1. Der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gem. § 650f Abs. 1 BGB geht auch nach Kündigung des Vertrags gem. § 650f Abs. 5 BGB durch den Unternehmer nicht unter.
2. Trotz der Gefahr widerstreitender Interessen rechtfertigt der Gesetzeszweck von § 650f BGB ausnahmsweise den Erlass eines Teilurteils, mit dem über den eilbedürftigen Sicherungsanspruch des Unternehmers entschieden wird.
Problem/Sachverhalt
Ein Architekt (fortan: Unternehmer) schließt mit einem "professionellen" Besteller 2018 zwei Vollarchitekturverträge. Mit Schreiben vom 30.03.2022 fordert er beziffert Sicherheiten gem. § 650f BGB bis zum 12.04.2022 und droht für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die Kündigung an. Am 14.04.2022 weist der Besteller die Sicherungsverlangen wegen Mängeln und weiterer Gegenforderungen zurück, woraufhin der Unternehmer die Verträge am 19.04.2022 kündigt. Das Landgericht München I gab der Klage auf Stellung von Sicherheiten gem. § 650f BGB i.H.v. 95.000 Euro und von 80.000 Euro durch Teilurteil statt. Mit der Berufung rügt der Besteller die Unzulässigkeit des Teilurteils, weil er jeweils widerklagend Schadensersatz in sechststelliger Höhe geltend gemacht habe.
Entscheidung
Die Berufung hat keinen Erfolg! Die Entscheidung, durch Teilurteil zu entscheiden, ist ausnahmsweise trotz der Gefahr widersprechender Entscheidungen zulässig (BGH, IBR 2021, 443). Der Gesetzgeber wollte mit § 650f BGB dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller Sicherheit zu erhalten. Dieser Zweck rechtfertigt ausnahmsweise den Erlass eines Teilurteils (vgl. Leitsatz 2). Durch die Kündigung der Verträge nach § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB erlischt der Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht. Zwar hat der BGH (IBR 2014, 344) dies nur für die Kündigung des Bestellers entschieden. Aus dem Gesetzeswortlauf lässt sich aber nicht entnehmen, dass anderes gilt, wenn der Unternehmer berechtigt kündigt. Dies liefe dem Gesetzeszweck zuwider, dem Unternehmer einen klagbaren und effektiv durchsetzbaren Anspruch auf Sicherheit zu gewähren. Der Unternehmer wäre gehindert, den Vertrag zu kündigen. Die Kündigung in § 650f Abs. 5 BGB ist ein Sonderfall der Kündigung aus wichtigem Grund. Insoweit muss auch der Vergütungsanspruch aus § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB weiter gesichert werden (vgl. Leitzsatz 1.).
Praxishinweis
1. Der Beschluss entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach ausnahmsweise über die Klage auf Stellung einer Sicherheit durch Teilurteil entschieden werden kann (BGH, IBR 2021, 443).
2. Soweit das OLG München im Fall berechtigter Kündigung nach einem fruchtlosen Sicherungsverlangen dem Unternehmer weiter einen Sicherungsanspruch gewährt, begeht es Neuland (so nur Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, Bauvertragsrecht, 4. Aufl., § 650f Rz. 185). Diese Auffassung ist aber konsequent, weil sonst der Besteller aus der unterlassenen Stellung der verlangten Sicherheit den Vorteil ziehen könnte, nach Kündigung überhaupt keine Sicherheit mehr stellen zu müssen. Dies wäre ein absurdes Ergebnis.
3. § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB ist hinsichtlich der alternativen Handlungsmöglichkeiten des Unternehmers unglücklich formuliert. Richtigerweise besteht kein Alternativverhältnis. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hätte der Senat die Sache durch Urteil entscheiden und die Revision zulassen sollen.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Achim Olrik Vogel, München
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