SOBau 2020 der ARGE Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) e.V. im Frühjahr 2022 in Berlin

Ein Plädoyer für die Schlichtung...

...und gleichzeitig der Nachbericht zur Schlichterausbildung SOBau 2020 der ARGE Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) e.V. im Frühjahr 2022 in Berlin.

Erfolgreiche Schlichter und Schlichterinnen in Baustreitigkeiten benötigen neben ausgezeichneten juristischen Fähigkeiten und einem guten bautechnischen Verständnis vor allem kommunikative sowie soziale Kompetenzen und Fertigkeiten. Letztere sind in den wenigsten Fällen naturgegeben, sondern müssen vermittelt und antrainiert werden. Hierzu dient in bemerkenswerter Weise die von der ARGE Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) e.V. angebotene Schlichtungsausbildung, welche zuletzt im Frühjahr 2022 in Berlin stattgefunden hat und auch im Herbst 2022 wieder angeboten wird. 

Ein Zusammenspiel aus Fach- und Sozialkompetenzen

Es wäre weit untertrieben, zu behaupten, dass uns Teilnehmern dort ausschließlich die Regelungen der SOBau 2020 vermittelt werden. Tatsächlich ist es viel mehr. Auf fachlich hervorragende, vor allem auch sehr menschliche und sympathische Art und Weise, haben es Rechtsanwalt Dr. Ulrich Böttger, Rechtsanwalt Christian Meier und Mediationstrainer Christian von Baumbach geschafft, in der aus zwei Modulen bestehenden Frühjahrsveranstaltung uns Kursteilnehmern die SOBau und die darin geregelten Möglichkeiten der alternativen Konfliktlösung näherzubringen. Dabei standen – im Sinne der SOBau 2020 - die Mediation, das Schiedsgutachten, das schiedsrichterliche Verfahren und vor allem das Schlichtungsverfahren im Vordergrund. Aber nicht nur das. Gleichzeitig haben die Teilnehmer – wie es die Kollegin Rechtsanwältin Christine Weyand in ihrem ersten Nachbericht vom 29. April 2022 so schön schreibt – interessante Einblicke in die Methoden der Mediation und die Psychologie eines Konflikts auf Beziehungs- und Sachebene mit den verschiedenen Eskalationsstufen erhalten. Mit den teils bekannten, teils neu gelernten Instrumenten haben wir Teilnehmer durch interaktive Übungen gelernt, die Grundlagen der jeweiligen (oft auch hitzigen) Konflikte zu ergründen, um gemeinsam mit den Parteien den tatsächlichen – oft neben und/oder unter den rein rechtlichen Argumenten liegenden - Streitgegenstand herauszuarbeiten. Hierdurch wurde es am eigenen Leibe, ob in der Rolle der Schlichtungsperson oder der Parteien, unmittelbar erleb- und spürbar, wie die ganzheitliche (und ausdrücklich nicht rein rechtliche) Strukturierung, Entschlüsselung und Einordnung des Konflikts nicht nur eine nachhaltige und gemeinschaftliche Lösungsfindung ermöglichte, sondern insbesondere die Akzeptanz des Gegenübers und der gemeinsamen Lösung erhöhte. Ein geradezu einzigartiges Erlebnis, das uns Teilnehmer vielfach auch auf persönlicher Ebene zusammengeschweißt hat.  

Die Schlichtung als Zukunft der Konfliktlösung am Bau

Aber auch in fachlicher Hinsicht hat die Kursteilnahme zu erstaunlichen Erkenntnissen geführt. Eine davon ist die Hypothese, dass in der Schlichtung die Zukunft für die Lösung von Baustreitigkeiten liegt: Überlastete Gerichte und umfangreiche Gürteltiere, gerade im Baurecht, führen zu überlangen Verfahrensdauern, die (nicht nur) für die Parteien oftmals wenig transparent und frustrierend sind. Doch auch bei den alternativen Streitbeilegungsverfahren dürfte die Baustreitigkeit nicht unbedingt in der Mediation, sondern eher in der Streitschlichtung am besten aufgehoben sein.

