Wohnungsbau auf Außenbereichsflächen ausgebremst: Bebauungspläne nur noch mit Umweltprüfung!

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18.07.2023 die erst 2017 eingeführte Regelung, dass Gemeinden außerhalb des Siedlungsbereiches Flächen im sogenannten „beschleunigten Verfahren“ ohne Umweltprüfung für eine Wohnnutzung beplanen dürfen, für unwirksam erklärt. Dieses Planungsinstrument steht den Gemeinden ab sofort nicht mehr zur Verfügung. Doch kam die Entscheidung des BVerwG tatsächlich überraschend? Und wie geht es weiter?

Bauplanungsrechtlicher Hintergrund

§ 13b Satz 1 Baugesetzbuch regelt(e), dass B-Pläne mit einer Grundfläche von weniger als 10.000 m², durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, im Wege des in § 13a BauGB geregelten beschleunigten Verfahrens aufgestellt werden können. Die mit der Städtebaurechtsnovelle 2017 eingeführte Norm bezweckt(e) eine Erleichterung des Wohnungsbaus auf Arrondierungsflächen und konnte im B-Plan-Aufstellungsverfahren insbesondere auf eine aufwändige Umweltprüfung, die das EU-Recht grundsätzlich fordert, verzichtet werden.

Der Fall

Die Umweltvereinigung BUND hatte gegen einen B-Plan geklagt, mit dem ein allgemeines Wohngebiet mit einer zulässigen Grundfläche von 8.520 m² am Ortsrand der Gemeinde Gaiberg im Rhein-Neckar-Kreis festgesetzt wurde. Der B-Plan wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne UVP aufgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim wies den Normenkontrollantrag des BUND mit Urteil vom 11.05.2022 (Az. 3 S 3180/19) zwar ab. Allerdings ließ das Normenkontrollgericht „wegen grundsätzlicher Bedeutung“ der Rechtssache die Revision zum BVerwG zu. Damit sollte höchstrichterlich geklärt werden, ob § 13b BauGB dem EU-Recht entspricht.

Die Entscheidung

Das BVerwG hat mit Urteil vom 18.07.2023 (Az. 4 CN 3.22) diese Frage verneint, das Urteil des VGH Mannheim aufgehoben und den B-Plan für unwirksam erklärt. Der B-Plan sei zu Unrecht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB erlassen worden. Die Vorschrift verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung (SUP-Richtlinie 2001/42/EG). Art. 3 Abs. 1 SUP-RL verlangt eine UVP für alle Pläne, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Ob dies der Fall ist, bestimmen die Mitgliedstaaten insbesondere für B-Pläne entweder durch Einzelfallprüfung, sogenannte „Artfestlegung“ oder eine Kombination dieser Ansätze. Der Bundestag hat sich im Rahmen der Städtebaurechtsnovelle 2017 in § 13b Satz 1 BauGB für die „Artfestlegung“ entschieden. B-Pläne, die die Merkmale des § 13 Satz 1 BauGB aufweisen, haben daher schon „ihrer Art nach“ keine erheblichen Umweltauswirkungen, so die pauschale Unterstellung. Diese „Artfestlegung“ muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aber auch tatsächlich gewährleisten, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber darf sich folglich nicht mit einer typisierenden Betrachtungsweise oder Pauschalierung begnügen.

Das BVerwG hat nun geurteilt, dass § 13b Satz 1 BauGB diesem eindeutigen und strengen Maßstab nicht gerecht wird. Anders als bei B-Plänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB, die der Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Siedlungsbereiches entgegenwirken sollen, erlaube § 13b BauGB gerade die Überplanung solcher Flächen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB – Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil – sind nach Auffassung des BVerwG jedoch nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Das gelte schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit.

Eine Überraschung?

Überraschend ist die Entscheidung des BVerwG keinesfalls. Die Vereinbarkeit von § 13b BauGB – mit dessen pauschaler Unterstellung, B-Pläne hätten keine erheblichen Umweltauswirkungen – mit EU-Recht wurde in der Rechtswissenschaft von Anfang an kritisch beurteilt. Der VGH Mannheim war von seiner Rechtsauffassung, § 13b BauGB sei EU-Rechts-konform, offenbar selbst nicht überzeugt und hat zugunsten des BUND die Revision zum BVerwG zugelassen.

Und nicht zu vergessen: Die Regelung war zunächst befristet und umfasste nur B-Pläne, deren Aufstellung bis 31.12.2019 förmlich eingeleitet und die bis 31.12.2021 beschlossen wurden. Eine weitere Verlängerung war im Gesetzgebungsverfahren zum Baulandmobilisierungsgesetz aus dem Jahr 2021 äußerst umstritten. Der damalige Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat konnte sich allerdings durchsetzen und wurde der zeitliche Anwendungsbereich von § 13b BauGB um drei Jahre verlängert. § 13b Satz 2 BauGB regelt daher, dass das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes nur bis 31.12.2022 förmlich eingeleitet werden konnte und der Satzungsbeschluss über den B-Plan bis 31.12.2024 zu fassen war. Aufgrund der also schon immer nur befristet geltenden Regelung können daher weder die Gemeinden noch unmittelbar oder mittelbar von der Bauleitplanung Begünstigte eine Art „Vertrauensschutz“ für sich reklamieren.

