Gleiches gilt, falls die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Nicht selten wird in solchen Fällen auf die „übliche Vergütung“ gem. § 632 Abs. 2 BGB abgestellt. Insbesondere die nachträgliche Bestimmung der „üblichen Vergütung“ im konkreten Einzelfall, bspw. durch Sachverständige, bringt Schwierigkeiten mit sich. In diesem Aufsatz sollen dahingehend Möglichkeiten der nachträglichen statistischen Ermittlung der „üblichen Vergütung“ aufgezeigt werden. Dazu werden sowohl die Herausforderungen bei der Bestimmung thematisiert, als auch auf mögliche methodische Ansatzpunkte eingegangen. Zum Abschluss werden die Ergebnisse zusammengefasst und Empfehlungen formuliert.
I. Grundlagen der Baupreisermittlung
Die in wettbewerblich geprägten Ausschreibungsverfahren ermittelten Baupreise beinhalten in der Regel die folgenden vier Preisbestandteile: Einzelkosten der Teilleistungen (EKT), Baustellengemeinkosten (BGK), Allgemeine Geschäftskosten (AGK) sowie Anteile für Wagnis und Gewinn (WuG). Ergänzt werden diese durch die Beaufschlagung der Umsatzsteuer.
BGK-, AGK- und WuG-Anteile bilden die sogenannte „Umlage“. Diese drei Preisbestandteile werden separat ermittelt und anschließend als prozentualer Zuschlag auf die EKT verrechnet. Die Umlage variiert bei jedem Projekt und ist abhängig vom Umfang der im Leistungsverzeichnis (LV) des Auftraggebers (AG) berücksichtigten Leistungspositionen mit BGK-, AGK- und WuG-spezifischen Inhalten. Entscheidend ist dabei insbesondere, ob Nebenleistungen nach VOB/C, wie z.B. das „Einrichten, Vorhalten und Räumen der Baustelle“, Bestandteil von separaten LV-Positionen oder der Umlage sind. Der Umlageanteil je LV-Position ist weiterhin abhängig vom gewählten Umlageverfahren des Bieters. Somit können sich in Abhängigkeit der LV-Struktur und der Wahl des Umlageverfahrens für ansonsten vergleichbare Leistungen stark voneinander abweichende Angebotspreise ergeben.
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Kalkulation eines Bieters regelmäßig eine Schätzung der erwarteten Kosten darstellt und mehr oder weniger von den Kalkulationen anderer Bieter abweicht. Begründet wird diese Tatsache mit differierenden Annahmen der jeweiligen Bieter bei der Kalkulation von Baupreisen. Die den Bietern bei der Kalkulation zugrunde liegenden Kalkulationsannahmen sind abhängig von folgenden Punkten:
(1) Individuelle Aufwandsermittlung je LV-Position
Je nach Bieter unterscheiden sich die Kalkulationsansätze in Abhängigkeit des gewählten Bauverfahrens, des zugrunde gelegten Bauablaufs und des geplanten Ressourceneinsatzes. Folgende Kalkulationsansätze beeinflussen die Preise der jeweiligen LV-Position und des gesamten Angebotspreises: Leistungs-/Aufwandswerte; innere Mengen; Kostenansätze für Lohn-, Material-, Geräte- und Nachunternehmerleistungen; Risiko-, BGK-, AGK- und WuG-Ansätze.
(2) Sonstige leistungs-, zeit-, projekt- und marktspezifische Umstände der Baupreisbildung
Folgende weitere preisbeeinflussende Faktoren wirken auf die Höhe des Angebotspreises eines jeden Bieters:
- Marktsituation (z.B. Rezession, Angebots-/Nachfrageüberhang, Abwehrangebot),
- Bieterumfeld (z.B. erwartete Konkurrenzsituation, Auftragslage),
- Auslastung des Unternehmens (z.B. Vollbeschäftigung, Kurzarbeit, Auftragsbestand),
- Ort der Bauausführung (z.B. Region, Zugänglichkeit der Arbeitsplätze),
- Art der Bauausführung (z.B. Bautechnologie, Zugriff auf eigene Geräte),
- Risiken der Ausschreibung (z.B. Vertragsstrafe, Winterbau, Bauzeit, Gewährleistung),
- Umstände der Bauausführung (z.B. Baugrund, Qualität, Vorleistungen),
- Mengen (z.B. Kleinstmengen),
- Ansätze für betriebs- und leistungsbezogenes Wagnis sowie Gewinn oder
- Witterung (z.B. Arbeiten im Februar oder Mai).
(3) Spekulation, ungewollte Kalkulationsfehler
Spekulativ gebildete Preise liegen üblicherweise einer Mischkalkulation zugrunde. Diese sind nicht auf Basis einer systematischen und positionsbezogenen Kalkulation entstanden. Gleiches gilt im Übrigen für ungewollte Fehler in der Kalkulation. Spekulative Preise und ungewollte Kalkulationsfehler sind nicht immer als solche zu erkennen, in der Praxis aber nicht unüblich.
Je nach individueller Ausprägung vorgenannter Punkte (1) bis (3) können sich in Abhängigkeit des Bieters signifikant voneinander abweichende Einheitspreise je LV-Position bei einer Angebotspreisabfrage ergeben. Dabei führen die unter (1) genannten Gründe in der Regel zu einer eher geringen Abweichung einzelner Preise, die Gründe von (2) zu größeren Abweichungen und die Gründe von (3) zu teilweise sehr großen Abweichungen. Unabhängig von diesem Sachverhalt wird es jedoch auch einen Preis innerhalb einer Preisspanne geben, die für eine bestimmte Bauleistung von sachverständigen Personen als „üblich“ angesehen wird.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf die Abgrenzung der „üblichen Vergütung“ zu den „kalkulierten Preisen“, den „tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn“ (vgl. § 650c BGB ) und der „angemessenen Vergütung“ hingewiesen. Im Einzelnen wird auf diese Abgrenzung nachfolgend nicht weiter eingegangen.
Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Jens Otto, Dr.-Ing. Anne Harzdorf und Dipl.-Ing. Alexander Thiel
- Ende des Auszugs -
Der vollständige Aufsatz „Die nachträgliche Ermittlung der „Üblichen Vergütung“ für Bauleistungen " von Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Jens Otto, Dr.-Ing. Anne Harzdorf und Dipl.-Ing. Alexander Thiel erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2021, 1217 - 1227 (Heft 8). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.