AGB-Kontrolle nach gesetzlichem Bauvertragsrecht

[1] Das vorliegende Sonderheft widmet sich der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle anhand des gesetzlichen Bauvertragsrechts nach §§ 650a – 650o BGB. Mit dem Inkrafttreten der Bauvertragsnovelle am 01.01.2018 liegt erstmals eine gesetzliche Regelung für wichtige Bereiche des Bauvertragsrechts – insbesondere für das Anordnungsrecht des Bestellers und die Nachtragsvergütung – vor. Das neue Recht stellt für die geregelten Bereiche – im Sinne eines objektiven Modells für einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Vertragspartnern – nunmehr eine wesentliche Grundlage für die AGB-rechtliche Beurteilung von Bauvertragsklauseln dar. Nach Maßgabe der Übergangsregelung gem. Art. 229 § 39 BGB sind §§ 650a – 650o BGB für ab dem 01.01.2018 geschlossene Verträge anzuwenden.

 

[2] Durch die gesetzliche Regelung zum Bauvertragsrecht verlagert sich der Schwerpunkt der AGB-rechtlichen Beurteilung für die geregelten Rechtsbereiche auf § 307 Abs. 2 BGB. Dabei hat das Regelbeispiel der Gefährdung des Vertragszwecks nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei kodifizierten Vertragstypen nur einen eher eingeschränkten Anwendungsbereich. Maßgeblich für die AGB-rechtliche Beurteilung ist vielmehr – soweit die gesetzliche Regelung zugleich als gesetzliches Leitbild anzusehen ist – vor allem das Regelbeispiel nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit seiner zweigeteilten Klauselprüfung: in einem ersten Schritt ist festzustellen, ob die zu prüfende Klausel von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht und in der Stufe zwei der Prüfung erfolgt dann eine abwägende Prüfung der Vereinbarkeit mit diesem sog. „gesetzlichen Leitbild“. Nur insoweit, als Teile der Regelung nicht als gesetzliches Leitbild einzuordnen sind, gilt ergänzend § 307 Abs. 1 BGB, wobei auch dort der gesetzlichen Regelung eine Orientierungsfunktion im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zukommt.

[3] Zu §§ 650a ff. BGB sind eine Vielzahl von Fragen trotz einiger Jahre ihrer Gültigkeit und zahlreich vorliegender Literatur aufgrund bestehender, durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht abschließend geklärter Streitfragen noch offen. Nachdem diesen Fragen für die AGB-rechtliche Einordnung insbesondere dann erhebliche Bedeutung zukommen kann, wenn auf das Gesetz im Rahmen der Anwendung von § 307 BGB als gesetzliches Leitbild oder zur Orientierung zurückgegriffen wird, müssen der Inhalt der gesetzlichen Regelung und die dazu offenen Fragen auch in einer AGB-rechtlichen Betrachtung Beachtung finden. Darum setzt sich der vorliegende Beitrag damit ausführlicher auseinander als dies in einer AGB-rechtlichen Abhandlung sonst zu erwarten wäre. Den Ausführungen zu den einzelnen Paragrafen des gesetzlichen Bauvertragsrechts sind deshalb in der Regel Abschnitte mit einer ausführlichen Darstellung ihres wesentlichen materiellen Inhalts vorangestellt.

[4] Für einige Regelungen gelten Besonderheiten und wird deshalb auf eine eingehendere Darstellung ihres jeweiligen Inhalts verzichtet:

 

  • Für § 650d BGB gilt ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit, nämlich § 309 Nr. 12 BGB (vgl. Rdnr. [457] ff.).
  • Die Regelung zur Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB ist nach dessen Abs. 7 zwingend ausgestaltet und die Norm daher für eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle ohne selbständige Bedeutung (vgl. Rdnr. [479] ff.).
  • Ebenso sind die Neuregelungen zum Verbraucherbauvertrag nach §§ 650i ff. BGB gem. § 650o BGB weitgehend zwingend, nämlich hinsichtlich §§ 650i bis 650l und 650n BGB. Der vom zwingenden Verbraucherbauvertragsrecht ausgenommene § 650m BGB ist demgegenüber ebenfalls Gegenstand eines Klauselverbots ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 Nr. 15 BGB und für die allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB damit nicht relevant (vgl. Rdnr. [518]).

