Wie schnell muss ein Verbraucher-Besteller eine Bauhandwerkersicherheit stellen?

OLG Stuttgart, Urteil vom 21.12.2021 - 10 U 149/21 BGB § 650f Abs. 5

Eine von einem Unternehmer einem Verbraucher-Besteller im April 2020 zur Beibringung einer Sicherheit gem. § 650f BGB gesetzte Frist von 15 Kalendertagen, von denen vier auf Wochenenden und zwei auf Karfreitag und Ostermontag entfallen, ist unangemessen kurz. 

OLG Stuttgart, Urteil vom 21.12.2021 -10 U 149/21 

BGB § 650f Abs. 5 

 

Problem/Sachverhalt 

Der Unternehmer (U) und der Besteller (V), der Verbraucher ist, sind durch einen 2019 geschlossenen Vertrag verbunden, wonach U eine Balkon- und Treppenanlage am Wohngebäude des V errichten soll. Mit offensichtlich am selben Tag zugegangener E-Mail vom 08.04.2020 (Mittwoch vor Gründonnerstag) fordert U den V zur Stellung einer Sicherheit gem. § 650f BGB bis 19.04.2020 (einem Sonntag) auf. Im April 2020 herrschen pandemie-bedingte Einschränkungen des Wirtschaftslebens in Deutschland. V bemüht sich am Tag nach dem Zugang des Sicherungsverlangens bei seiner Bank um die Sicherheit und fragt am Dienstag nach Ostern nach, wobei er erfährt, was alles nötig sei, insbesondere die Anlage eines separaten Kontos. Mit E-Mail seines Rechtsanwalts vom 17.04.2020 an U weist V auf die Einschränkungen durch die Ostertage und die erschwerte Abstimmung mit der Bank aufgrund der Pandemie und die dadurch verlängerten Arbeitszeiten hin und kündigt an, die Sicherheit bis 29.04.2020 zu stellen. In der Nacht des 23.04.2020 teilt die Bank dem V mit, dass er die Bürgschaft am nächsten Tag abholen könne. Bereits davor kündigt U mit Schreiben vom 23.04.2020, dem V wohl am 24.04.2020 zugegangen, den Vertrag. 

Entscheidung 

Die Kündigung ist unwirksam, da keine angemessen lange Frist abgelaufen ist. Da eine zu knapp bemessene Frist eine angemessene Frist in Gang setzt, kommt es nicht auf die ursprüngliche Fristsetzung durch U, sondern auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs an. Damit liegen zwischen dem Zugang der Fristsetzung und dem der Kündigung 15 Kalendertage, darunter neun Bankarbeitstage. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll eine angemessene Frist zur Stellung der Sicherheit so bemessen sein, dass der Besteller die Sicherheit ohne schuldhaftes Verzögern beschaffen kann, wobei in der Regel sieben bis 10 Tage erforderlich sind. Die von V unternommenen Anstrengungen sprechen dafür, dass es V in der gegebenen Situation trotz sofortiger Bemühungen nicht möglich war, eine Bürgschaft schneller zu erlangen. Außerdem ließ V dem U am 17.04.2020 besondere Erschwernisse in der Beschaffung der Sicherheit mitteilen. Die von V genannten Umstände mussten U ohne Weiteres nachvollziehbar sein. Darauf, dass U Mängelansprüchebürgschaften innerhalb von zwei Tagen beschaffen kann, kommt es nicht an. Ein Unternehmer, der regelmäßig Bürgschaften stellen muss, wird eine Geschäftsbeziehung zu einer Bank unterhalten, die das regelmäßige Stellen von Bürgschaften beinhaltet. Das ist mit der Situation eines Verbrauchers wie V nicht vergleichbar. Ein Verbraucher sieht sich praktisch nie der Situation ausgesetzt, eine Bürgschaft stellen zu müssen, weshalb dies für ihn typischerweise länger dauert. Hinzu kommen schließlich die pandemie-bedingten Erschwernisse, weil Banken zwar nicht geschlossen hatten, aber Termine nur telefonisch oder nach Terminvereinbarung stattfanden. 

Praxishinweis 

Im kaufmännischen Geschäftsverkehr halte ich regelmäßig eine Frist von 14 Kalendertagen (= 10 reguläre Arbeitstage) für ausreichend. Einer Häufung von Feiertagen z. B. zum Jahresende oder um Ostern und Pfingsten herum ist durch eine entsprechend längere Frist Rechnung zu tragen. Angesichts der vorliegenden besonderen Umstände - zahlreiche Feiertage, pandemie-bedingte Erschwernisse, Beschaffung einer Sicherheit durch einen mit solchen Dingen üblicherweise nicht befassten Verbraucher und nachvollziehbare Darlegungen der Verzögerungen rechtzeitig vor Fristablauf - erscheint die Entscheidung zutreffend. 

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Claus Schmitz, München  

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