Vor seinem Vortrag bei der 64. Baurechtstagung am 8. November in Dresden zur „HOAI 202x“ sprachen wir mit dem Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht über die wechselvolle Geschichte eines Regelwerks und wagen einen Ausblick auf die lang erwartete Neufassung. Das Gespräch führten Rechtsanwältin Jennifer Essig und Rechtsanwältin Franziska Pina.
Rechtsanwältin Franziska Pina: Herr Prof. Dr. Fuchs, im Laufe der Zeit würde die HOAI mehrfach angepasst. Welche übergeordneten Prinzipien haben sich denn bewährt oder was wurde grundlegend überarbeitet?
Prof. Dr. Heiko Fuchs: Die HOAI hat ja einen wirklichen langen Wandel hinter sich. Die erste Fassung trat am 1. Januar 1977 in Kraft und war ursprünglich als Honorarbegrenzungsvorschrift gedacht. Seinerzeit hatten wir in Deutschland einen ähnlichen Markt wie heute: Wohnraum war knapp und teuer und die Bundesregierung hatte ein ganzes Maßnahmenpaket verabschiedet, um die Baukosten und damit die Mieten zu senken.
Ein kleiner Baustein dieses Pakets war die Überlegung, dass Architektenhonorare auch in die Baukosten einfließen, und daher wollte man diese Honorare mit einem Höchstsatz deckeln. Um weiterhin Preiswettbewerb anzuregen, wurde ein Mindestsatz ergänzt. Über die Höhe des Mindestsatzes entschied man entlang der Frage: Wie viel muss ein Architekt mindestens erlösen, um nicht pleite zu gehen? Man könnte also sagen, dass der Ursprung der HOAI auch eine Art Insolvenzschutz für Architekten war.
In den Jahren danach hat sich die HOAI stetig gewandelt, nicht immer zum Besseren. Im Jahr 2009 kam sehr viel Unsystematik in die Honorarordnung, die man in der Fassung von 2013 dann wieder einigermaßen aufgeräumt hat. Dafür wurden allerdings in den Leistungsbildern Grundleistungen und Besondere Leistungen aufgenommen, da reibt man sich bis heute die Augen und fragt sich, warum ein Architekt derartige Leistungen erbringen soll.
Die letzte Reform im Jahr 2021 war keine richtige Reform, sondern da hat man quasi nur das Europarecht umgesetzt, den Kern der HOAI „herausoperiert“ und gesagt, sie ist jetzt nicht mehr verbindliches Preisrecht.
Nun steht wieder eine Reform an. Zu den möglichen Inhalten gibt es ein Gutachten, an dem ich mitwirken durfte. Werden die Vorschläge so umgesetzt, wird das eher eine Evolution statt einer Revolution. Derzeit wird ein weiteres Gutachten zur Anpassung der Honorarwerte eingeholt.
Auch in der Neufassung wird die HOAI ihre seit 2021 geltenden Grundfunktionen behalten, nämlich eine Auffangregelung dafür sein, wenn Honorare nicht in Textform vereinbart wurden, und Orientierung bieten für den Markt. Das wird weiter bleiben und es werden sich eher kleinere, aber sehr wichtige Änderungen einstellen.
Rechtsanwältin Jennifer Essig: Welche Chancen oder Risiken ergeben sich aus der vom EuGH erzwungenen Flexibilisierung der Honorarordnung? Und wie reagieren Architekten und Ingenieure darauf?
Fuchs: Wirklich dramatisch und in der Praxis noch nicht so richtig angekommen ist das ganze Thema der Verbraucherbelehrungspflicht, die für Architekten eine Zumutung darstellt. Gemäß § 7 Abs. 2 HOAI 2021 müssen Architekten darüber informieren, dass eine Honorarordnung existiert, von der man aber abweichen darf. Wenn man das nicht einhält, dann fällt man zur Strafe auf den Basishonorarsatz zurück, wenn ein höheres Honorar vereinbart wurde.
Hinzu kommen allgemeine verbraucherschützende Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch über die Widerrufsbelehrungen bei Fernabsatzverträgen oder bei Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen – was in der Praxis von Architekten häufig vorkommt. Dann gibt es noch das Sonderkündigungsrecht nach der Zielfindungsphase in § 650r BGB, wo der Architekt den Verbraucher über die Kündigungsfrist und die Kündigungsfolgen informieren muss. Zusätzlich dazu müssen Architekten noch in klarer und verständlicher Weise über die wesentlichen Vertragspflichten – Leistung und Honorarermittlung – belehren. Wie soll der Architekt das alles machen, ohne dem Verbraucher gleich einen HOAI-Kommentar zu überreichen. (lacht) Es drängt sich die Frage auf, ob der Verbraucher wirklich so schutzbedürftig ist und ob man das nicht einheitlicher regeln kann.
