1. Der Auftraggeber kann keine Gewährleistungsansprüche geltend machen, wenn er den behaupteten Mangel nicht ordnungsgemäß anzeigt. Der Mangel muss zumindest hinsichtlich seines äußeren objektiven Erscheinungsbildes so genau beschrieben werden, dass der Auftragnehmer zweifelsfrei ersehen kann, was im Einzelnen beanstandet wird bzw. welche Abhilfe von ihm verlangt wird.
2. Die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen setzt im VOB/B-Vertrag eine fristgebundene Aufforderung zur Mängelbeseitigung voraus.
3. Eine individualvertraglich vereinbarte Verjährungsfrist für Mängelansprüche gilt nicht für den Fall des arglistigen Verschweigens von Mängeln.
OLG Naumburg, Urteil vom 25.06.2022 - 2 U 63/18; BGH, Beschluss vom 25.10.2023 - VII ZR 187/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
BGB §§ 214, 633, 634; VOB/B § 13 Abs. 5
Problem/Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit dem Bau eines Blockheizkraftwerks (BHKW). Laut Vertrag sollte die Verjährungsfrist 36 Monate betragen. Der AG macht Schadensersatz aufgrund verschiedenster Mängel geltend. Zum einen betrifft dies eine unzureichende Frequenzumformung: Der AG meint, Oberwellen, die bei der Frequenzumformung entstünden, würden nicht ordnungsgemäß abgeleitet, wodurch beim Betrieb des BHKW "die Messwerte" beeinträchtigt würden. Unmittelbar innerhalb der Mängelrüge macht der AG daher fiktive Mängelbeseitigungskosten geltend, ohne den AN zunächst zur Nacherfüllung aufzufordern. Zum anderen verlangt der AG Schadensersatz für den Neubau einer Schalldämpferanlage. Nach der vertraglichen Regelung wäre der Anspruch verjährt. Daher beruft sich der AG darauf, dass der AN ihm den diesbezüglichen Mangel verschwiegen hätte; es gelte die gesetzlich bei Arglist vorgesehene längere Verjährungsfrist.
Entscheidung
Kein Schadensersatz gem. § 13 Abs. 5 VOB/B. Hinsichtlich der vermeintlich unzureichenden Frequenzumformung liegt bereits keine ordnungsgemäße Mängelanzeige vor. Der Verweis auf "die Messwerte" ist weder nachvollziehbar noch einlassungsfähig. Für den AN war nicht erkennbar, in welchem Bereich der Anlage die gerügten Frequenzumformungen auftreten, welche Soll-Beschaffenheit nach dem Vertrag geschuldet wird und wie die Ist-Beschaffenheit der Anlage hiervon abweicht. Der AG hätte den Mangel zumindest hinsichtlich seines äußeren objektiven Erscheinungsbildes so genau beschreiben müssen, dass für den AN zweifelsfrei geworden wäre, was im Einzelnen beanstandet wurde und welche Abhilfe der AG von ihm verlangte. Selbst wenn die Mängelanzeige nachvollziehbar gewesen wäre, mangelte es zudem an der gem. § 13 Abs. 5 VOB/B erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung, da der AG unmittelbar mit der Mängelrüge den Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht hat. Hinsichtlich der Mängel an der Schalldämpferanlage ist der Anspruch verjährt, da keine arglistige Täuschung vorlag. Wenn Arglist vorgelegen hätte, wäre die gesetzliche Regelung jedoch anwendbar gewesen. Nach Auslegung des Vertrags hätten die Parteien die Verjährungsfrist nicht auch für den Fall abweichend vom Gesetz geregelt, dass der AN dem AG einen Mangel arglistig verschwieg.
Praxishinweis
Der AG muss dem AN die Möglichkeit der Nacherfüllung einräumen. Hierbei muss der gerügte Mangel möglichst konkret benannt werden: Vertragssoll und abweichende Ist-Beschaffenheit sind gegenüberzustellen. Dem AN muss eine angemessene Frist gesetzt werden. Ansonsten droht der Verlust der Mängelrechte! Dass die Abrede der Parteien zur Verjährung nicht bei arglistiger Täuschung gelten soll, ist Ergebnis der Vertragsauslegung im Einzelfall und somit nicht generalisierbar.
RA Tobias Köhler, Köln
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