OLG Celle, Beschluss vom 10.10.2022 - 14 U 28/22; BGH, Beschluss vom 11.10.2023 - VII ZR 204/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
BGB §§ 305, 307 Abs. 1, §§ 765, 768, 821; ZPO § 522 Abs. 2
Problem/Sachverhalt
In dem vom Auftraggeber (AG) vorgegebenen Generalunternehmervertrag (Allgemeine Geschäftsbedingungen) ist geregelt, dass der Auftragnehmer gem. § 16.1 eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 10%, die auch Mängelansprüche nach Abnahme sichern soll, und gem. § 16.2 zusätzlich eine Mängelansprüchesicherheit von 5% der Brutto-Auftragssumme zu stellen hat. Die Beklagte (B) stellt eine entsprechende selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft und wird vom AG auf Leistung aus dieser Bürgschaft verklagt. B wendet ein, dass die der Bürgschaft zu Grunde liegende AGB-Sicherungsklausel unwirksam ist und deshalb als Rechtsgrund für die Stellung der Bürgschaft entfällt, weshalb sie bezüglich der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft die Bereicherungseinrede gem. §§ 821, 768 BGB erhebt. Das LG Hannover bestätigt die Unwirksamkeit der Sicherungsklausel und weist die Klage ab, wogegen der AG Berufung einlegt.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Aus den als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vom AG vorgegebenen Sicherungsklauseln 16.1 und 16.2 kann sich durch ihr Zusammenwirken eine unangemessen hohe Mängelansprüchesicherheit von 15% ergeben. Denn die Vertragserfüllungsbürgschaft gem. 16.1 über 10% soll auch Mängelansprüche sichern, und ist nicht bei Fertigstellung und Abnahme zurückzugeben. So kann sie sich nach Abnahme mit der zusätzlich gem. 16.2 zu stellenden Mängelansprüchesicherheit von 5% auf 15% Mängelansprüchesicherheit nach Abnahme summieren. Eine Mängelansprüchesicherheit von 15% der Brutto-Auftragssumme ist unangemessen hoch, denn gem. § 9c Abs. 2 Satz 3 VOB/A ist eine Mängelansprüchesicherheit von 3% der Abrechnungssumme zu stellen, was nach Erfahrungswerten der öffentlichen Hand regelmäßig ausreicht. Und in der Praxis der privaten Bauwirtschaft werden höchstens 5% Mängelansprüchesicherheit als angemessen angesehen. Nach der Rechtsprechung des BGH (z. B. Urteil vom 09.12.2010 - VII ZR 7/10, IBRRS 2011, 0367), auf die das OLG verweist, sind alle zusammenwirkenden AGB-Klauseln gem. § 307 BGB unwirksam, wenn sich aus ihrem Zusammenwirken eine unangemessene Benachteiligung ergibt, denn es ist nicht Sache des Gerichts auszusuchen, welche der Klauseln bestehen bleiben soll. Dies gilt selbst dann, wenn eine der zusammenwirkenden Klauseln bereits für sich betrachtet unangemessen und damit nichtig ist, da der Verwender von Sicherungsklauseln, von denen eine nur Bestand haben kann, wenn die andere unwirksam ist, sich nicht darauf berufen kann, dass die von ihm selbst gestellte Klausel unangemessen und damit unwirksam ist (BGH, a.a.O., Rz. 22).
Praxishinweis
Für eine konkludente Änderung der Sicherungsabrede, die auch das OLG Celle hier nicht angenommen hat, verlangt der BGH (z. B. Urteil vom 22.01.2015 - VII ZR 120/14, Rz. 21, IBRRS 2015, 0306) mehr als die Übergabe und Annahme einer von der Sicherungsklausel abweichenden Bürgschaftsurkunde.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Jürgen Ripke, Hannover