Vergütung trotz Fristsetzung nicht angemeldet: Ansprüche gegenüber der Staatskasse erlöschen!

OLG Koblenz, Beschluss vom 22.06.2020 - 13 WF 299/20 RVG § 1 Abs. 1, §§ 49, 50, 55 Abs. 6 Satz 2

1. Der Begriff der "Vergütung" in § 50 Abs. 1, § 55 Abs. 6 RVG umfasst nicht lediglich die Gebühren eines Rechtsanwalts; hiervon sind gemäß der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG auch die Auslagen umfasst.*)
2. Die Festsetzung einer weiteren Vergütung - im Sinne von weiteren Auslagen - nach §§ 46, 50 RVG kann auch in Betracht kommen, wenn die Gebührenhöhe nach § 49 RVG und § 13 RVG identisch ist. Somit kommt die Rechtsfolge der Fristversäumnis nach § 55 Abs. 6 Satz 2 RVG zur Anwendung.*)
3. Die Fristversäumnis führt sowohl zum Erlöschen der Grundvergütung i.S.v. § 49 RVG als auch der weiteren Vergütung nach § 50 RVG.*)

OLG Koblenz, Beschluss vom 22.06.2020 - 13 WF 299/20

RVG § 1 Abs. 1, §§ 49, 50, 55 Abs. 6 Satz 2

Problem/Sachverhalt

Die Landeskasse hatte den Kanzleiabwickler des beigeordneten Anwalts angeschrieben und ihn unter Fristsetzung nach § 55 Abs. 6 RVG aufgefordert, die PKH-Vergütung bei der Landeskasse anzumelden. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist beschloss das Gericht die Einstellung der Ratenzahlung.

Entscheidung

Kommt der Anwalt der Fristsetzung nach § 55 Abs. 6 RVG nicht nach, so erlöschen seine Ansprüche gegen die Staatskasse. Diese Erlöschenswirkung erfasst dabei nicht nur den Anspruch auf die weitere Wahlanwaltsvergütung nach § 50 RVG, sondern auch die sog. Grundvergütung nach § 49 RVG. Der Rechtspfleger soll durch die rechtzeitige Anmeldung der Vergütung in die Lage versetzt werden, die Raten- oder Einmalzahlung zu berechnen. Soweit eine Vergütung nicht angemeldet wird, kann er diese bei der Berechnung der Raten- oder Einmalzahlung nicht berücksichtigen. Die Landeskasse kann dann die entsprechenden Beträge von der bedürftigen Partei nicht einziehen, so dass diese auch nicht zur Verteilung und Auszahlung an den Rechtsanwalt zur Verfügung stehen. Insoweit ist es auch unerheblich, ob überhaupt eine weitere Wahlanwaltsvergütung in Betracht kommt oder ob sich - wie hier - bei Gegenstandswerten bis 4.000 Euro Wahl- und Pflichtanwaltsvergütung decken, zumal ja auch noch Auslagen abgerechnet werden können. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig.

Praxishinweis

Leider ist vielen Anwälten nicht bewusst, welche weitreichenden Konsequenzen das Verstreichenlassen der Frist des § 55 Abs. 6 RVG hat. Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass diese Frist nicht verlängerbar ist. Das bedeutet, dass nach Ablauf der Frist alle nicht angemeldeten Ansprüche ausgeschlossen sind. Dies betrifft entgegen der häufig anzutreffenden Auffassung nicht nur die über die PKH-Vergütung hinausgehenden Wahlanwaltsbeträge, sondern auch die sich aus § 49 RVG berechnete sog. "Grundvergütung" (so schon OLG Zweibrücken, AGS 2013, 530). Das bedeutet, dass die Landeskasse sogar bereits gezahlte PKH-Vergütungen nachträglich wieder zurückverlangen könnte. Diese Erklärung nach § 55 Abs. 6 RVG ist auch keine unnötige Förmelei. Selbst wenn der Anwalt bereits die PKH-Vergütung nach § 49 RVG abgerechnet und vereinnahmt hat, heißt dies ja nicht, dass diese Kosten endgültig aus der Landeskasse zu übernehmen sind. Es ist ja durchaus möglich, dass zwischen Auszahlung der PKH-Vergütung und Abgabe der Erklärung nach § 55 Abs. 6 RVG anzurechnende Zahlungen das Mandanten oder eines erstattungspflichtigen Dritten eingegangen sind. Wird vom Gericht eine Frist nach § 55 Abs. 6 RVG gesetzt, muss der Anwalt also unbedingt reagieren. Voraussetzung für eine wirksame Fristsetzung nach § 55 Abs. 6 RVG ist allerdings, dass im Rahmen der PKH-Bewilligung eine Zahlungsanordnung nach § 120 Abs. 1 ZPO, also eine Raten- oder Einmalzahlung, angeordnet worden ist (LAG Düsseldorf, AGS 2017, 292). Andernfalls ist die Fristsetzung unbeachtlich.

 

RA Norbert Schneider, Neunkirchen-Seelscheid

© id Verlag