Überschreitet die vom Sachverständigen begehrte Vergütung den Auslagenvorschuss um mehr als 20% und hat der Sachverständige hierauf nicht vorweg hingewiesen, ist die Vergütung mit dem Betrag des Vorschusses zu kappen.*)
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2019 - 10 W 102/19
JVEG § 8a Abs. 4
Problem/Sachverhalt
Der Sachverständige (S) erhält den gerichtlichen Gutachtenauftrag verbunden mit dem Hinweis, dass für ihn 2.500 Euro als Vorschuss eingezahlt worden sind. Ohne weitere Erklärung zur Vergütungshöhe leistet er sein Gutachten und berechnet dann eine Vergütung i.H.v. mehr als 3.000 Euro. Das Landgericht setzt diesen Betrag durch richterlichen Beschluss fest; hiergegen kommt die Beschwerde der Landeskasse.
Entscheidung
Das OLG ändert die Festsetzung ab: Nach § 8a Abs. 4 JVEG bekommt S, der nicht vorweg auf die Überschreitung des Vorschusses um mehr als 20% hingewiesen und auch keine richterliche Weisung betreffend seine Weiterarbeit abgewartet hat, Vergütung bloß in Höhe des für ihn geleisteten Vorschusses; das ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut dieser Norm; mehr als 20% sind "erheblich".
Praxishinweis
Das OLG Düsseldorf bleibt bei seiner Linie. Dass bei mehr als 20% iger Vorschussüberschreitung die Vergütung auf die Vorschusshöhe zu kürzen sei, hat es bisher ständig entschieden (vgl. nur IBR 2017, 54; IBR 2017, 169; IBR 2018, 420; IBR 2018, 710). Beachtlich ist allerdings, dass das OLG Hamm diese mehr-als-20%-Grenze nicht so sieht; dieses OLG hat mit Beschluss vom 04.01.2018 - 25 W 300/17 entschieden: Weil von einem gewichtigen Teil der Literatur und Rechtsprechung die Grenze der Erheblichkeit erst bei 25% gezogen wird, kann dem Sachverständigen im Hinblick auf eine unter 25% gebliebenen Vorschussüberschreitung nicht vorgeworfen werden, die Anzeige schuldhaft unterlassen zu haben, da er davon ausgehen konnte, sich mit der Überschreitung des Vorschusses noch im zulässigen Rahmen zu halten. Auf die Entscheidung dieses Nachbar-OLG geht das OLG Düsseldorf mit keinem Wort ein. Unterlassen wird auch eine Auseinandersetzung mit der Ansicht etwa des OLG Karlsruhe (IBR 2017, 408): Eine "erhebliche" Überschreitung des Auslagenvorschusses setzt voraus, dass die Kosteninteressen der Parteien tangiert sind; wäre der Gutachtenauftrag bei einer rechtzeitigen Anzeige des Sachverständigen, dass der angeforderte Vorschuss nicht ausreicht, weder abgebrochen noch eingeschränkt worden, kommt eine Kürzung der Vergütung gem. § 8a Abs. 4 JVEG nicht in Betracht. Soeben, nämlich mit Beschluss vom 18.07.2019 - 10 W 53/19, hat das OLG Düsseldorf sogar eine Vergütungskürzung auf eine dem Sachverständigen gar nicht mitgeteilte Vorschusshöhe deshalb für korrekt erachtet, weil dieser Sachverständige dem Landgericht mit Formularschreiben mitgeteilt hatte, dass er zu "den entsprechenden Kosten" unaufgefordert Stellung nehmen werde. Den gerichtlichen Sachverständigen ist unbedingt zu raten, vor und während ihrer Arbeiten den für sie eingezahlten Vorschuss, der einen Bruttobetrag (!) darstellt, im Auge zu behalten; ergeben sich Anhaltspunkte einer möglichen Überschreitung haben sie ihre Arbeit sogleich zu stoppen, dem Gericht die Höhe ihrer voraussichtlichen Vergütung sowie ihre Arbeitsunterbrechung mitzuteilen und das Gericht um Erteilung einer Weisung gem. § 404a ZPO zu bitten - dies gilt nicht nur für im OLG-Bezirk Düsseldorf gelegene Gerichte!
VorsRiLG a. D. Prof. Jürgen Ulrich, Dortmund
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