Wie weiter?

Klar ist, dass im Fall eines neu aufzustellenden B-Planes § 13b BauGB wegen des Vorranges des EU-Rechts ab sofort nicht mehr angewendet werden darf. Entweder sind die noch laufenden B-Plan-Aufstellungsverfahren, die bislang auf Grundlage des § 13b BauGB durchgeführt wurden, abzubrechen (hierzu und zum Folgenden „Vorläufige Handlungsempfehlungen zum Urteil BVerwG (4 CN 3.22) zu § 13b BauGB“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (2023)). Oder die Verfahren müssen auf das normale „Regelverfahren“, also ohne Anwendung der Beschleunigungsvorschriften, umgestellt werden. Dann müssen aber insbesondere ein fehlender Umweltbericht nachträglich erstellt und die erforderlichen Beteiligungsschritte wiederholt werden. Für bereits in Kraft getretene § 13b BauGB-B-Pläne besteht – wie im vom BVerwG entschiedenen Fall – das Risiko, im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens für unwirksam erklärt zu werden. Voraussetzung ist allerdings die Einhaltung der Jahresfrist, innerhalb derer Normenkontrollantrag gestellt und der Verfahrensmangel gerügt werden müssen.

Auf bereits erteilte („bestandskräftige“) Baugenehmigungen wirkt sich die BVerwG-Entscheidung allerdings nicht unmittelbar aus. Solche Baugenehmigungen behalten selbst bei nachträglicher Aufhebung eines für sie maßgeblichen B-Planes ihre Wirksamkeit. Zwar könnten rechtswidrig erteilte Baugenehmigungen aufgehoben werden. Allerdings wäre eine solche Aufhebung eine Ermessensentscheidung und würde von der Behörde dabei sicherlich bedacht, dass dem Baugenehmigungsinhaber Schadensersatzansprüche zustehen können.

Bewertung – und Lösung?

Die Städtebaupolitik steckt in einem Dilemma: In einer aktuell sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage muss einerseits dringend – vor allem bezahlbarer – Wohnraum geschaffen werden. Schneller Wohnungsbau wenigstens auf Arrondierungsflächen im Außenbereich durch B-Pläne im beschleunigten Verfahren hätte hier einen gewissen Beitrag leisten können, ist nun aber ausgebremst worden. Andererseits stand § 13b BauGB vor allem deshalb in der Kritik, weil die Norm den städtebaulichen „Donut-Effekt“ (Löhr, FAZ, 09.02.2021) unterstütze: Während in den Stadtkernen alte Immobilien leer stünden, sei durch § 13b BauGB am Stadtrand der Nährboden für Neubaugebiete entstanden. Auf diese Weise werde der Weg für die Umwandlung von Natur in Siedlungs- und Verkehrsflächen geebnet. Tatsächlich gehen – seit 2017 mit steigender Tendenz – in Deutschland täglich 58 Hektar Fläche verloren (Kokenbrink, FAZ, 18.09.2023). Demgegenüber will die Bundesregierung den Flächenverbrauch bis 2030 auf 30 Hektar täglich senken.

Wie diesen Zielkonflikt lösen? Für schnellen Wohnungsbau stehen zwar Arrondierungs-Außenbereichsflächen nun nicht mehr ohne Weiteres zur Verfügung. Aber lässt sich dort überhaupt das notwendige Flächenpotential heben? Das Urteil des BVerwG betrifft vor allem kleinere (Land-)Gemeinden im süddeutschen Raum. Viel eher müssen – vor allem in den (Groß-) Städten – konsequent rechtssichere Bebauungspläne (gerade der Innenentwicklung) aufgestellt, die Nachverdichtung im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zugelassen und Befreiungen von den Festsetzungen eines B-Planes erteilt werden, um den Wohnungsbau voranzubringen. Dementsprechend sieht die schon angestoßene „Große BauGB-Novelle“, für die ein Referentenentwurf noch für diesen Herbst in Aussicht gestellt ist, wieder und weiterhin die „Stärkung der Innenentwicklung“ vor.

Und der Gesetzgeber sollte für seine Reformbemühungen (auch) aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2023 gelernt haben: Weniger lässt sich eine Verfahrensbeschleunigung gesetzlich „verordnen“. Erreicht wird dies letztlich immer nur durch ausreichend viele qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Planungsämtern der Gemeinden und in den Bauaufsichtsbehörden, die zudem in der Lage sind (oder hoffentlich schnellstmöglich sein werden), in digitalisierten Planungs- und Genehmigungsprozessen zu arbeiten.

Dr. Frank-Florian Seifert

  • Rechtsanwalt in allen Fragen des öffentlichen Baurechts, Planungsrechts und Umweltrechts
  • Mitglied der ARGE Baurecht
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