Zwei Verfahren, ein Ziel: Mediation und Schlichtung

Mediation, Schlichtung – ist das nicht dasselbe? Nein! Der wesentliche Unterschied liegt in der strukturellen Konzeption dieser beiden Streitbeilegungsverfahren. Die Mediation zeichnet sich dadurch aus, dass die Parteien unter professioneller Moderation selbst aktiv werden. Der Mediator unterstützt die Konfliktparteien ohne Entscheidungskompetenz in einem vertraulichen und strukturierten Verfahren darin, eine Win-Win-Lösung zu finden. Er darf indes weder entscheiden noch beraten oder seine Rechtsauffassung mitteilen, sondern soll vielmehr die Parteien befähigen und darin unterstützen, selbst zu einem für diese akzeptablen Ergebnis zu finden, das einen Konflikt ganz oder teilweise aufzulösen hilft. In baurechtlichen Streitigkeiten genügt das leider meist nicht (mehr): auf diesem durchaus streitbaren, wirtschaftlich – je nach Rolle der Parteien, auch emotional – aufgeladenen Rechtsgebiet wünschen sich streitende Parteien gerade die Einschätzung einer neutralen Person, eines „Entscheiders“ und rufen in der Regel genau hierfür – und vermeintlich mangels Alternativen – die ordentlichen Gerichte an, um sodann vielfach langjährige, kostspielige und mürbe machende Gerichtsprozesse zu führen, die wiederum oftmals in gefühlt oktroyierten Vergleichen enden.

Bei einer Schlichtung rufen die Konfliktparteien ebenfalls eine gemeinsam festzulegende oder ggf. durch die Präsidentin des DAV nominierte Schlichtungsperson an, um einen Streit gütlich aus der Welt zu schaffen. Die Schlichtungsperson „arbeitet“ hierbei jedoch aktiv an der Lösungsfindung mit. Vergleichbar mit der Mediation wird der Kern des Streits zunächst in Gesprächen mit den Parteien erarbeitet und hierbei neben den Rechtsauffassungen auch die darunter liegenden Argumente gehört, wahrgenommen und erörtert. Vielfach steuert die Schlichtung sodann bereits in Richtung Lösungsfindung oder die Schlichtungsperson unterbreitet – dies ist der wesentliche Unterschied zur Mediation – einen konkreten Schlichtungsvorschlag. Hierfür bewertet sie die Parteien in ihren Positionen und Interessen, die potentiell vorgelegten Unterlagen und Belege sowie die Erfolgsaussichten analog zu einem etwaigen gerichtlichen Verfahren. Nehmen die Parteien den Vorschlag an, lässt sich dieser vertraglich fixieren. Lehnen die Parteien den Vorschlag ab, ist die Schlichtung in der Regel gescheitert.  

In der Schlichtung beurteilt die Schlichtungsperson also die Positionen der Parteien und macht einen Kompromissvorschlag. Bei der Mediation verhält sich der Mediator dagegen neutral, bewertet keine Aussagen. Die Parteien suchen mit Unterstützung des Mediators ihre eigenen Lösungen. 

Was die Schlichtung so erfolgsversprechend macht

Viele Wege können also nach Rom führen. Worauf gründet sich also die Hypothese, dass im Rahmen von Baustreitigkeiten die Schlichtung das geeignetere bzw. effektivere Mittel der Konfliktlösung sein kann? Nun, zum einen sorgt nicht zuletzt die SOBau 2020 für ein zügiges, stringent organisiertes Verfahren. Damit ist es einerseits schon möglich „unterjährig“, also noch im laufenden Herstellungsprozess des Bauvorhabens zu agieren bzw. zu reagieren und den Konflikt im Keim zu erwischen und zu lösen, ohne hierbei das Risiko von Baustopps, Bauzeitverzögerungen etc. pp. einzugehen; andererseits bietet ein Schlichtungsverfahren auch nach Abschluss des Bauvorhabens die Möglichkeit, eine zeitlich unmittelbare und distinkte Konfliktlösung herbeizuführen. Die Schlichtungsperson ist in der Regel „aus der Praxis“, also Fachanwälte/-innen für Bau-und Architektenrecht, und mit vergleichbaren Fallkonstellationen vertraut, insbesondere kennt sie aber auch den Druck der Parteien und die Vorteile eines wirtschaftlich sinnhaften (und manchmal auch pragmatischen) Auseinanderdividierens. Vor allem aufgrund der Besonderheiten der zumeist langen vertraglichen Verbundenheit und der dabei handelnden Personen. Bau- oder Projektleiter, auf Auftragnehmer- wie auf Auftraggeberseite, haben aufgrund der täglichen Baustellenpraxis Erfahrung im Verhandeln, im Diskutieren, im Austesten von Grenzen und in der Findung von Kompromissen.

