„In aller Regel haben Bauherren gute Chancen, ihre Ansprüche auf Schadenersatz wegen Bauverzögerung durchzusetzen – sofern diese vom Bauunternehmer zu vertreten ist und sie einige rechtliche Details beachten“, sagt Rechtsanwältin Dr. Birgit Franz. Im Interview erläutert die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein privaten Bauherren, worauf sie achten sollten, wenn das Bauen mal wieder länger dauert.
Frau Dr. Franz, warum sind pünktlich fertiggestellte Bauvorhaben in Deutschland die Ausnahme?
Viele Häuser werden nicht zum vereinbarten Termin fertiggestellt, weil mit den Bauleistungen regelmäßig begonnen wird, bevor eine vollständige, abgeschlossene Ausführungsplanung vorliegt. Das führt dazu, dass baubegleitend weiter geplant werden muss, was den Bauablauf natürlich beeinflusst und verzögert. Hinzu kommen Änderungs- und Sonderwünsche des Bauherrn, die ebenfalls die Bauausführung verlängern. Vor allem private Bauherren sind sich offensichtlich nicht der Tatsache bewusst, dass jegliche Ausführungswünsche, die erst nach Vertragsschluss vereinbart werden, die Bauzeit beeinflussen können. Allerdings ist das hierbei fehlende Wissen durchaus nachvollziehbar, da die meisten Privatleute höchstens einmal im Leben bauen.
Welche Rolle spielen dabei die derzeit knappen und teuren Baustoffe?
Zunächst machen die explodierenden Preise und die mangelnde Verfügbarkeit von Baustoffen allen Baubeteiligten zu schaffen. Diese Problematik führt oft zu Verzögerungen und auch Diskussionen auf der Baustelle. Die Bauunternehmen versuchen die gestiegenen Preise zumindest teilweise an ihre Kunden weiterzugeben. Bauherren sehen sich daher verstärkt nachträglichen Forderungen ausgesetzt, die sie natürlich ungern akzeptieren wollen – und zumeist auch nicht müssen. Denn das Risiko für Verfügbarkeit und Preis der Baustoffe trägt nach Bauvertragsabschluss bis zum vertraglichen Bauzeitende in der Regel der Unternehmer.
Was können Bauherren tun, damit die Bauzeit eingehalten wird? Gibt es „vorbeugende Maßnahmen“?
Natürlich sollte die Planung abgeschlossen sein, bevor mit dem Bau begonnen wird. Kommt es zu Sonderwünschen während der Bauphase, sollten vor der Ausführung daraus resultierende zeitliche Auswirkungen geklärt werden. Gegebenenfalls wird der Bauherr in Abhängigkeit der zeitlichen Folgen von dem Sonderwunsch Abstand nehmen. Daneben sollten konkrete Fertigstellungstermine bzw. Fristen vereinbart werden, so wie es das seit 2018 geltende neue Verbraucherbauvertragsrecht vorsieht. Bauherren sollten den Bauunternehmer verpflichten, vor Vertragsschluss in einem Terminplan darzustellen, wann welche Bauleistungen erbracht werden. Auf diese Art und Weise können die Bauherren die entsprechend fristgerechte Abwicklung des Bauvorhabens überwachen und gegebenenfalls zeitnah reagieren, wenn es zu Verzögerungen kommt.
Was raten Sie Bauherren, wenn es zu Bauverzögerungen kommt?
Kommt es zu einer Verzögerung der Bauleistung, die weder mit Sonderwünschen des Bauherrn oder einer lückenhaften Planung zu tun hat, so muss der Bauherr den Bauunternehmer zur Erbringung der Leistung mahnen. Um die Verzögerung und die sich daraus ergebenden bauzeitlichen Auswirkungen zu dokumentieren, sollte der Bautenstand festgehalten werden. Es sollte der Baufortschritt ebenso wie der Einsatz der Kapazitäten dokumentiert werden. Werden keine ausreichenden Kapazitäten eingesetzt, um die vereinbarte Bauzeit einzuhalten, sollte auch diesbezüglich eine Mahnung erfolgen.
Welche Ansprüche ergeben sich für Bauherren, wenn die Bauzeit nicht eingehalten wird?