Ansonsten ergeben sich für die aktuelle Version der HOAI in meiner Beratungspraxis faktisch wenig Unterschiede zur Vorfassung. Man kann andere Honorarformen diskutieren oder man verhandelt über ein HOAI-Honorar und dabei anrechenbare Kosten, Honorarzone oder Teilleistungspunkte. Oft kommen Architekten und Ingenieure zu mir und sagen: ‚Es ist noch wahnsinnig viel Projekt und ganz wenig Honorar übrig!‘ Bisher würden wir in so einem Fall prüfen, ob wir nicht den über dem vereinbarten Honorar liegenden Mindestsatz geltend machen können. Die Option ist jetzt entfallen, und wir versuchen, dem Architekten über Ansprüche wegen verlängerter Planungs- oder Bauzeit, Umplanungsnachträge oder geänderte Honorarparameter zu einem Mehrhonorar zu verhelfen. Oftmals scheitern solche Ansprüche allerdings an fehlender Dokumentation, die schlechterdings nicht nachgeholt werden kann.
Eine nachträgliche Dokumentation ist ein Widerspruch in sich!
Prof. Karl-Heinz Schiffers
Selbst als eingefleischter Architektenrechtler und HOAI-Fan finde ich die neue Unverbindlichkeit des Honorarrechts nicht weiter schlimm. Zumal es für mich als Anhänger des Grundsatzes ‚pacta sunt servanda‘ schon immer wenig nachvollziehbar war, wenn ein Architekt freiwillig einen Vertrag über ein Pauschalhonorar von 100.000 Euro abschließt, später aber 200.000 Euro einzuklagen versucht, weil das der Mindestsatz ist.
Pina: Experten befürchten eine "Abwärtsspirale" bei den Honoraren. Welche Mechanismen sehen Sie, um die Qualität der Planungsleistungen trotz der nun möglichen Preisdiskussionen zu sichern? Gibt es gesetzliche Regelungen oder alternative Modelle, die eine solche Entwicklung verhindern könnten?
Fuchs: Das ist ein ganz schwieriges Thema.
Der EuGH hat den Zusammenhang zwischen geringer Vergütung und schlechter Qualität ausdrücklich anerkannt.
Für mich ist das auch eine Frage des Berufsethos. Wir alle kennen das aus der Rechtsberatung. Es gibt Mandate, die sind manchmal honorarmäßig am Ende, weil es ein RVG-Mandat war oder eine Pauschale vereinbart wurde. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, meine Leistung zu reduzieren und schlechter zu beraten, nur weil das Honorar verbraucht ist.
Andererseits ist es schon so, dass bestimmte Leistungen, etwa die Objektüberwachung, nach der HOAI grotesk unterbezahlt sind. Vor allem mit Blick darauf, was die Rechtsprechung da alles fordert. Als Architekt müssen Sie auf der Baustelle am besten immer danebenstehen und alles im Blick behalten. Jedes Bauteil ist wichtig, jedes Leistungsdetail muss sitzen, dazu kommen Rechnungsprüfung und am besten noch die Korrespondenz für den Bauherrn.
All das mit dem Basishonorar der Leistungsphase 8 ist einfach unrealistisch und nicht machbar. Mein Eindruck ist, dass die HOAI-Sätze in den Leistungsphasen 1 bis 3 ganz gut funktionieren und eher zu einer Überkompensation führen, die dann später aufgebraucht wird, etwa durch die Ausschreibung und nachher auch die Objektüberwachung.
Essig: Lassen Sie uns doch auch mal einen Blick in die Zukunft werfen. Was sind aus Ihrer Sicht die Kernpunkte der Diskussion um die angedachte mögliche Neuerung der HOAI 202x?
Fuchs: Wenn Sie Planer fragen, dann sagen die natürlich sofort: ‘Wir müssen die Honorartafeln anpassen!’ Da ist auch was dran, schließlich ist die letzte Anpassung aus 2013 rund elf Jahre her, und seitdem hat sich an der Kostenstruktur der Büros viel verändert. Allerdings sind die Honorare der meisten Leistungsbilder an die anrechenbaren Kosten geknüpft. Wenn also Baukosten steigen, steigen auch die Honorare.
