Auftragnehmer kann oder will nicht leisten: Auftraggeber darf fristlos kündigen! (copy 1)

OLG Celle, Urteil vom 26.09.2019 - 5 U 40/19; BGH, Beschluss vom 02.12.2020 - VII ZR 231/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 631, 649; VOB/B § 8 Abs. 1, 3

Ein Bauvertrag kann vom Auftraggeber fristlos gekündigt werden, wenn der Auftragnehmer nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Leistung vertragsgemäß auszuführen.

OLG Celle, Urteil vom 26.09.2019 - 5 U 40/19; BGH, Beschluss vom 02.12.2020 - VII ZR 231/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB §§ 631, 649; VOB/B § 8 Abs. 1, 3

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) wird über zwei VOB/B-Verträge damit beauftragt, Estricharbeiten zu erbringen. Hinsichtlich der Wandanschlüsse an aufgehenden Bauteilen soll ein Kautschuk-Bitumenkeil ausgeführt werden. Der AN baut zunächst keinen Bitumen-Keil ein. Er versuchte, im ersten Schritt einen Polysterol-Keil, im zweiten Anlauf eine starre Mörtelfuge auszubilden. Mit der vertragskonformen Ausführung befasst sich der AN erst, nachdem die Bauleitung ihn auf die vertragswidrigen Ansätze hinweist. Trotz Fristsetzung und Hinweis vermag er es nicht, eine auch nur ansatzweise vertragsgemäße Leistung zu erbringen. Vielmehr weisen die Arbeiten zahlreiche Mängel auf, in deren Folge die Abdichtung offensichtlich undicht ist und zurückgebaut werden muss. Der Auftraggeber (AG) kündigt beide Verträge aus wichtigem Grund. Der AN verteidigt sich damit, nie mit ausreichender Frist zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden zu sein.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist unabhängig von einer Aufforderung zur Nachbesserung berechtigt. Der AN war auch nach mehrfachen Hinweisen entweder nicht willens oder nicht in der Lage, die Leistung vertragsgerecht auszuführen. Unter diesen Umständen ist der AG berechtigt, die Verträge mit dem AN fristlos zu kündigen. Der AG ist nach dem Versagen des AN hinsichtlich der Leistungen bei dem einen Vertragsteil berechtigt, auch den anderen Vertrag fristlos zu beenden. Auch in diesem Teil war der Bitumen-Keil einzubauen. Es ist nicht ersichtlich, dass und warum der AN hätte in der Lage sein sollen, dies zu leisten, und warum der AG hierauf hätte vertrauen können. Schon zur Schadensminderung war der AG gehalten, die Verträge sofort zu beenden.

Praxishinweis

Dass eine Kündigung aus wichtigem Grund ohne vorherige Fristsetzung begründet ist, ist der Ausnahmefall. Denn die Vertragskündigung ist "Ultima Ratio", also letztes Mittel. Der Hauptanwendungsfall ist die Kündigung wegen Vertragsverletzungen des AN. In solchen Fällen ist normalerweise eine Frist zu setzen (§ 648a Abs. 3, § 314 Abs. 2 BGB). Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte der AG dem AN immer vor der Kündigung eine Frist setzen, um die Missstände zu beseitigen.

Nach herrschender Meinung gelten auch beim VOB/B-Vertrag die allgemeinen BGB-rechtlichen Grundsätze der Kündigung eines Werkvertrags aus wichtigem, vom AN zu verantwortenden Grund. Bei einem VOB/B-Vertrag kommt deshalb eine Kündigung aus wichtigem Grund über die in § 8 VOB/B aufgezählten Gründe hinaus in Betracht. Danach ist eine Kündigung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen von § 648a Abs. 1 BGB erfüllt sind. Es mutet in diesem Zusammenhang fragwürdig an, wenn das OLG das Recht zur fristlosen Kündigung mit einer Schadensminderungspflicht begründet. Denn die Schadensminderungspflicht steht in keinem Zusammenhang mit den Voraussetzungen einer gerechtfertigten Kündigung.

Auch die Begründung einer fristlosen Kündigung mit der Schadensminderungspflicht wirkt verzerrt, da jedenfalls die an und für sich erforderliche Interessenabwägung fehlt (vgl. § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB). Liegt ein nicht unter § 8 Abs. 2 bis 4 VOB/B fallender wichtiger Grund zur auftraggeberseitigen Kündigung vor, so richten sich beim VOB/B-Vertrag die Rechtsfolgen nach § 8 Abs. 3 VOB/B (BGH, IBR 1996, 401). Der AG muss nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen vergüten. Nach der Kündigung ist der AG berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des AN durch einen Dritten ausführen zu lassen.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Ulrich Eix, Stuttgart

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