 

B. Legaldefinition des Bauvertrags nach § 650a BGB

[5] § 650a BGB enthält eine Legaldefinition des Bauvertrags im Sinne einer Anwendungsvoraussetzung des gesetzlichen Bauvertragsrechts nach §§ 650b ff. BGB. Bei der Legaldefinition handelt es sich schon deshalb um einen wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, weil – wie nachfolgend in den weiteren Abschnitten zum gesetzlichen Bauvertragsrecht darzulegen sein wird – diese Einordnung für eine ganze Reihe von Inhalten des gesetzlichen Bauvertragsrechts zutreffend und deshalb davon auszugehen ist, dass für alle geregelten Anwendungsfälle des Bauvertrags der Gesetzgeber zugleich die Anwendung dieser wesentlichen Regelungen im Sinne eines wesentlichen Grundgedankens sicherstellen wollte.

[6] Nachdem ein Abbedingen der vom Gesetzgeber mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 650a BGB bestimmten Anwendung des Bauvertragsrechts zugleich dazu führt, dass sämtliche weiteren Regelungen des gesetzlichen Bauvertragsrechts ebenfalls in den ausgenommenen Fällen mit abbedungen werden, müsste in einer solchen AGB generell-abstrakt und für jeden denkbaren Anwendungsfall die gesetzliche Vermutung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB widerlegt werden, was kaum denkbar ist. Abweichungen vom gesetzlichen Bauvertragsrecht können daher AGB-rechtlich in der Regel nur in Form entsprechender Einzelregelungen zu einzelnen Normen des gesetzlichen Bauvertragsrechts einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten, nicht aber in Form eines Eingriffs in die Anwendungsvoraussetzungen nach § 650a BGB selbst.

 

C. Anordnungsrecht des Bestellers nach § 650b BGB

[7] Mit § 650b BGB hat der Gesetzgeber für Bauverträge nach § 650a BGB erstmals ein Anordnungsrecht des Bestellers geschaffen. Es umfasst nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 die „Änderung des vereinbarten Werkerfolgs“ und nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Änderungen, „die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig werden“.

I. Verhältnis der Klauselprüfung nach § 307 BGB zu § 308 Nr. 4 BGB

[8] Eine AGB-rechtliche Regelung zu einseitigen Änderungsrechten enthält auch § 308 Nr. 4 BGB. Soweit AGB von § 650b BGB abweichen und damit nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle unterliegen, gilt für das Konkurrenzverhältnis von § 307 BGB und § 308 Nr. 4 BGB, dass § 308 Nr. 4 BGB eingreift, soweit der Verwender sich eine Änderung seiner eigenen Leistung vorbehält. Ändernde Eingriffe in die Leistungspflicht des Verwendungsgegners, wie sie in § 650b BGB geregelt sind, unterliegen deshalb nur der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.

[9] Gleichwohl ist § 308 Nr. 4 BGB für das Verständnis von § 650b BGB systematisch interessant. Das AGB-Recht behandelt in § 308 Nr. 4 BGB nämlich – ähnlich wie § 650b BGB – den Fall eines sogenannten Änderungsvorbehalts, also eines vertragliche ausbedungenen Rechts des Verwenders, den vereinbarten Leistungsinhalt einseitig zu ändern. Nach § 311 Abs. 1 BGB, der den Einigungsgrundsatz auch für die „Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses“ vorgibt, setzt ein Änderungsrecht durch einseitige Gestaltungserklärung voraus, dass es dafür eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage gibt. Dabei ist es für die gesetzlichen Änderungsrechte, soweit sie sich auf die jeweilige Hauptleistungspflicht beziehen, also etwa das Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB oder das Wahlrecht nach § 363 BGB, symptomatisch, dass dort das Leistungsversprechen entweder überhaupt erst durch die Leistungsbestimmung konkretisiert wird (Fall der Leistungsbestimmung nach § 315 BGB) oder aber von vorneherein mehrere Leistungsinhalte umfasst (Fall des Wahlrechts nach § 363 BGB). Der Gläubiger ist in diesen Fällen weniger schutzwürdig. Denn er hat sich entweder von vorneherein nach § 315 BGB auf eine unvollständige Beschreibung der Leistung eingelassen oder er weiß bei Vertragsschluss, dass mehrere Leistungsinhalte als geschuldete Leistung vom Vertragswillen umfasst sind.

 


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz „AGB-Kontrolle nach gesetzlichem Bauvertragsrecht" von Dr. Wolfgang Abel und Dr. Wolfgang Schindler erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2023, 717- 842, Heft 4a). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.