1. Mängelansprüche des Erwerbers aus Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen richten sich grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, wenn deren Errichtung nicht zu lange zurückliegt. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertig gestellt war und die Parteien den Vertrag als Kaufvertrag und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnet haben.
2. Liegt den Erwerbsverträgen eine Baubeschreibung über eine anspruchsvoll gestaltete Stadtvilla mit drei exklusiven Eigentumswohnungen zu Grunde, schuldet der Bauträger einen Schallschutz, der ein erhöhtes, die Anforderungen der DIN 4109 übersteigendes Maß erfordert.
3. Bei der Berechnung der Höhe einer Minderung ist der vereinbarte Kaufpreis um das Verhältnis herabzusetzen, um das das mangelhafte Werk gegenüber einem mangelfreien Werk im Wert herabgesetzt ist.
OLG Frankfurt, Urteil vom 18.10.2023 - 15 U 228/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)
BGB §§ 633, 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, § 638 Abs. 3
Problem/Sachverhalt
Ein Bauträger (B) errichtet ein Mehrfamilienhaus. In der Baubeschreibung wirbt er u. a. mit der Errichtung einer "anspruchsvoll gestalteten Stadtvilla mit drei exklusiven Eigentumswohnungen". Die ersten Erwerber bezogen das Objekt im Februar 2010. Im März 2010 schloss ein weiterer Erwerber einen notariellen Kaufvertrag mit B und bezog das Objekt schließlich im September 2010. Die jeweiligen Verträge werden als "Kaufverträge" und die Vertragsparteien als "Verkäufer" bzw. "Käufer" bezeichnet. Die Erwerber fordern Schadensersatz und Minderung wegen verschiedener Baumängeln. Unter anderem wird eine Minderung des Kaufpreises aufgrund unzureichendem Schallschutz geltend gemacht. B stellt auch in der Berufungsinstanz die Mangelhaftigkeit seiner Leistung in Abrede und ist der Ansicht, hinsichtlich des Erwerbers, der erst im September 2010 eingezogen ist, komme Kaufrecht zur Anwendung.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Hinsichtlich sämtlicher Erwerber findet Werkvertragsrecht Anwendung. Unerheblich sind insoweit die Bezeichnung des Vertrags oder der Vertragsparteien. Denn nach Inhalt, Zweck und wirtschaftlicher Bedeutung des Vertrags und der Interessenlage der Vertragsparteien hat sich B auch gegenüber dem Erwerber, der erst nach der Errichtung eingezogen ist, verpflichtet, ein mangelfreies Bauwerk zu errichten. Weiterhin kommt nach Ansicht des Gerichts, unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.05.2016 - VII ZR 171/15, IBRRS 2016, 1547), die Anwendbarkeit von Kaufrecht ohnehin nur dann in Betracht, wenn zwischen Errichtung und Vertragsschluss jedenfalls zwei Jahre liegen. Zur Bestimmung des Bau-Solls zieht das Gericht die Baubeschreibung heran. Sofern dort von einer "anspruchsvoll gestalteten Stadtvilla" und der "Exklusivität" der Eigentumswohnungen die Rede ist, haben die Erwerber Anspruch auf eine Errichtung, welche die Schallschutzanforderungen der DIN 4109 übersteigt. Dem wird die erbrachte Leistung des B nicht gerecht - das Werk ist mangelhaft. Hinsichtlich der Höhe der Minderung bestimmt das Gericht zunächst die Gesamtwohnfläche und die "bemakelten Flächen" der einzelnen Wohnungen. Sodann wird die Summe der bemakelten Flächen in Relation zur Gesamtfläche gesetzt, um die "zu mindernde Fläche" zu ermitteln. Diese beträgt vorliegend gut 16%. Bezogen auf den Gesamtkaufpreis (Summe aller gezahlten Kaufpreise, hier 405.000 Euro) ergibt sich ein Gesamtminderungsbetrag von ca. 65.000 Euro, der sodann auf die Erwerber entsprechend der jeweils "bemakelten Fläche" verteilt wird.
Praxishinweis
Das OLG Frankfurt setzt seine Rechtsprechung zur Bedeutung von Baubeschreibungen im Rahmen der Erwerbs vom Bauträger fort (s. a. IBR 2016, 90; IBR 2015, 76). Unklar bleibt, welche Schallschutzwerte die Leistung des B hätte erfüllen müssen, um der exklusiven, anspruchsvoll gestalteten Stadtvilla gerecht zu werden. Für den Bauträger gilt daher: Versprich nichts, was du nicht halten kannst!
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Maximilian R. Jahn, Frankfurt