Wie sind tatsächlich erforderliche Kosten (nicht) darzulegen?

OLG Koblenz, Beschluss vom 20.06.2022 - 1 U 2211/21; BGH, Beschluss vom 15.02.2023 - VII ZR 138/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen) BGB § 650c Abs. 1; VOB/B § 2 Abs. 3, 5

1. Sowohl im Fall der Mengenmehrung als auch der geänderten Leistung ist die Ermittlung des neuen Preises für die Mehrleistung im VOB/B-Vertrag auf der Grundlage der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge vorzunehmen.
2. Der Auftragnehmer hat die tatsächlich erforderlichen Kosten schlüssig darzulegen. Will er mangels Nachweisbarkeit der Kosten auf Marktpreise abstellen, erfordert dies eine substanziierte Darlegung der zum Zeitpunkt der Bauausführung geltenden Marktpreise.
3. Baustellenbezogene Gemeinkosten können nicht als Zuschlag, sondern nur nach tatsächlichen Kosten in Ansatz gebracht werden.
4. Soweit Allgemeine Geschäftskosten abgerechnet werden, ist dies zwar grundsätzlich über angemessene Zuschläge möglich. Allerdings kann die Angemessenheit des Zuschlags nicht mit dem Verweis auf die Kalkulation des Auftragnehmers begründet werden.
5. Die Kosten für die Erstellung eines Nachtragsangebots sind nicht vom Auftraggeber als Mehrkosten zu erstatten.

OLG Koblenz, Beschluss vom 20.06.2022 - 1 U 2211/21; BGH, Beschluss vom 15.02.2023 - VII ZR 138/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

BGB § 650c Abs. 1; VOB/B § 2 Abs. 3, 5

Problem/Sachverhalt

Der öffentliche Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer vor Inkrafttreten des neuen Bauvertragsrechts im BGB unter Einbeziehung der VOB/B mit Bauleistungen an einer Kreisstraße. Nach dem Leistungsverzeichnis sollen 13 Kopflöcher hergestellt werden, tatsächlich werden 35 ausgeführt. Die Anordnung ist durch Markieren der entsprechenden Schieberkappen und Hydranten mit Prüffarbe durch den zuständigen Wassermeister erfolgt. Der Auftraggeber erkennt die daraus resultierenden Mehrmengen zu den vereinbarten Einheitspreisen an. Für darüber hinausgehenden Mehraufwand, Mehrkosten aufgrund der durch die Mehrleistungen entstandenen Bauzeitverlängerung und solche der Nachtragsbearbeitung macht der Auftragnehmer eine Mehrvergütung von zuletzt noch gut 105.000 Euro geltend, die er zunächst vorkalkulatorisch und im Prozessverlauf (vermeintlich) nach tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen berechnet.

Entscheidung

Ohne Erfolg, da dem Auftragnehmer eine schlüssige Darlegung nicht gelingt! Das OLG schließt sich zunächst der Rechtsprechung an, wonach die Preisanpassung wegen Mehrmengen nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B mangels Rechtsfolgenregelung nach tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen zu erfolgen habe (BGH, IBR 2019, 536). Das gelte auch für die Anpassung der Vergütung wegen geänderter Leistungen nach § 2 Abs. 5 VOB/B (zuletzt OLG Düsseldorf, IBR 2020, 334), weshalb offenbleiben könne, ob es sich um Mehrmengen oder eine Leistungsänderung handele. Allerdings sei bereits der geltend gemachte Zeitansatz von 1,1 ³/Std. den vorgelegten Bautagebüchern nicht zu entnehmen. Bezüglich der Gerätekosten nehme der Auftragnehmer auf Marktpreise Bezug (BGH, IBR 2021, 3), lege diese aber nicht hinreichend dar. Zweifelhaft sei auch, ob er bezüglich der Lohnkosten den Mittellohn ansetzen könne. Die als Zuschlag geltend gemachten Baustellengemeinkosten könnten änderungsbezogen nur als tatsächliche Kosten abgerechnet werden, dies gelte auch für die in der änderungsbedingt verlängerten Bauzeit angefallenen. Der Auftragnehmer differenziere insoweit auch nicht zwischen der Bauzeit für die geschuldeten und der für die geänderten Leistungen. Schließlich seien Kosten der Nachtragsbearbeitung nicht erstattungsfähig (BGH, IBR 2021, 3).

Praxishinweis

Das OLG folgt größtenteils der wohl h.M. zu § 650c Abs. 1 BGB. Das Abstellen auf Marktpreise anstatt auf den tatsächlichen Aufwand hatte der BGH indes nur für die entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 5 VOB/B bei verschobenem Zuschlag zugelassen, als "tatsächliche Kosten" dürften diese demgegenüber nicht anzusehen sein.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Prof. Dr. Heiko Fuchs, Mönchengladbach