Anders wären Bauvorhaben, gerade die größeren, nicht zu bewältigen, zumal die Zusammenarbeit auf einen längeren Zeitraum – manchmal Jahre – angelegt ist. Die Tatsache, dass es zwischen diesen Parteien überhaupt zu einer – dann zumeist – gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, zeigt jedoch, dass die Bauvertragsparteien mit den herkömmlichen „Bordmitteln“ der Konfliktlösung auf der Baustelle am Ende sind. Diese benötigen oftmals einen Impuls „von außen“, um ihren Konflikt zu überwinden. Dabei dürften klar geäußerte Meinungen, und sei es erst in einem finalen Schiedsspruch, der Lösungsfindung zugutekommen. Der für die Schlichtung wesentliche Schlichtungsvorschlag führt zudem in eine ähnliche Richtung, wie es durch einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag vorbestimmt ist. Sofern dieser sorgfältig begründet ist, kann er den Parteien eine hinreichende Motivation geben, den vorgeschlagenen Vergleich anzunehmen. Gleichzeitig liefert er den Verhandlungsführern die oftmals benötigte Legitimation gegenüber Vorgesetzten oder ARGE-Partnern. 

Die differenzierte und auf die jeweiligen Individualparteiinteressen ausgerichtete Herangehensweise im Rahmen einer Schlichtung ermöglicht es, selbst in Konflikten, die bereits die Eskalationsstufe vergleichbar einem gerichtlichen Verfahren erreicht haben, einvernehmliche Lösungen auf Augenhöhe herbeizuführen. Das hierfür erforderliche theoretische, handwerkliche und psychologische Rüstzeug bietet die Schlichterausbildung SOBau 2020 der ARGE Bau- und Immobilienrecht. 

Leider suchen Bauvertragsparteien – noch immer viel zu häufig – ihr Heil zunächst in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, verbunden mit der Hoffnung auf einen zeitnahen gerechtigkeitsbringenden Richterspruch. Die Praxis zeigt, dass diese Hoffnung in den meisten Fällen vergeblich ist. Wird dann durch das Gericht in geeigneten Fällen das Güterichterverfahren vorgeschlagen, ist häufig nichts anderes als ein gerichtsinternes Mediationsverfahren unter Leitung eines ausgebildeten Güterichters gemeint. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Mediation nicht das einzige Verfahren der alternativen Streitbeilegung ist, das in einem gerichtlichen Güterichterverfahren zur Anwendung kommen kann. Ein Blick in das Gesetz erleichtert auch in diesem Fall die Rechtsfindung und liefert einen für die Baupraxis interessanten Ansatz. Der Güterichter kann nämlich nicht nur eine, sondern „alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation“ einsetzen, so die Regelung des erst vor ca. 10 Jahren eingeführten § 278 Absatz 5 ZPO.

Ausdrücklich erwähnt ist als Methode der Konfliktlösung zwar nur die Mediation; es können aber auch alle anderen Methoden der alternativen Konfliktbeilegung zur Anwendung kommen, wie z.B. Evaluation, Schlichtung oder Moderation. Der Güterichter ist insofern nicht – anders als in der Praxis meist gelebt – an eine bestimmte Methode der Konfliktbehandlung gebunden, sondern kann diese nach den Gegebenheiten des Falles, den Bedürfnissen der Parteien und seinen Möglichkeiten auswählen – im besten Fall in Abstimmung mit den Parteien. Es kann insofern nur an die Güterichter und die verfahrensbestimmenden Parteien appelliert werden, von den gesetzlichen Freiheiten Gebrauch zu machen und in das Güterichterverfahren die Vorteile der Schlichtung einfließen zu lassen.

 


Schlichtungsausbildung nach SOBau 2020

Die Schlichtungsausbildung findet einmal jährlich im Frühjahr statt. Das Präsenz-Seminar ist auf fünf Tage ausgelegt, aufgeteilt in zwei Blöcke, die jeweils im Abstand von etwas vier Wochen stattfinden.

Die aktuellen Termin finden Sie auf der Webseite der SOBAU.

Wenn Sie in die Interessiertenliste aufgenommen werden möchten, schreiben sie uns eine E-Mail.


 

Carolin J. Klüpfel

  • Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht und Schlichterin für Baustreitigkeiten
  • Mitglied der ARGE Baurecht im DAV
Zum Profil

Florian Herbst

  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Schlichter für Baustreitigkeiten
  • Mitglied der ARGE Baurecht im DAV
Zum Profil