Was dabei aber gerne übersehen wird, ist eben die Degression der Honorartafeln, das heißt, die Honorare steigen langsamer als die Baukosten, und es rutschen natürlich immer mehr Objekte aus dem Anwendungsbereich der HOAI heraus. Denn wenn die Baukosten steigen, dann habe ich natürlich schneller den Tafelendwert von 25 Millionen bei den Architekten erreicht. Damit fallen viele Gebäude sukzessive raus. Auch deshalb müssen die Tafelwerte dringend angepasst werden.
Womit wir bei dem vermutlich größten Knackpunkt in der politischen Diskussion angekommen sind. Schließlich versuchen alle, das Bauen günstiger zu machen, und steigende Honorare passen da nicht so recht rein, auch wenn – das ist unstrittig – Handlungsbedarf besteht.
In unserem Gutachten haben wir uns ohnehin nur mit der Leistungsseite beschäftigt, insbesondere mit den Leistungsbildern, den Honorarermittlungsvorschriften – aber eben nicht mit den Tafel- und damit Honorarhöhen – unter Einbeziehung aktueller Anforderungen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Ziel war es, eine praxisnahe Evolution zu entwickeln und keine Revolution.
Bei der Nachhaltigkeit haben wir uns sehr schwergetan. Wir haben uns die Frage gestellt:
Was soll eine Honorarordnung zu nachhaltiger Planung sagen?‘
Das hat wenig mit dem Preisrecht zu tun. Gleichwohl soll es eine Definition von Nachhaltigkeit geben, verbunden mit bestimmten Leistungen mit einem besonderen Erstellungs- und Dokumentationsaufwand, zum Beispiel für Zertifizierungen oder Fördergelder – inklusive der Klarstellung, dass das Besondere Leistungen sind, die nicht vom Grundleistungshonorar abgegolten sind.
Bei der Digitalisierung haben wir uns ebenfalls schwergetan, weil die HOAI eigentlich weitestgehend methodenneutral ist. Die Grundleistungen, die wir jetzt sehen, die haben schon funktioniert, als der Architekt noch am Zeichenbrett gestanden hat, und die haben dann die Einführung von CAD überlebt, und sie werden auch die Einführung von Building Information Modelling (BIM) überleben. Trotzdem war der Wunsch da, Digitales mehr abzubilden, sodass wir einen vor die Klammer aller Leistungsbilder gezogenen Regelprozess BIM vorgeschlagen haben, der verdeutlicht, was an BIM-Leistung vom Grundleistungshonorar abgegolten ist und was Besondere Leistungen sind, wenn der Bauherr bestimmte, über die eigentliche Planung hinausgehende Anwendungsfälle definiert.
Das, was wir heute als Vorplanung bezeichnen, danach hätte man vor 30 Jahren gebaut.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Heiko Fuchs
Neben diesen Hauptthemen haben wir uns vielen Detailfragen gewidmet, die gleichwohl sehr wichtig und sehr praxisrelevant sind. Dazu gehört die Angleichung der Leistungsbilder, etwa das des Architekten an das der technischen Gebäudeausrüstung (TGA). Die Leistungsphase 3 des Architekten beinhaltet bspw. derzeit nicht die nötigen Angaben, um die entsprechende TGA-Berechnung zu erstellen.
Zudem wollen wir die Vorplanung wieder auf konzeptionelles Arbeiten zurückführen - für mich ein Herzensthema –, denn wir steigen heutzutage viel zu schnell, viel zu tief in die Planung ein. Das, was wir heute als Vorplanung bezeichnen, danach hätte man vor 30 Jahren gebaut. (lacht)
Eigentlich ist die Vorplanung mal als konzeptionelle Phase gedacht gewesen, in der der Architekt mit weichem 6B-Bleistift auf Pergamentpapier eine Skizze erstellt hat. Heutzutage steckt da schon Detailplanung drin und nicht nur der Erstellungsaufwand ist hoch, sondern auch der für mögliche Änderungen, weil Ihnen dann schnell das gesamte Gebäudemodell um die Ohren fliegt. Eine Auswirkung dieser Entwicklung ist, dass schon sehr früh in der Planung die Kreativität erstickt wird. Daher haben wir vorgeschlagen, die Leistungsphase 2 wieder zurückzuführen auf die Ebene des konzeptionellen Arbeitens, was übrigens auch mit entsprechenden BIM-Tools gut funktioniert.
