Dachausbau, Gebäudeaufstockung und Denkmalschutz

Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum hat u. a. die Bestandsaktivierung als wesentlichen Faktor zur Beseitigung der Wohnungsnot identifiziert. Um die Flächeninanspruchnahme trotz der Wohnungsneubauziele im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes bis 2030 auf unter 30 ha pro Tag zu verringern, seien die vorrangige Nutzung von Potenzialen der Innenentwicklung, die Nachverdichtung, Aufstockungen, Sanierungen und Umnutzungen sowie die Reaktivierung von Leerständen von großer Bedeutung. Konkret gelte es, Umbau und Erweiterung im Bestand zu erleichtern und Aufstockungen zu unterstützen.

Hier bestehe in der Regel das Potenzial, sowohl ressourcen- und flächenschonenderen als auch kostengünstigeren Wohnungsbau zu schaffen als im Neubau. Aufstockung und Gebäudeausbau können jedoch nicht überall umgesetzt werden. Herausforderungen können sich im Hinblick auf die bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Anforderungen, die mit einer Veränderung der Gebäudegestalt einhergehen, ergeben und bestehen insbesondere bei denkmalgeschützten Objekten. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, ob und wie Dachausbau und Gebäudeaufstockung unter den Vorzeichen des Denkmalschutzes möglich sind. 

I. Denkmalrechtliche Erlaubnisfähigkeit

Dachausbau und Gebäudeaufstockung verändern die äußere Gestalt eines Gebäudes und gehen – bei denkmalgeschützten Objekten – oft auch mit einem Verlust denkmalwerter Bausubstanz einher. Solche Veränderungen bedürfen der denkmalrechtlichen Erlaubnis – sei es, dass diese nach dem jeweiligen Landesrecht isoliert eingeholt werden muss oder dass darüber im baurechtlichen Genehmigungsverfahren (mit-)entschieden werden kann. Unabhängig davon, ob die Entscheidung über die Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis im Ermessen der Denkmalbehörde steht oder als gebundene Entscheidung ergeht, tatbestandliche Voraussetzung ist stets eine Abwägung zwischen dem Interesse an der uneingeschränkten, unveränderten Erhaltung des Denkmals und dem Interesse an der Durchführung der Baumaßnahme. Wie fällt diese Abwägung aus, wenn es um Dachausbau und Gebäudeaufstockung geht? Das Bild in der veröffentlichten Rechtsprechung ist überraschend einheitlich – auch wenn sich die Fallgestaltungen und die Spruchkörper deutlich voneinander unterscheiden. Die Leitlinien sollen hier anhand von drei exemplarischen Entscheidungen dargestellt werden, die nicht neu, gerade deswegen aber für die Fragestellung instruktiv sind.

1. VGH München, Beschl. v. 14.09.2010 – 2 ZB 08.1815

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein klassizistischer Mietshausbau in der Fraunhoferstraße in München. Die Wohn- und Geschäftsstraße ist in geschlossener Bauweise bebaut. Das streitgegenständliche Gebäude gilt im Straßenbild als Zeugnis einer frühen Urbanisierungsphase des umgebenden Stadtteils. Die Höhenentwicklung mit drei Obergeschossen, das Satteldach sowie die strenge Mittelsymmetrie der Fassade kennzeichnen das markante Erscheinungsbild dieses Gebäudetyps und legen Zeugnis ab von früheren Lebens- und Arbeitsformen sowie vom Gestaltreichtum eines klassizistischen Wohnhauses um 1840. Das Dachgeschoss wurde bereits in den 1970er Jahren durch den Einbau von Dachgauben ausgebaut. Das unmittelbare Nachbargebäude aus der gleichen Epoche ist ein Geschoss höher und verfügt ebenfalls über ein ausgebautes Dachgeschoss. Der Eigentümer begehrt mit seiner Klage die Erteilung einer Baugenehmigung für die Sanierung des Gebäudes mit Umbau und Aufstockung des Dachgeschosses sowie Einbau eines Personenliftes.

Der VGH München hat die Sichtweise der Vorinstanz bestätigt, dass die begehrte Gebäudeaufstockung einen ganz erheblichen Eingriff für das Denkmal bedeuten würde. Auf- und Anbauten seien grundsätzlich nur denkmalrechtlich unbedenklich, wenn weder die Substanz noch die Erscheinung des Denkmals empfindlich gestört werden. Dies sei vorliegend jedoch der Fall. Die beantragte Aufstockung um ein Stockwerk sei geeignet, die Proportion und die Silhouette des Hauses zu verzerren, den klassizistischen Typus seiner Gesamtaussage zu 

zerstören und ein Negativvorbild für die beiden – bislang ebenfalls lediglich viergeschossigen – Nachbargebäude abzugeben. Dieser Eingriff sei nicht deswegen hinnehmbar, weil ein anderes Nachbargebäude die gewünschte Geschossigkeit aufweise. Dessen Geschossigkeit sei keine neuzeitliche Veränderung, sondern stamme von 1890/1891 und stelle daher keinen Bezugsfall dar.

