Entscheidet sich der mit der Ausführungsplanung und Bauüberwachung beauftragte Architekt für die Erstellung einer nicht belüfteten Dachkonstruktion, so hat er den Auftraggeber über die mit der Planung einer nichtbelüfteten Dachkonstruktion einhergehenden Risiken hinzuweisen. Die Planung des Architekten erfordert dann einen erhöhten Detaillierungsgrad an schadensträchtige Konstruktionen (einzuhaltende Holzfeuchte etc.) und im Rahmen der Bauüberwachung trifft ihn die Pflicht, die überwachungsintensiven Bauabschnitte, aus denen Feuchtigkeitsschäden resultieren können, besonders intensiv zu begleiten.
LG Würzburg, Urteil vom 04.05.2018 - 64 O 2504/14
BGB §§ 280, 633, 634 Nr. 4, § 636
Problem/Sachverhalt
Der mit den Leistungsphasen 5 bis 8 betraute Architekt plante für ein Seniorenheim eine nicht belüftete Dachkonstruktion, nachdem in der Vor-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung keine Vorgaben an die Dachkonstruktion gemacht worden waren. Verschiedene Umstände führten zu einem massiven Schimmelbefall der Dachkonstruktion, nämlich ein erhöhter Holzrestfeuchtegrad von mehr als 12%, Durchdringungen der Dampfsperre im Rahmen des Einbaus von Gipskartonständerwänden im Dachgeschoss sowie nicht sauber handwerklich ausgeführte Anschlüsse der Dachdurchdringungen an die Dampfsperre. Im Rahmen der Sanierung entschied sich der ebenfalls mit der Sanierung beauftragte Architekt für die Erstellung eines teilhinterlüfteten Daches mit deutlich erhöhtem Kostenaufwand, was dann zu einem mangelfreien Zustand führte.
Entscheidung
Das LG Würzburg bestätigt zunächst entsprechend einer Vielzahl gleichgerichteter Entscheidungen, dass die Planung einer nicht belüfteten Dachkonstruktion fehleranfälliger im Hinblick auf Feuchtigkeitsschäden ist und danach im Rahmen der Planung mit einem höheren Detaillierungsgrad hinsichtlich der Materialanforderungen gearbeitet werden muss. In diesem Rahmen hat der Architekt eine Konstruktion zu planen, bei der er völlig sicher sein kann, dass sie den zu stellenden Anforderungen genügt. Welchen Detailierungsgrad die Planung dabei aufweisen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind die - insbesondere unter Berücksichtigung der Umgebungsfaktoren - an die Ausführung zu stellenden Anforderungen und die Kenntnisse, die von einem ausführenden Unternehmer unter Berücksichtigung der baulichen und örtlichen Gegebenheiten zu erwarten sind (vgl. BGH, BauR 2000, 1330). Diese Pflicht hat der planende Architekt dadurch verletzt, dass er bei der Planung der geschlossenen Dachkonstruktion nicht besondere Anforderungen an die Holzfeuchte gestellt hat, mithin in der Ausschreibung nicht eine Restfeuchte von max. 12% gefordert hat. Die Holzfeuchte wäre im Rahmen der Ausschreibung genau zu definieren gewesen. Dieser Planungsfehler ist zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls mitursächlich für die Durchfeuchtungsschäden. Eine Mitursächlichkeit im Sinne einer kumulativen Kausalität liegt dann vor, wenn das Verhalten des Schädigers den Schaden nicht allein herbeigeführt hat, sondern das Verhalten eines weiteren Schädigers für den konkreten Schadenseintritt mit erforderlich ist, und zwar auch in den Fällen, in denen das jeweilige Verhalten der einzelnen Schädiger zwar für sich allein nur einen gewissen Schaden bewirkt hätte, das Zusammentreffen der beiden Schadensursachen aber einen über die bloße Addition der Schäden hinausgehenden Schaden verursacht hat. Dies ist nach Auffassung des Landgerichts bereits dadurch anzunehmen, dass der Planungsmangel zu einer besonderen Gefährdungslage für den werkvertraglichen Erfolg geführt hat. Hier lässt das Gericht es ausreichen, dass der Sachverständige bestätigt hat, dass die durch die Einbringung von Holz mit erhöhter Restfeuchte beschaffene Gefährdungslage den Schaden zumindest tendenziell begünstigt hat. Aus der Wahl der schadensanfälligen nicht hinterlüfteten Dachkonstruktion ergeben sich auch erhöhte Anforderungen an die Bauüberwachung. Dies umfasst nicht nur das bloße Dokumentieren von Mängeln zum Zeitpunkt der Abnahme, sondern eine besondere Intensität der Überwachungstätigkeit bei kritischen Baumaßnahmen im Bereich der Ausführung, die erfahrungsgemäß ein hohes Mangelrisiko aufweisen. Kommt es dann zu den tatsächlich vorhandenen Feuchtigkeitsschäden, ist es gerechtfertigt, im Wege des Anscheinsbeweises aus dem Vorhandensein eines Ausführungsfehlers auch auf einen Aufsichtsfehler zu schließen. Der Feststellung einer konkreten taggenauen Pflichtverletzung im Rahmen der Bauüberwachung bedarf es in derartigen Fällen nicht.
Praxishinweis
Dass die Planung von nicht hinterlüfteten Dachkonstruktionen zwar als kritisch einzustufen ist, jedoch nicht per se einen Planungsfehler darstellt, ist zwischenzeitlich bekannt. Entscheidet sich der planende und bauüberwachende Architekt für eine solche Konstruktion, gelten strengere Anforderungen sowohl hinsichtlich der Planungsphase als auch hinsichtlich der Überwachungsphase: Im Bereich der Planung muss der Architekt den Fachunternehmen detaillierter vorgeben, welche besonderen Umstände an die Dichtigkeit, Feuchte sowie kritischen Details zu stellen sind. Im Rahmen der Ausführung ist der Architekt verpflichtet, diejenigen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Risiko für Durchfeuchtungsschäden aufweisen, besonders intensiv zu überwachen. Folgerichtig hat das Landgericht aus der unzureichenden Überwachungsintensität den Schluss gezogen, dass es dem Geschädigten nicht obliegt, eine konkrete taggenaue Pflichtverletzung des bauüberwachenden Architekten darzulegen, an der er seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist, sondern es für ausreichend erachtet, dass im Wege des Anscheinsbeweises Ausführungsfehler festgestellt wurden, die der Kategorie der besonders schadensträchtigen Arbeiten zuzurechnen sind und danach vom bauüberwachenden Architekten hätten festgestellt werden müssen. Interessant und ebenfalls folgerichtig sind die Feststellungen, dass - sofern sich im Rahmen der Sanierung der gleiche Architekt dann für eine teilhinterlüftete Konstruktion entscheidet (nachträgliche Erstellung einer Luftzirkulationsebene) - zu Lasten des Geschädigten keine Sowieso-Kosten in Ansatz zu bringen sind. Nachdem von Beginn an eine nicht hinterlüftete Dachkonstruktion auch mangelfrei hätte erstellt werden können, verfügt der Geschädigte über keinen Vorteil, sofern er im Rahmen der Sanierung eine teilhinterlüftete Dachkonstruktion erhält, die der Architekt von Beginn an nicht für erforderlich erachtet hatte; dies gilt auch dann, wenn grundsätzlich eine teilhinterlüftete oder vollhinterlüftete Dachkonstruktion mehr Kosten auslöst.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht Tobias Vels, Öhringen
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