„Die Hälfte meiner Fälle löse ich außergerichtlich”

Kaum ist Rechtsanwältin Claudia Stoldt ganz offiziell “Schlichterin für Baustreitigkeiten”, hat sie bereits den ersten Fall auf dem Tisch, bei dem die Grundlagen der SOBau zum Einsatz kommen. Die Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht wendet seit rund zwanzig Jahren die Mediation erfolgreich an. Nun hat Sie die Qualitäten von Schlichtung, Schiedsgutachten und Co. näher kennengelernt. Wir sprachen mit ihr über ihre Highlights und Aha-Momente der fünftägigen Schlichtungsausbildung und welche Rolle die außergerichtliche Streitbeilegung in ihrem anwaltlichen Alltag spielt.

Frau Stoldt, warum wollten Sie unbedingt „Schlichterin für Baustreitigkeiten“ werden?

Ich bin seit rund zwanzig Jahren als Mediatorin tätig und weiß aus Erfahrung, dass es äußerst vernünftig ist, bei Problemen und Konflikten auf der Baustelle frühzeitig einzuschreiten und andere Optionen als den Gang zum Gericht anzubieten. Daher wollte ich meinen Methodenkoffer erweitern. Zumal ein Schlichtungsverfahren verbindlicher ist als eine Mediation, die ohnehin häufig mit Meditation oder Wattebauschwerfen verwechselt wird (lacht).

Gab es einen echten „Aha-Moment“ im Seminar? Vielleicht auch zwei oder drei?

Erstmal fand ich spannend, die Mediation noch einmal aufzufrischen. Was ich am Schlichtungsverfahren sofort schätzen gelernt habe, ist die Tatsache, dass ich einen Gutachter hinzuziehen kann. Das ist bei der Mediation nicht so einfach möglich, in Bausachen aber immer extrem wichtig, um die technischen Aspekte detailliert zu beleuchten.

Was waren Ihre wichtigsten „Learnings“. Was können Sie jetzt besser als noch vor dem Seminar?

Klar gab es viele spannende Inhalte zu den einzelnen Verfahren. Mindestens ebenso wichtiger sind die Kontakte, die ich im Seminar knüpfen konnte. Wir haben als Gruppe fünf Tage zusammen verbracht und intensiv miteinander gelernt und gearbeitet. Das ist Gold wert, denn nun habe ich eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die ich zu dem Thema ansprechen und mit denen ich mich einfach mal informell austauschen kann.

Was waren Ihre persönlichen und fachlichen Highlights des Seminars?

Ich fand es super, dass wir detailliert durchgesprochen haben, wie man Vergleiche und Vereinbarungen schließt. Das war eine gute Ergänzung, die man täglich braucht, aber nicht im Studium lernt. Persönliches Highlight war auf jeden Fall das intensive Kennenlernen und der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen. Es war sehr erfrischend, so viele “Gleichgesinnte” zu treffen und gemeinsam die enge Sichtweise zwischen Anspruchsgrundlage und Einwendung zu verlassen. Ich freue mich auf den weiteren Kontakt mit meinen Alumnis (lacht).

Die SOBau bietet Mediation, Schiedsgutachten, schiedsrichterliches und Schlichtungsverfahren. Welches ist Ihre Lieblingsmethode und warum?

Das hängt vom Fall und den Beteiligten ab. Die Mediation baut auf die Eigenverantwortung der streitenden Parteien, die dann ihre eigene Lösung entwickeln. Wenn die Streitenden keine eigene Lösung finden, kann ich als Mediatorin auch schon mal einen Vorschlag machen. Die Schlichtung geht einen Schritt weiter. Hier kann die Schlichtungsperson einen Sachverständigen dazu holen und mit dessen Einschätzung einen Schlichtungsvorschlag entwickeln. Man kann auch beide Verfahren kombinieren, also mit der Mediation anfangen und mit der Schlichtung weitergehen. Beiden Methoden gemein ist ihre Unkompliziertheit. Das sieht beim schiedsrichterlichen Verfahren schon etwas anders aus. Wenn man dann auf der Gegenseite jemanden hat, der jede nicht auf Stoß geklebte Tapete als Mangel deklariert, kann das schon mal sehr kompliziert werden. Zumal man nicht die Möglichkeiten eines staatlichen Gerichts hat und etwa Fristen oder Ausschlussfristen setzen kann, um das Verfahren voranzutreiben. Dennoch haben Schiedsgutachten und Schiedsgericht ihre Qualitäten, die ich nun in geeigneten Fällen nutzen kann.

Welches Verfahren ist besonders geeignet für Baustreitigkeiten?

Verschiedene Verfahren passen in verschiedenen Situationen. Insofern ist es gut, mit der SOBau eine gewissen Bandbreite zur Verfügung zu haben. Wichtiger als das eigentliche Verfahren ist der Wille aller Beteiligten zu einer guten außergerichtlichen Lösung zu kommen.

Sie haben einen ersten Schlichtungsfall auf dem Tisch. Wie ist es Ihnen damit (bisher) ergangen?

Es ist keine Schlichtung im eigentlichen Sinne, dennoch sind wir auf dem besten Weg zu einer außergerichtlichen Einigung. Der Kollege auf der Gegenseite, Dr. Ulrich Böttger, den ich aus der Schlichtungsausbildung kenne, hat sich gemeldet, um die Sachlage zu besprechen und einen Vorschlag zu unterbreiten, der für beide Seiten in Ordnung ist. Das Schlichtungsverfahren ist eine völlig andere Herangehensweise als bei einer Gerichtsverhandlung, die jahrelange Auseinandersetzungen mit sich bringen und unendlich viel Zeit, Geld und Nerven verschlingen.

Zu welchem Zeitpunkt – im Konfliktfall oder auch vorbeugend – werden Sie die Verfahren einsetzen?

Sie können die Verfahren der SOBau jederzeit anwenden, sofern beiden Seiten grundsätzlich einverstanden sind, diesen Weg zu gehen. Am besten ist es, die SOBau als Ganzes oder einzelnen Verfahren daraus bereits im Bauvertrag zu vereinbaren. Das ist die beste Grundlage dafür, dass es im Falle eines Streits schnell zu einer Lösung kommt. Wenn ich bereits bei der Vertragsgestaltung dabei bin, spreche ich das Thema Mediation – und künftig auch die Schlichtung – auf jeden Fall an, um im besten Falle bereits Klauseln dazu in die Verträge aufzunehmen. Die Vorteile liegen einfach auf der Hand.

Frau Stoldt, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Claudia Stoldt

  • Rechtsanwältin

Schlichtungsausbildung nach SOBau 2020

Die Schlichtungsausbildung findet einmal jährlich im Frühjahr statt. Das Präsenz-Seminar ist auf fünf Tage ausgelegt, aufgeteilt in zwei Blöcke, die jeweils im Abstand von etwas vier Wochen stattfinden.

Die aktuellen Termine finden Sie auf der Webseite der SOBAU.

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