Im Falle des Verzugs kann der Bauherr vom Unternehmen Schadensersatz beanspruchen. Beispielsweise kann der Bauherr die Erstattung der von ihm für ein Mietobjekt aufgrund des Verzugs nach wie vor zu leistende Miete als Schadensersatz geltend machen. Auch kann der Bauherr die Erstattung von Bereitstellungszinsen für den Baukredit verlangen. Im schlimmsten Fall kann der Bauherr auch die Reißleine ziehen und vom Vertrag zurücktreten. Das sollte aber die letzte Möglichkeit bleiben, da der Rücktritt rechtlich äußerst risikobehaftet ist
Wie gut stehen die Chancen, dass Bauherren ihre Ansprüche auch durchsetzen können?
Die Chancen für Bauherren stehen recht gut, um Ansprüche wegen Bauverzögerungen gegenüber den bauausführenden Unternehmen durchzusetzen. Wird ein vertraglich vereinbarter Fertigstellungstermin überschritten, greift eine gesetzliche Vermutung, dass das bauausführende Unternehmen dafür verantwortlich ist. Der Bauunternehmer muss daher beweisen, dass er die Verzögerung nicht verschuldet hat. Wird das Eigenheim nicht zum vereinbarten Termin fertig, genügt es folglich aus der Perspektive des Bauherrn, diese Bauverzögerung und die Inverzugsetzung des Unternehmers, die regelmäßig durch eine Mahnung erfolgen muss, darzulegen. Auch der Nachweis des durch den Verzug des Unternehmers entstandenen Schadens ist, beispielsweise durch einen Nachweis der weiter erforderlichen Zahlungen für die Mietwohnung, vergleichsweise unkompliziert.
Was ist zu beachten, wenn der ursprüngliche Fertigstellungstermin verstrichen ist?
Kommt es zu Verzögerungen der Bauausführung sollten sich Bauherr und Bauunternehmer über den neuen Fertigstellungstermin einigen. Dies schon deshalb, um hinsichtlich des sogenannten fortgeschriebenen Fertigstellungstermins Rechtssicherheit zu erlangen. Verzögert sich beispielsweise die Bauleistung wegen Sonderwünschen des Bauherrn hat der Unternehmer einen Anspruch auf Bauzeitverlängerung, so dass sich der Fertigstellungstermin verschiebt. Der Unternehmer kommt in diesen Fällen nur dann in Leistungsverzug, wenn er nach dem entsprechend verschobenen Fertigstellungstermin gemahnt wurde. Ist der neue Fertigstellungstermin zwischen den Bauvertragsparteien strittig, bleibt unklar, wann eine verzugsbegründende Mahnung erfolgen kann. Denn die Mahnung muss zwingend nach Eintritt des Verzugs, sprich nach Verstreichen des verzögerten Termins, erfolgen. Dem Bauherrn kann in solchen Fällen nur empfohlen werden, eine erste Mahnung nach dem Termin auszusprechen, den er als neuen Fertigstellungstermin sieht und sodann vorsorglich in regelmäßigen Abständen die Mahnung zu wiederholen. So kann der Bauherr sicherstellen, dass eine seiner Mahnungen zeitnah zu dem Fertigstellungstermin erfolgt, der am Ende gerichtlich festgestellt wird.
Bauherren haben also gute Chancen ihre bauzeitlichen Ansprüche durchzusetzen. Sollten Sie dies im Ernstfall auch vor Gericht tun?
Der Gang zum Gericht sollte nur als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Denn ein Streit vor staatlichen Gerichten ist kostspielig und dauert meist sehr lange. Gerade mit dem Bauen unerfahrene private Bauherren sollten schon bei der Vertragsgestaltung, spätestens aber dann, wenn die Bauabwicklung nicht ohne Probleme abläuft, eine Baurechtsanwältin oder einen Baurechtsanwalt hinzuziehen. Die Kosten für die baurechtliche Beratung sind im Vergleich zu den Baukosten für das Eigenheim überschaubar und vor allem im Verhältnis zum Nutzen allemal gerechtfertigt. Überdies empfehlen wir, die Streitschlichtung oder auch ein schiedsgerichtliches Verfahren bereits im Bauvertrag zu vereinbaren. Hierdurch wird sichergestellt, dass entsprechend fachkundige Baujuristen zu Rate gezogen werden können.
Frau Dr. Franz, wie danken Ihnen für das Gespräch!
Rechtsanwältin Dr. Birgit Franz
- Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
- Vorsitzende der ARGE Baurecht im Deutschen Anwaltverein