Zum Nachweis einer Verzögerungsentschädigung aus § 642 BGB genügt es nicht, die Verzögerung und die Stillstandszeit für Mannschaft und Gerät und die Vorhaltekosten darzustellen. Vielmehr muss vorgetragen werden, welche Differenz sich bei einem Vergleich zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergibt. Dafür bedarf es einer konkreten bauablaufbezogenen Darstellung.
OLG Brandenburg, Urteil vom 20.07.2023 - 10 U 14/23
BGB § 642; VOB/B § 6 Abs. 6 Satz 2
Problem/Sachverhalt
Der Auftragnehmer (AN) wird von einem öffentlichen Auftraggeber (AG) mit Baumfäll- und Rodungsarbeiten beauftragt. Ein Eigentümer verweigert dem AN das Betreten seines Grundstücks. Der AN zeigt dem AG Behinderung an und macht später eine Entschädigung i.H.v. 6.400 Euro geltend, weil er seine Geräte nutzlos habe vorhalten müssen.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Es kann offen bleiben, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 642 BGB i.V.m § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B dem Grunde nach erfüllt sind. Zum Nachweis einer Verzögerungsentschädigung genügt es nicht, die Verzögerung und die Stillstandszeit für Mannschaft und Gerät und die Vorhaltekosten darzustellen. Vielmehr muss konkret vorgetragen werden, welche Differenz sich bei einem Vergleich zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergibt (vgl. OLG Hamm, IBR 2004, 237). Macht der AN einen Anspruch auf Entschädigung wegen Bauzeitverzögerung geltend, kann für die Darlegung des nachweislich entstandenen Schadens bzw. der angemessenen Entschädigung eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung erforderlich sein. Dafür muss er zunächst den bauvertraglich vereinbarten Bauablauf, dann die genaue Behinderung und schließlich deren konkrete Auswirkungen auf seine Leistungen darlegen (vgl. OLG München, IBR 2009, 10). Zwar ist ein detaillierter Vergleich zwischen dem vereinbarten und dem verzögerten Bauablauf vorliegend nicht erforderlich, da lediglich die Verzögerung von weiteren Baumfällarbeiten im Raum stand. Allerdings hat der AN zum Beleg seiner Entschädigung lediglich auf die Nachtragskalkulation Bezug genommen. Dort ist auf der Grundlage des Nachtragsangebots aufgeführt, dass Stillstandskosten zwischen 09:30 und 16:30 Uhr aufgetreten sind, und angeführt, welche der Preise für die davon betroffenen Bagger, Rückezug, Hacker und LKW angesetzt worden sind. Es ist weder erläutert noch sonst erkennbar, wie die angesetzten Kosten auf der Grundlage der Vorkalkulation ermittelt worden sind, insbesondere welche Kosten der Stillstand der eingesetzten Gerätschaften verursacht hat. Der AN hat den Nachtrag auf der Grundlage der in der Vorkalkulation mehrfach ausgewiesenen Preise für Bagger, Rückezug, Hacker und LKW ermittelt und diese Preise dann in Bezug auf den Stillstandszeitraum - wohl abzüglich einer Mittagspause - mit sechs Stunden ermittelt. Daraus ist auch unter Anlegung großzügiger Maßstäbe nicht ermittelbar, ob und wie diese Preise den gegenständlichen Stillstand zutreffend abbilden.
Praxishinweis
Das aktuelle Urteil des OLG Brandenburg liest sich, als ob es aus einer Zeit vor der Entscheidung des BGH vom 30.01.2020 (IBR 2020, 229) stammen würde. Seither gilt nämlich: § 642 BGB erfordert eine Abwägungsentscheidung des Tatrichters auf der Grundlage der in § 642 Abs. 2 BGB genannten Kriterien. Dabei ist die angemessene Entschädigung im Ausgangspunkt an den auf die unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallenden Vergütungsanteilen einschließlich der Anteile für Allgemeine Geschäftskosten sowie für Wagnis und Gewinn zu orientieren. Der Tatrichter hat festzustellen, inwieweit während des Verzugs Produktionsmittel unproduktiv bereitgehalten wurden, und die hierauf entfallenden Anteile aus der vereinbarten Gesamtvergütung zu berücksichtigen, wobei er zur Schätzung (§ 287 ZPO) berechtigt ist. Die Entschädigung wird folglich auf kalkulatorischer Grundlage ermittelt.
RA Dr. Stephan Bolz, Mannheim
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