§ 13b BauGB verstößt gegen EU-Recht!

BVerwG, Urteil vom 18.07.2023 - 4 CN 3.22 BauGB §§ 13a, 13b, 35; VwGO § 47

1. § 13b BauGB verstößt gegen EU-Recht und darf nicht mehr angewendet werden.
2. Bebauungspläne für Wohnbauvorhaben im Außenbereich, die im beschleunigten Verfahren gem. § 13b BauGB aufgestellt werden, sind unwirksam.

BVerwG, Urteil vom 18.07.2023 - 4 CN 3.22

BauGB §§ 13a13b35; VwGO § 47

 

Problem/Sachverhalt

Eine Gemeinde hat einen Bebauungsplan für ein Wohngebiet mit Einfamilienhäusern aufgestellt. Der Standort liegt im bisherigen Außenbereich gem. § 35 BauGB und zusätzlich im Bereich einer ökologisch wertvollen Streuobstwiese. Die Aufstellung des Bebauungsplans erfolgt im beschleunigten Verfahren gem. § 13b BauGB. Diese Sondervorschrift ist im Jahr 2017 für Wohnbauvorhaben im Außenbereich, die sich an den Innenbereich anschließen, geschaffen worden. Sie verweist auf die Parallelvorschrift für den Innenbereich gem. § 13a BauGB und erlaubt damit dieselben Verfahrensvereinfachungen. Dies betrifft u. a. den Wegfall des Umweltberichts sowie von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die Verkürzung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung. Ferner kann der Bebauungsplan abweichend von den Darstellungen des Flächennutzungsplans aufgestellt werden, wenn eine geordnete städtebauliche Entwicklung gewahrt bleibt. Der Flächennutzungsplan wird im Nachhinein durch eine bloße Berichtigung angepasst. Der Bebauungsplan wird von einem Umweltverband u. a. wegen der Anwendung des § 13b BauGB in einem Normenkontrollverfahren angegriffen.

Entscheidung

Mit Erfolg! Das BVerwG hat nicht nur den Bebauungsplan für unwirksam erklärt, sondern zugleich entschieden, dass § 13b BauGB gegen EU-Recht verstößt. Dabei geht es um die Richtlinie über die strategische Umweltprüfung (SUP, Richtlinie 2001/42/EG), die eine Umweltprüfung für alle Pläne, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, vorschreibt. Diese Prüfung kann neben einer Einzelfallprüfung auch durch generelle Regelungen des nationalen Gesetzgebers erfolgen. Die Vorgaben in § 13b BauGB sind nach Auffassung des BVerwG jedoch zu pauschal, um erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vorneherein auszuschließen. Das gelte schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit.

Praxishinweis

Damit darf § 13b BauGB wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht mehr angewendet werden. Noch laufende Verfahren nach § 13b BauGB können nur im "Regelverfahren", also ohne die Anwendung der Beschleunigungsvorschriften fortgesetzt werden. So muss z. B. ein fehlender Umweltbericht nachträglich erstellt und öffentlich ausgelegt werden. Bestehende Bebauungspläne laufen Gefahr, ebenfalls im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens für unwirksam erklärt zu werden. Voraussetzung ist aber die Einhaltung der Jahresfrist für einen Normenkontrollantrag gem. § 47 Abs. 2 VwGO. Keine unmittelbare Rolle spielt die Entscheidung des BVerwG für bereits erteilte Baugenehmigungen. Diese behalten selbst bei nachträglicher Aufhebung des für sie maßgeblichen Bebauungsplans ihre Wirksamkeit. Die Möglichkeit, dass rechtswidrig erteilte Baugenehmigungen nach § 48 LVwVfG aufgehoben werden können, dürfte eher theoretischer Natur sein. Ferner zeigt das Urteil die Relevanz der Klagerechte der Umweltverbände, die, wenn es um die mögliche Verletzung naturschutzrechtlicher Vorschriften geht, nicht nur gegen Bebauungspläne, sondern auch gegen bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigungen nach Maßgabe des Umweltrechtsbehelfsgesetzes klagen können.

 

RA und FA für Verwaltungsrecht Arne Friege, Erfurt

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