Dem erheblichen Eingriff in das Denkmal stehen nach Ansicht des Gerichtes auch keine durchgreifenden Interessen an der Durchführung der Maßnahme gegenüber. Hier hatte der Kläger damit argumentiert, dass er beabsichtige, die gewonnenen Flächen als Eigentumswohnungen zu verkaufen. Damit könne er – Stand 2007 – einen Verkaufspreis von 5.500 €/m2 erzielen. Die Ablehnung des Bauantrags bedeute daher bei einer Wohnfläche von 180 m2 einen Verlust in Höhe von rund einer Million Euro. Dies sei ihm wirtschaftlich nicht zumutbar. Dem hat der VGH München deutlich widersprochen. Angesichts des hohen Rangs des Denkmalschutzes müsse es der Eigentümer im Hinblick auf Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich hinnehmen, dass ihm eine rentablere Nutzung des Grundstücks verwehrt werde, weil Art. 14 Abs. 1 GG nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums schützt. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit komme allenfalls in Betracht, wenn für das geschützte Baudenkmal andernfalls keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr bestehe. Im konkreten Fall sei dem Kläger eine zumutbare Nutzung des Denkmals in unverändertem Zustand auch künftig möglich und das Gebäude bleibe nicht nur als bloßes „Museum“ bestehen. Aufgrund der bestehenden Nutzung und der exklusiven Lage in der Innenstadt von München geht der Senat von einer rentablen gegenwärtigen und künftigen Nutzung aus, auch wenn von der Aufstockung in der beantragten Form abgesehen wird.

2.  OVG Münster, Urt. v. 16.12.2014 – 7 A 1638/12

Das OVG Münster hat in seinem  Urt. v. 16.12.2014 – 7 A 1638/12 die Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für die nachträgliche Legalisierung der Aufstockung eines bestehenden zweigeschossigen Hinterhauses um ein zusätzliches Geschoss abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens war ein im Jahr 1874 errichtetes Wohnhaus, welches in der Denkmalliste als „Wohnhaus mit Hinterhaus“ eingetragen war. Es handelt sich um ein Gebäude, welches aus einem dreieinhalbgeschossigen Vorderhaus und einem hinteren, ursprünglich zweigeschossigen Anbau (Hinterhaus) besteht. Die Aufstockung sollte den Wohnraum des von der Klägerin selbst bewohnten Hinterhauses erhöhen. Die Behörde hatte den Bauantrag aus denkmalschutzrechtlichen Gründen abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Ähnlich wie in dem Münchener Fall stellte das OVG Münster fest, dass die zur Genehmigung gestellte Aufstockung nachhaltig in den Denkmalwert eingreifen würde. Die Zweigeschossigkeit und damit die höhenmäßig abgestufte Ausformung des Hinterhauses sei Ausdruck der hierarchischen Wohnverhältnisse zwischen der im Vorderhaus lebenden „Herrschaft“ und den im Hinterhaus wohnenden Bediensteten und wertgebend für den Zeugnischarakter des Baudenkmals. Diese Denkmalaussage würde durch den Ausbau eines weiteren Geschosses beseitigt. Die Aufstockung sei daher geeignet den Aussagewert des Denkmals zu mindern. Sie stelle eine massive Veränderung des gesamten Baukörpers und des äußeren Erscheinungsbildes dar. Deswegen stünden Gründe des Denkmalschutzes dem Vorhaben entgegen. Ein solcher Eingriff in den Denkmalwert sei nur gerechtfertigt, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlange. Ein solches Interesse, welches gegenüber dem starken Eingriff in den Denkmalwert überwiegt, konnte das Gericht nicht feststellen. Vielmehr hält es fest, dass die Erhöhung der Wohnfläche im konkreten Fall nur der Komfortsteigerung und damit einem rein privaten Interesse dient. Private Gründe überwögen regelmäßig – und so auch hier – nicht das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Baudenkmals.

 

 


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz „Dachausbau, Gebäudeaufstockung und Denkmalschutz" von Theresa Pohl und Dr. Anja Baars erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2023, 1460- 1464, Heft 9). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.