Abschlagszahlung nur bis Schlussrechnungsreife!

OLG Stuttgart, Urteil vom 13.02.2019 - 10 U 152/18

1. Als Gläubiger des Abschlagszahlungsanspruchs hat der Auftragnehmer dessen Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört als ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal die fehlende Schlussrechnungsreife.*)

2. Der Auftraggeber muss im Prozess im Rahmen einer sekundären Darlegungslast zur Schlussrechnungsreife vortragen, um dem Auftragnehmer den Vortrag und den Beweis zu ermöglichen, dass mangels Schlussrechnungsreife weiterhin ein Anspruch auf Abschlagszahlung besteht.*)

OLG Stuttgart, Urteil vom 13.02.2019 - 10 U 152/18

BGB § 632a; VOB/B § 16 Abs. 1

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) wird vom Auftraggeber (AG) mit Stahlbauarbeiten beauftragt. Der AN tritt Abschlagsforderungen gegen den AG an ein Factoring-Unternehmen ab. Der Factor klagt die Abschlagsforderungen im Urkundenprozess gegen den AG ein. Der AG verteidigt sich damit, dass er dem AN gekündigt hat und der AN daher nur noch einen Anspruch auf Schlusszahlung durchsetzen kann, weil die sog. "Schlussrechnungsreife" eingetreten ist. Der Senat folgt dieser Rechtsansicht und wirft die Frage auf, wer die (fehlende) Schlussrechnungsreife beweisen muss. Urkunden dazu, dass die Schlussrechnungsreife eingetreten ist, liegen nicht vor. Wenn der AG die Schlussrechnungsreife beweisen muss, wäre daher die Klage begründet, wenn den AN die Beweislast trifft, wäre sie unbegründet.

Entscheidung

Die Beweislast trägt der AN. Als Gläubiger des Abschlagszahlungsanspruchs hat er dessen Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört als negatives Tatbestandsmerkmal die fehlende Schlussrechnungsreife. Diese ist nicht lediglich eine Einwendung, die vom AG geltend zu machen wäre. Vielmehr ist für eine Abschlagszahlung Anspruchsvoraussetzung, dass die Werkleistung des Unternehmers noch nicht abschließend abgerechnet werden kann und muss. Die in § 16 Abs. 1 VOB/B geregelte Abschlagszahlung bezweckt, den vorleistungspflichtigen AN zu entlasten und die gerade bei Bauleistungen mit der Vorfinanzierung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen. Wenn seine Vorleistungspflicht entfällt, besteht kein Grund mehr, den von weiterer Leistungsverpflichtung freigewordenen AN durch Zubilligung eines Anspruchs auf Abschlagszahlung besonders zu schützen. Danach gebietet es schon der Zweck einer Abschlagszahlung, für die Belastung durch die Vorleistungspflicht des AN einen Ausgleich zu schaffen, die fehlende Schlussrechnungsreife als Anspruchsvoraussetzung anzusehen. Deshalb muss der AN nach Eintritt der Voraussetzungen für eine endgültige Abrechnung - und nicht erst auf eine entsprechende Einwendung der Schlussrechnungsreife durch den AG - eine Abschlagszahlungsklage zwingend auf die Schlusszahlungsklage umstellen. Allerdings muss der AG im Prozess im Rahmen einer sekundären Darlegungslast zur Schlussrechnungsreife vortragen, um dem AN den Vortrag und den Beweis zu ermöglichen, dass mangels Schlussrechnungsreife weiterhin ein Anspruch auf Abschlagszahlung besteht. Der Eintritt der Schlussrechnungsreife bedeutet nicht, dass der Abschlagszahlungsanspruch rückwirkend entfällt. Er besteht bis zur Schlussrechnungsreife; deshalb muss der AG Zinsen zahlen, wenn er mit der Bezahlung des Abschlagszahlungsanspruchs in Verzug gerät.

Praxishinweis

Ein Nebeneinander von Abschlags- und Schlusszahlung kann es nicht geben, weil mit der Schlussrechnungsreife der Abschlagszahlungsanspruch entfällt. Ist die Abnahme umstritten, kann der Auftragnehmer eine Werklohnklage hilfsweise auf den Abschlagszahlungsanspruch stützen. Das ist jetzt auch beim BGB-Vertrag möglich, weil wesentliche Mängel gem. § 632a BGB in der seit dem 01.01.2018 geltenden Fassung den Abschlagszahlungsanspruch nicht mehr ausschließen.

RiOLG Dr. Tobias Rodemann, Ratingen

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