Abschlag mit Folgen

Ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) aus dem vergangenen Jahr sorgt für einige Aufregung, nicht nur in Architektenbüros, sondern auch bei Bau- und Anlagenbauunternehmen. Nachdem der BFH nämlich entschieden hat, dass bereits die per Abschlagsrechnung von Architekten für einzelne HOAI Leistungsphasen abrechenbaren Leistungen als endgültig verdient gelten und entsprechend steuerlich zu behandeln sind, wird sich vielerorts die Frage gestellt, ob es sich hierbei um einen auf weitere Teilzahlungen ausdehnbaren Grundsatz handelt und welche Ausweichmöglichkeiten es ggf. gibt. Die beiden Autoren, Rechtsanwalt Daniel Fußy und Rechtsanwalt Dr. Stephan Hoyer, bewerten in diesem Beitrag, den wir Ihnen gemeinsam mit der Zeitschrift baurecht präsentieren, die Reichweite des Urteils und dessen praktische Relevanz.

A. Zum Hintergrund

Mit Urteil v. 14.05.2014 (– VIII R 25/11 –) 2 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in Abgrenzung zu seiner bisherigen Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit der Abnahme für die Gewinnrealisierung bei Werkverträgen, dass nach HOAI erhaltene Abschlagszahlungen für einzelne Leistungsphasen der HOAI, für die eine nachprüfbare Rechnung vorliegt, nach steuerlichen Grundsätzen „endgültig verdient“ sind. Die Besonderheit der Entscheidung bestand darin, dass die Gewinnrealisierung bei Planungsleistungen nunmehr nicht erst mit der Abnahme und Schlussrechnung, sondern bereits mit dem Entstehen des Anspruchs auf Abschlagszahlung eintreten sollte. Steuerlich bedeutet dies, dass Abschlagszahlungen nicht als sog. schwebende Geschäfte zu behandeln sind. Schwebende Geschäfte sind Rechtsgeschäfte, in denen der Sach- oder Dienstleistungsverpflichtete seine Leistungspflicht noch nicht erfüllt hat. Für die Zeit des Schwebezustands besteht die widerlegbare Vermutung, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten wertmäßig ausgleichen, so dass es grundsätzlich keines Bilanzausweises bedarf.

Der BFH öffnete bereits mit seinem Urteil die Möglichkeit, den Anwendungsbereich nicht allein auf an den Architekten gezahlte Abschläge zu begrenzen, sondern diesen auch auf weitere Abschlagszahlungen auszudehnen. Er betonte, dass es für die Realisierung von Gewinnen der Übergabe bzw. der Abnahme des Werkes durch den Besteller dann nicht bedarf, sofern die Wirkung der Abnahme für das Entstehen des Entgeltanspruchs durch Sonderregelungen, wie etwa eine Gebührenordnung, modifiziert werden. In Urteilsanmerkungen wurde die Ausdehnung unter Berufung auf diese „Öffnungsklausel“ auf weitere Abschlagszahlungen entsprechend befürwortet 5 , andernorts aber auch wegen der lediglich zu einem nach einer Altfassung der HOAI zu beurteilenden Sonderfall ergangenen Entscheidung abgelehnt.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat nunmehr – zumindest teilweise – für Klarheit gesorgt. Es hat auf Anfragen verschiedener Verbände erklärt, dass das Urteil des BFH über die in dem dort behandelten Fall von Architektenleistungen hinausgeht:

„Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben zugleich die Frage erörtert und entschieden, dass die Grundsätze aus der BFH-Entscheidung auch auf Abschlagszahlungen nach § 632a BGB und für Abschlagszahlungen nach § 15 Abs. 2 HOAI n.F. anzuwenden sind.“

B. Zur Reichweite des Urteils

Die Frage, die sich nunmehr viele Bau- und Anlagenbauunternehmen stellen, ist, ob und inwieweit die von ihnen typischerweise geschlossenen Verträge von der Entscheidung des BMF betroffen sind. Viele dieser Verträge sehen Teilzahlungen vor – entweder als Anzahlungen oder als Abschlagszahlungen.

I. Anzahlungen

Die Grundsätze des BFH-Urteils gelten nicht für Anzahlungen.

Sowohl das BFH-Urteil als auch das Schreiben des BMF sind insoweit eindeutig. Der BFH begründet seine Entscheidung ja gerade damit, dass der Gewinn bei Lieferungen und anderen Leistungen erst realisiert wird,

„wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen „wirtschaftlich erfüllt“ hat und ihm die Forderung auf die Gegenleistung (die Zahlung) – von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen – so gut wie sicher ist“.

Ungeachtet der Frage, inwieweit das bei Abschlagszahlungen tatsächlich der Fall ist, sind diese Voraussetzungen bei Anzahlungen jedenfalls nicht gegeben. Diese werden regelmäßig zu einem Zeitpunkt geleistet, in dem noch keine Erfüllungshandlungen erbracht worden sind und entsprechend noch kein Anspruch des Auftragnehmers auf Zahlung entstanden ist. Die Anzahlung ist zu diesem Zeitpunkt entsprechend noch nicht als sicher im Sinne des BFH-Urteils zu qualifizieren und führt im Jahr der Zahlung zu keiner Gewinnrealisierung.

Anzahlungen stellen vielmehr lediglich Verrechnungsposten zur Neutralisierung einer geleisteten Zahlung dar, die wirtschaftlich nicht das laufende Geschäftsjahr betrifft und daher erst später zum Zeitpunkt der Abnahme erfolgswirksam wird. Die Steuer auf die geleisteten Anzahlungen beim Anzahlungsempfänger entsteht daher auch erst in dem Jahr, in dem das betreffende Bauvorhaben abgenommen wird. 


Dieser Beitrag ist zuerst im November 2015 im Heft 11/2015 der Zeitschrift baurecht (BauR) erschienen. Den vollständigen Fachaufsatz „Abschlag mit Folgen“ können Sie sich hier betrachten und herunterladen.