Solaranlage mit Schatten - Abstandsflaechen

Abstandsflächen eingehalten: Verschattung einer PV-Anlage ist hinzunehmen!

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.11.2022 - 2 A 518/22 BauGB § 34 Abs. 2; BauNVO § 15

1. Bei Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen gegenüber einem Grundstück mit einem mit einer Solar- bzw. Photovoltaikanlage ausgerüsteten Gebäude ist eine vorhabenbedingte teilweise Verschattung der Anlage grundsätzlich nicht als Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu werten.

2. Es besteht regelmäßig kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass ein bestehender Lagevorteil einer nach Südwesten ausgerichteten Photovoltaikanlage fortbestehen wird.

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.11.2022 - 2 A 518/22

BauGB § 34 Abs. 2; BauNVO § 15

Problem/Sachverhalt

Dem OVG Nordrhein-Westfalen liegt in einer Nachbarschaftsanfechtung (erneut) die Frage vor, ob eine Verschattung der eigenen Solaranlage eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots begründet. Der klagende Nachbar hatte sein Gebäude mit einer Solaranlage ausgestattet. Das streitige Bauvorhaben sieht die Errichtung einer Kindertagesstätte vor und liegt in einem faktischen reinen Wohngebiet. Es überragt das Nachbargebäude, ohne das die Höhen im Berufungsverfahren angegeben werden. Die Abstandsflächen können aber noch auf dem Baugrundstück abgebildet werden; zwischen Bau- und Nachbargrundstück liegt zudem ein weiteres, schmaleres Flurstück. Der Nachbar hat in der ersten Instanz erfolglos auf den Gebietserhaltungsanspruch (Kindertagesstätte) und das Rücksichtnahmegebot mit Blick auf Niederschlagswasser bei Starkregenereignissen vorgetragen. Die Berufung wird um den Einwand der Ertragseinbußen durch Verschattung der Solaranlagen ergänzt.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Funktion und Schutzzweck der Abstandsflächen wird nicht zugunsten von Solaranlagen modifiziert. Im Kern stellt das Gericht in Bezug auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auf den allgemeinen Grundsatz ab, dass dann, wenn Abstandsflächen eingehalten werden, für das Nachbargrundstück regelmäßig kein schutzwürdiges Vertrauen darin besteht, dass seine Lagegunst aufrechtgehalten werde. Eine nur ausnahmsweise zu bejahende Rücksichtslosigkeit erfordere eine substantiierte Angabe von konkreten Anhaltspunkten. Für Solaranlagen gilt nichts anderes: Die Einhaltung der Abstandsflächen indiziert die Einhaltung der erforderlichen Rücksichtnahme. Das Gericht lässt den - zudem wohl pauschalen - Einwand von Ertragseinbußen bis zu 40 Prozent infolge einer Verschattung nicht als hinreichenden Ausnahmefall gelten. Hierbei bestätigt es seine jüngste Rechtsprechung (IBR 2021, 97, 7 A 924/21), die abseits von den aus einer Gesamtbetrachtung resultierenden Ausnahmefällen noch Verschattungen von 2/3 der Solaranlagen und einen damit einhergehenden Ausfall von 75 bis 80% nicht ausreichen lassen hat (vgl. IBR 2021, 97, 7 A 924/21).

Praxishinweis

Diese Rechtsprechung ist nur folgerichtig, da Abstandsflächen eine ausreichende Belüftung und Besonnung von Nachbargrundstücken schützen, hierbei jedoch das Schutzgut Mensch und nicht die erneuerbare Stromerzeugung in dem Mittelpunkt stellen. Genehmigungsfragen zu Solaranlagen beziehen zudem regelmäßig nicht potenzielle Entwicklungen in der Umgebung ein und können daher nicht Vertrauensschutz über die eigene Grundstücksgrenze entfalten. Dennoch zeigt der zugrundeliegende Sachverhalt einen städtebaurechtlich relevanten Konflikt auf, da diejenigen, die frühzeitig ihre Beteiligung an der Energiewende geleistet haben durch - zulässige - Nachbarvorhaben nicht unzumutbar benachteiligt werden sollten. Kommunal wird daher zu prüfen sein, inwieweit sich im Bestand eine "Gemengelage" an Solaranlagen gebildet hat, die eine Steuerung durch Bauleitplanung erfordern. Um wiederum der Innenverdichtung keinen Riegel vorzuschieben, können Kommunen Programme für Umrüstungen im Bestand erstellen.

 

RAin Theresa Verfers, Frankfurt a.M.

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