Abschlagszahlungen auf Nachtragsleistungen ohne Einigung über die Vergütung

BGH, Beschluss vom 24.05.2012 – VII ZR 34/11

Ein Anspruch auf Vergütung von Nachtragsleistungen setzt nicht die Vereinbarung der Vergütung voraus.

Ausgangssituation:

Der Anspruch des Auftragnehmers auf Vergütung von geänderten oder zusätzlichen Leistungen gemäß §§ 2 Abs. 5, 6 VOB/B entsteht mit der Anordnung der geänderten oder zusätzlichen Leistung durch den Auftraggeber. Der Auftraggeber ist berechtigt, Abschlagszahlungen für die geänderte oder zusätzliche Leistung zu verlangen, auch wenn eine Einigung über die Vergütung aussteht.

Beispiel:

(Nach BGH, Beschluss vom 24.05.2012 – VII ZR 34/11)

Der Bauunternehmer stellt Abschlagsrechnungen für erbrachte Leistungen, die der Bauherr auf der Grundlage eines unter Einbeziehung der VOB/B geschlossenen Bauvertrages zusätzlich angeordnet hat. Die Abschlagsrechnungen werden erst nach einem langwierigen Prüfungsverfahren für die Nachtragsforderungen beglichen. Im Zuge dieses Prüfungsverfahrens haben sich die Parteien auf eine dem Bauunternehmer für die zusätzlich geforderten Leistungen zustehende Vergütung geeinigt. Diese liegt unterhalb der zunächst beanspruchten und abgerechneten Nachtragsvergütung.

Der Bauunternehmer hatte die Abschlagsrechnungen vor Abschluss des Prüfungsverfahrens gestellt und dem Bauherren nach Ablauf der Frist von 18 Werktagen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B eine Nachfrist zur Zahlung gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B gesetzt. Ab dem Ablauf der Nachfrist beansprucht der Bauunternehmer Zinsen.

Der BGH stellt fest, dass der Anspruch auf Vergütung von zusätzlichen Leistungen, welche auf Anordnung des Auftraggebers erbracht werden, mit der Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Auftraggebers entsteht. Der Anspruch hängt nicht davon ab, dass die Parteien vor Beginn der Ausführung eine Vergütung vereinbaren. Unterbleibt eine Vereinbarung über die Vergütung, so ist diese unter Berücksichtigung der sich aus § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B beziehungsweise im Falle der geänderten Leistung aus § 2 Abs. 5 Satz 1 VOB/B ergebenden Vorgaben zu ermitteln. Sofern die Parteien keine andere Regelung getroffen haben, ist der Anspruch auf Abschlagszahlungen für erbrachte zusätzliche oder geänderte Leistungen 18 Werktage nach Zugang der Abschlagsrechnung fällig, § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B. Der Bauunternehmer ist berechtigt, unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B Verzugszinsen wegen Nichtbezahlung dieser Vergütung zu verlangen.

Hinweis:

Die Entscheidung des BGH hat erhebliche Bedeutung für die Sicherstellung der Liquidität des Bauunternehmers. Der Bauunternehmer kann vom Auftraggeber angeordnete zusätzliche oder geänderte Leistungen unmittelbar nach der Leistungserbringung berechnen. Die Abrechnung muss lediglich prüfbar sein. Selbst wenn eine überhöhte Vergütung geltend gemacht wird, so besteht der Anspruch auf die berechtigte Nachtragsvergütung sowie die gegebenenfalls hierauf anfallenden Zinsen. Der Bauherr kann sich dem Anspruch auf Abschlagszahlung nicht dadurch entziehen, dass er vorformulierte, vertragliche Regelungen schafft, welche den Vergütungsanspruch von einseitigen Handlungen des Auftraggebers, beispielsweise von einem Prüfungsverfahren oder auch von einer Einigung über die Vergütung abhängig machen. Entsprechende Klauseln verstoßen regelmäßig gegen die wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Abschlagszahlungsregelung gemäß § 632 a BGB. Dies hat auch das Landgericht Frankfurt/Main mit Urteil vom 03.12.2007 – 3/1 O 104/07 zu den Regularien des kontierten Einkaufs der DB AG entschieden, welche die Bezugnahme jeder Rechnung auf einen Bestellschein voraussetzen.

Abschließend sei bemerkt, dass § 16 VOB/B in der aktuellen Fassung 2012 eine Nachfristsetzung zur Begründung eines Zinsanspruches nicht mehr voraussetzt. Danach kommt der Auftraggeber spätestens 30 Tage nach Zugang der Rechnung in Zahlungsverzug. Die Regelung wurde der Vorschrift des § 286 Abs. 3 BGB angeglichen.

 

Rechtsanwältin Dr. Birgit Franz

Leinemann & Partner, Köln