Stahlbetonbauer Binnenverjaehrung Mangelanspruch

Zur „Binnenverjährung“ des einzelnen Mangelanspruches während des Laufs eines Selbständigen Beweisverfahrens

Die herrschende Meinung vertritt das Dogma, dass die Hemmung der Verjährung durch Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens bei mehreren in einem Verfahren zusammengefassten Beweisthemen nach Beweiserhebung zum jeweiligen Thema nach der letzten Aktivität von Parteien, Gericht oder Sachverständigem endet1 und dann die 6-Monats-Frist des § 204 Abs. 2 Satz BGB in Gang setzt. Bezugspunkt ist danach nicht das Ende des Beweisverfahrens als Ganzes, sondern die jeweilige Beweiserhebung.

I. Ausgangspunkt: Die (heutige) gesetzliche Regelung

 

lautet in § 204 Abs. 1 BGB „Die Verjährung wird gehemmt durch…(Nr. 7) die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines Selbständigen Beweisverfahrens“, und in Abs. 2: „Die Hemmung nach Absatz 1 endet 6 Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweiten Beendigung des eingeleiteten Verfahrens" Fraglich ist nur, wann diese Hemmung endet (und sich die 6-Monats-Frist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB  anschließt), weil das Gesetz keine förmliche Beendigung des Selbständigen Beweisverfahrens vorgesehen hat.

Einigkeit besteht darüber, dass die letzte „Verfahrenshandlung“ maßgeblich ist. Das kann sein

  • die Ablieferung des Gutachtens
  • der Abschluss einer mündlichen Anhörung zur Erläuterung des Gutachtens,
  • jeweils auch nach Erstellung von Ergänzungsgutachten bzw. von zusätzlichen Gutachten gem. § 412 ZPO
  • die letzte Stellungnahme einer Partei, die innerhalb angemessener Frist eingeht.

In der gerichtlichen Praxis hat sich recht schnell die Übung durchgesetzt, dass das Gericht eine Frist vorgibt (die natürlich auch auf Antrag angemessen verlängert werden kann), innerhalb derer noch Anträge zu stellen sind. Bleiben diese aus, gilt das Verfahren als abgeschlossen, und die Hemmung der Verjährung durch das Verfahren endet.

Nun sind „Punktesachen“ – also Verfahren mit einer Anhäufung unterschiedlichster Mangelpunkte – im Selbständigen Beweisverfahren nicht gerade die Ausnahme, sondern eher die Regel. Man denke nur an den Neubau eines Wohnhauses, bei dem dann die unterschiedlichsten Mängel gesammelt und gebündelt werden. Vielfach werden dann die Mängel gewerkeweise durch Gutachten abgearbeitet werden, nicht selten auch – je nach den Anforderungen – durch verschiedene Gutachten. Dabei ist die „Verteilung“ auf verschiedene Gutachten-Beauftragungen vielfach dem Zufall überlassen, regelmäßig nach den jeweiligen Gepflogenheiten des Gerichts oder dem „Zuschnitt“ durch die antragstellende Partei. Hier soll § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB  dann die einzelne Beweiserhebung durch ein Gutachten (und evtl. dessen Erweiterungen) als abgeschlossen betrachtet werden. Die Hemmung endet also bereits vor Abschluss des (Gesamt-)Selbständigen Beweisverfahrens.

 

II. Die Rechtsprechung des BGH

 

Entstehung und Verbreitung der herrschenden Meinung lassen sich auf wenige – letztlich zwei – Entscheidungen des BGH zurückführen und belegen, wie Zitier- und Leitsatzkultur in die Irre führen.

1. Die „Leit-Entscheidung“ des BGH vom 03.12.1992 – VII ZR 86/92 

Die Idee von den verschiedenen Hemmungs-Enden geht zurück auf diese Entscheidung; auf ihr fußen praktisch alle heute gebräuchlichen Zitatenketten.

Auch hier ging es um eine Punktesache, und zwar wegen Mängeln bei der Neuerrichtung eines Wohnhauses –  also eine Standardsituation.

Der BGH postuliert:

„Abgeschlossen ist die Beweissicherung mit ihrer sachlichen Erledigung6 auch, wenn die Beweissicherung wegen mehrerer Mängel betrieben wird.“ Das gelte auch, „wenn die verschiedenen Mängel und Sachverständigengutachten Gegenstand nur eines, formal zusammengefaßten Verfahrens geworden sind…Das folgt aus der rechtlichen Selbständigkeit eines Mangels und der sich aus ihm ergebenden Ansprüche einschließlich ihrer Verjährung“.


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz „Zur „Binnenverjährung“ des einzelnen Mangelanspruches während des Laufs eines Selbständigen Beweisverfahrens" von Rechtsanwalt Prof. Dr. Günter Schmeel erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2022, 1564 - 1569, Heft 11). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.