderen Anspruchsgrundlage hat das OLG Dresden nunmehr zutreffend verneint. § 6 Abs. 6 VOB/B sowie §§ 311280286 BGB gewähren einen Schadensersatzanspruch nur bei Verletzung einer vertraglichen Pflicht. Jedenfalls eine solche auf die rechtzeitige Zurverfügungstellung eines Baugrundstücks dürfte sich aber selbst bei der Vereinbarung von Vertragsfristen nicht ergeben, weil die Bauzeit grundsätzlich kein Teil des Werkerfolgs ist. § 642 BGB schließlich gewährt bei der Verletzung bloßer Mitwirkungsobliegenheiten nur eine Entschädigung für einen während des Annahmeverzugs nicht erwirtschafteten Vergütungsanteil. Damit bleibt nur noch der Weg, die Aufwendungen als Teil der Prozesskosten geltend zu machen (siehe OLG Dresden, IBR 2023, XXX - in diesem Heft). Allenfalls die für die Planung der Nachtragsleistungen entstehenden Kosten können gem. § 2 Abs. 9 Nr. 1 VOB/B beansprucht werden, sofern der AG die Planungsverantwortung trägt und die Planung verlangt hat.

RiOLG Dr. Georg Rehbein, Bonn

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