Pina: Gibt es darüber hinaus noch weitere Aspekte, die in einer zukünftigen HOAI stärker berücksichtigt werden sollten, die derzeit noch unzureichend geregelt sind?
Fuchs: Viele Dinge haben wir in unserem Gutachten angepackt. Da ist etwa das Thema Bauen im Bestand, das wir bei der Honorarermittlung stark vereinfacht haben. Wir unterscheiden nicht mehr zwischen Umbau, Modernisierung, Erweiterung, Instandsetzung und Instandhaltung, wie es die derzeitige HOAI vorsieht. Künftig soll es nur den Tatbestand des Bauens im Bestand geben.
Wir haben versucht, die streitanfällige Ermittlung der anrechenbaren Kosten der mitzuverarbeitenden Bausubstanz zu vereinfachen, was aber gar nicht so einfach ist, da es doch immer wieder auf den Einzelfall ankommt. Dann haben wir Regelungen, wie etwa die getrennte Abrechnung von Umbauten und Erweiterungsbauten, die in der alten HOAI aus dem Jahr 1996 schon einmal vorhanden waren, zur Wiederaufnahme vorgeschlagen.
Etwas, das auf Auftraggeberseite in den Diskussionen leider keine Mehrheit gefunden hat, war der Vorschlag, eine zweistufige Kostenermittlung für die anrechenbaren Kosten vorzunehmen. Beispielsweise könnte die Kostenberechnung Grundlage des Honorars für die Leistungsphasen 1 bis 5 sein. Die Leistungsphasen 6 bis 9 wären dann nach der Kostenfeststellung, also den Ist-Kosten am Ende des Projekts, abzurechnen. Das hätte den großen Charme, dass der Architekt, wenn sich im Projekt etwas ändert und dadurch Mehrkosten entstehen – der Normalfall bei langlaufenden Projekten – in den hinteren Leistungsphasen automatisch sein Honorar verdienen kann, und zwar ohne ein Claim-Management zu betreiben, wie es aktuell noch der Fall ist.
Das wäre aus meiner Sicht ein Effekt gewesen, der sehr zu begrüßen gewesen wäre. Aber die Auftraggeberseite, insbesondere die öffentliche Hand, hat sich da mit Händen und Füßen gewehrt, damit der Architekt nicht automatisch von steigenden Baukosten profitiert, sodass es dieser Vorschlag nicht ins Gutachten geschafft hat.
64. Baurechtstagung am 8. und 9. November 2024 in Dresden
Volles Programm: Spannende Vorträge (u. a. von Prof. Dr. Heiko Fuchs zur HOAI 202x), alte und neue Freunde, Nachwuchsförderung und mehr.
Pina: Stichwort Digitalisierung in der Bauplanung: Welche Auswirkungen erwarten Sie hier für die HOAI 202x? Müssten explizit neue Honorartatbestände für solche Planungsprozesse integriert werden?
Fuchs: Ja unbedingt, das Thema Digitalisierung wird eine wichtige Rolle in der HOAI 202x spielen. Das war auch eine zentrale Forderung der am Gutachten beteiligten Ministerien – dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesbauministerium. Die Diskussion ist allerdings gar nicht so einfach, etwa zum Thema BIM. Die Architekten fordern hier deutliche Mehrhonorare, da die Planung mit BIM komplex sei. Das wiederum können die Auftraggeber nicht nachvollziehen, da Ihnen die digitale Planungsmethode als deutlich effizienter und planungssicherer angepriesen wurde. Dementsprechend gering ist das Verständnis für die Forderung nach höheren Honoraren für die Architekten, die nach Auftraggeberverständnis mit BIM ja eigentlich weniger Arbeit haben. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, je nachdem, welche Anwendungsfälle der Auftraggeber für BIM fordert.
Ein anderes Stichwort ist die Methodenneutralität. Die HOAI sollte sich eigentlich nicht für die Planungsmethode interessieren oder dafür, ob die Architekten nun mit BIM oder am Zeichenbrett arbeiten. Das haben wir nun im Gutachten wieder mehr hervorgehoben, indem wir viele Leistungen, die in Richtung Methode gehen, aus den Leistungsbildern herausgenommen haben.
