Bauabeiter mit Bauhelm auf Baustelle

Wie zeigt man "richtig" Behinderung an?

OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019 - 2 U 81/19, VOB/B § 6 Abs. 1

Anforderungen an und Entbehrlichkeit von Behinderungsanzeigen gem. § 6 Abs. 1 VOB/B.*)

OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019 - 2 U 81/19, VOB/B § 6 Abs. 1

Problem/Sachverhalt

Glaubt sich der Auftragnehmer (AN) in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert, so hat er es dem Auftraggeber (AG) gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Unterlässt er die Anzeige, hat er gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B nur dann Anspruch auf Berücksichtigung der hindernden Umstände, wenn dem AG offenkundig die Tatsache und deren hindernde Wirkung bekannt waren.

Wann und wie man eine Behinderungsanzeige schreibt und an wen man sie verschickt, gehört eigentlich zum kleinen 1x1 eines jeden Bauleiters. Gleichwohl wird in der Praxis häufig nicht oder nicht richtig Behinderung angezeigt. Dabei ist eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige zwingende Voraussetzung für Ansprüche auf Bauzeitverlängerung und Ansprüche auf Ersatz der mit der Behinderung verbundenen bauzeitabhängigen Mehrkosten. Das gilt unabhängig davon, ob diese auf Mengenmehrungen (§ 2 Abs. 3 VOB/B), geänderte sowie zusätzliche Leistungen (§ 2 Abs. 5, 6 VOB/B), Obliegenheitsverletzungen des AG (§ 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B i.V.m. § 642 BGB) oder auf vom AG zu vertretende hindernde Umstände (§ 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B) zurückzuführen sind.

In dem vom OLG Oldenburg zu entscheidenden Rechtsstreit sollte der AN am 02.06.2014 mit den Bauarbeiten beginnen, allerdings waren bauseits noch nicht alle Vorleistungen erbracht. Der AN trägt vor, seine Mitarbeiter hätten regelmäßig mündliche Bedenkenanzeigen erteilt, und tritt dafür Beweis durch Benennung der jeweiligen Mitarbeiter an. Am 30.06.2014 wurde erstmals schriftlich Behinderung angezeigt.

Entscheidung

Das reicht nicht! Eine Behinderungsanzeige muss alle Tatsachen enthalten, aus denen sich für den AG mit hinreichender Klarheit und erschöpfend die dem AN bekannten Hinderungsgründe ergeben. Die Angaben müssen sich darauf erstrecken, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können (BGH, IBR 2000, 218). Soweit der AN behauptet, seine Mitarbeiter hätten regelmäßig mündlich Bedenken angezeigt, und dafür Beweis angetreten, handelt es sich bereits nicht um ordnungsgemäße Behinderungsanzeigen. Zwar können diese mündlich erfolgen. Allerdings füllt der Tatsachenvortrag des AN die Anforderungen an eine solche Behinderungsanzeige nicht ansatzweise aus. Damit war dem Beweisantritt nicht nachzugehen.

Angesichts des Umstands, dass die erste schriftliche Anzeige des AN vom 30.06.2014 stammte, kann dahinstehen, ob diese den Anforderungen an § 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B genügte. Denn jedenfalls kann eine Behinderungsanzeige nach ihrem Sinn und Zweck, der darin besteht, den AG vor drohender Inanspruchnahme zu warnen und ihm Gelegenheit zur Abhilfe zu verschaffen, keinen Schadensersatzanspruch wegen in der Vergangenheit liegender Umstände rechtfertigen. Dass dem AG die hindernden Umstände und Wirkungen vor dem 30.06.2014 bekannt und gleichsam offenkundig waren, was die Anzeigepflicht entfallen ließe, ergibt sich aus dem Vortrag des AN ebenfalls nicht. Offenkundig und bekannt sind die hindernden Umstände nur dann, wenn der AG nach seinem Verhalten, seinen Äußerungen oder Anordnungen zweifellos darüber unterrichtet ist. Sie müssen so deutlich hervortreten, dass sie selbst einem bautechnischen Laien nicht verborgen bleiben können.

Praxishinweis

Verteidigt sich der AN gegen eine Vertragsstrafe oder einen Schadensersatz wegen Bauzeitverzugs, kann er sich auch dann auf fehlendes Verschulden berufen, wenn er keine Behinderung angezeigt hat. Allerdings trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, er habe die Fristüberschreitung nicht zu vertreten, oder durch von ihm nicht zu vertretende Umstände sei der Zeitplan so gestört, dass ein Anspruch auf Vertragsstrafe bzw. Schadensersatz ganz entfällt (BGH, IBR 1999, 155).

RA Dr. Stephan Bolz, Mannheim 

© id Verlag