Dafür soll es noch den BIM-Regelprozess geben, in dem es stark vereinfacht darum geht, dass der Architekt mehr Honorar verlangen kann, wenn der Auftraggeber sich so stark in den Planungsprozess einmischt, dass zusätzliche Arbeiten erforderlich sind, die als besondere Leistungen auch gesondert abgerechnet werden können. Es wird sich zeigen, wie das am Ende in den Honorarhöhen der novellierten HOAI berücksichtigt wird.
Essig: Die Digitalisierung ist eine der großen Herausforderungen für die HOAI 202x, eine weitere sind die immer neuen Nachhaltigkeitsanforderungen und steigenden gesetzlichen Auflagen, die bei Planungsprozessen zu berücksichtigen sind, etwa im Bereich der Energieeffizienz. Inwieweit beeinflusst dies die Honorarregelung? Und welche Rolle spielt der Gebäudetyp E dabei?
Fuchs: Zunächst einmal muss man sagen, dass die Honorarordnung schon jetzt automatisch reagiert, indem höherer Aufwand zu höheren Honoraren oder in andere Honorarzonen führt, wie das bei Nachhaltigkeitsanforderungen oftmals der Fall ist. Hier sind die Architekten gefordert, genauer hinzuschauen und bei Bedarf auch kreativer in der Honorarermittlung zu werden: Ist das Gebäude wirklich noch Honorarzone III, sind das wirklich nur durchschnittliche Anforderungen, wenn der Bauherr zum Beispiel „Cradle to Cradle“ möchte oder sonstige Nachhaltigkeitsanforderungen stellt?
Ein weiterer Punkt sind die besonderen Leistungen, die wir im Gutachten vorgeschlagen haben. Dazu gehören Nachweise oder Berechnungen, die der Bauherr für sein Reporting, für Fördergelder oder für eine Zertifizierung braucht. Das sind dann Besondere Leistungen, die gesondert zu vergüten sind, weil sie über die reine Bauplanung hinausgehen.
Bei aller Liebe zu präzisen Regelungen: Heutzutage müssen Architekten die Nachhaltigkeit automatisch mitdenken und den Bauherrn in der Hinsicht durchaus auch vor sich hertreiben und proaktiv Konzepte entwickeln und vorschlagen. Das führt zu besseren Ergebnissen und am Ende zu zufriedenen Bauherren.
Der Gebäudetyp E ist ein anderes Thema. Der Grundgedanke dazu – Bauen günstiger und weniger komplex zu machen – ist ja erst einmal richtig. Aber wie die ganze Diskussion geführt wird, finde ich schwierig.
Die Enthaftung des Architekten oder des Bauunternehmers ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Der Umgang der Rechtsprechung mit den anerkannten Regeln der Technik ist allerdings in der Tat problematisch. Aber Investoren werden kaum zu motivieren sein, einen Gebäudetyp E zu vereinbaren und ins Risiko zu gehen. Viel zu viele Fragen sind noch völlig offen. Wie schaut es mit Versicherung, Finanzierung und Compliance aus? Ist ein Typ-E-Gebäude überhaupt noch so viel wert wie ein anderes Wohngebäude? Wie erkläre ich es den Mietern, wenn sie plötzlich die Nachbarn husten hören? Und wie schaut es aus, wenn ich das Gebäude in zehn oder 15 Jahren verkaufen möchte?
Insofern wird jeder halbwegs kluge Investor in seine Verträge schreiben, dass alle anerkannten Regeln der Technik, alle DIN- und sonstige technische Normen und natürlich auch schon Entwürfe davon einzuhalten sind – und am Ende laufen die schönen gesetzlichen Regelungen ins Leere.
Herr Professor Fuchs, wir danken für das Gespräch!
Rechtsanwalt Prof. Dr. Heiko Fuchs
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Mitglied in der ARGE Baurecht seit 2002
Den zweiten Teil des Gesprächs mit Prof. Dr. Heiko Fuchs zur HOAI 202x lesen Sie in den ARGE Baurecht News 11/2024, die am 31. Oktober 2024 erscheinen. In der Fortsetzung sprechen wir unter anderem über Honorarregelungen im anderen Ländern und erörtern, ob sich Deutschland davon etwas abschauen kann. Überdies erfahren Sie, warum Sie den Vortrag zur HOAI 202x von Prof. Dr. Fuchs bei der 64. Baurechtstagung am 8. November 2024 keinesfalls verpassen sollten.