Aus eins macht zwei (oder drei)

Baugrund ist knapp: Abriss des Bestandes mit nachfolgendem Neubau, grundlegender Umbau oder Nachverdichtung – es gibt viele Möglichkeiten, Immobilien optimal zu nutzen und genauso viele Dinge, die dabei zu beachten sind. Rechtanwalt Martin Voigtmann und Rechtsanwalt Joachim Kloos erläutern, worauf es dabei ankommt.

Unser Nachbar ist ein sprichwörtlicher Glückspilz. Er erbte im vergangenen Jahr ein mit einem zweistöckigen Reihenhaus bebautes Grundstück im Leipziger Waldstraßenviertel. Das Waldstraßenviertel ist eines der größten erhaltenen Gründerzeitviertel in Europa, zeichnet sich durch seine meist fünf- bis sechsstöckige Bebauung der Grundstücke unmittelbar an der Straße und große Quartiersinnenhöfe aus. Aus dieser Bebauung sticht das Grundstück unseres Nachbarn hervor, denn aufgrund der teilweisen Zerstörung in den Kriegsjahren und dem ausgebliebenen Wiederaufbau steht darauf lediglich eine zweigeschossige, eher als „lieblos“ zu bezeichnende Flachdachbebauung.

Vor der Frage, was man mit einem solchen Grundstück anfangen kann, stand nicht nur unser Nachbar. Die Bauträger- und Projektentwicklerbranche hat im Wohn- und Gewerbeimmobilienbereich seit jeher das Hauptstandbein auf der Entwicklung derartiger innerstädtischer Grundstücke. Am Beispiel Leipzig kann man sehen, dass dies gut und wichtig für den Wiederaufbau der Stadt war und noch immer ist.

Das Potenzial des Grundstücks

Es ist kein Geheimnis, dass Wohn- und Gewerberaummietflächen im innerstädtischen Bereich weiterhin sehr begehrt sind. Dies dürfte aller Voraussicht nach auch trotzzu erwartender Auswirkungen der Corona-Krise auf den Immobilienmarkt gelten. Die Zuzugszahlen vom Land in die größeren Städte und Ballungsräume steigen seit Jahren kontinuierlich. Dadurch wird das Angebot an Mietflächen knapp, die Mieten steigen und die Politik versucht mit sozialen Erhaltungssatzungen, Mietpreisbremsen etc. wie Don Quijote gegen die Windmühlen anzukämpfen. Gleichzeitig wird aber erkannt, dass ein Ausweg nur durch Erhöhung des Angebotes gelingen kann. Freilich wird dieser Neubau auch auf dem flachen Land am Stadtrand geschaffen. Nachgefragt, teuer und damit lukrativ ist jedoch der Neubau in innerstädtischer Lage.

Um aus dem eigenen Grundstück entsprechendes Kapital schlagen zu können, wird sich jeder interessierte Eigentümer früher oder später die Frage stellen, ob sich auch sein Grundstück und die sich darauf befindliche Bebauung für eine Nachverdichtung eignen. Dabei gilt für gewerbliche Player ebenso wie für Privatpersonen, die durch Erwerb oder durch Erbfolge Eigentümer eines innerstädtischen Grundstücks geworden sind oder werden (wollen): Sofern der Gebäudebestand nicht mehr zu retten ist, wird über Abriss und Neuerrichtung gesprochen, oftmals über Sanierungsmaßnahmen und immer öfter über Nachverdichtung und Dachgeschossausbau.

Nutzung optimieren

Die Nachverdichtung bestehender innerstädtischer Bebauung bedeutet, sowohl brachliegende Grundstücke zu entwickeln, aber auch bereits genutzte Grundstücke eineranderen Nutzungsart zuzuführen oder bereits bebaute Grundstücke daraufhin zu überprüfen, ob die bauplanungsrechtlich zulässige Maximalbebauung bereits erreicht ist, und diese gegebenenfalls vollumfänglich auszuschöpfen. Eine besondere Art der Nachverdichtung, in der auf die weitere Versiegelung von Flächen verzichtet werden kann, ist der Dachgeschossausbau. Was ist bei der Prüfung der Möglichkeiten und Grenzen der Nachverdichtung zu beachten? Die Nachverdichtung ist nur im Rahmen der vorgegebenen bauplanungsrechtlichen sowie bauordnungsrechtlichen Grenzen zulässig.

Im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, also eines solchen, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist (vgl. § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch - BauGB). In Gebieten, in denen ein qualifizierter Bebauungsplan existiert, ist deshalb zu prüfen, ob dieser eine Ausweitung der vorhandenen Grundstücksbebauung zulässt, oder ob beispielsweise das sogenannte „Maß der baulichen Nutzung“ bereits ausgeschöpft ist.

Maßgebend: Bebauungsplan

Darunter versteht man verschiedene technisch-mathematische Vorgaben zur Steuerung der Dimension von Gebäuden, etwa die Zahl der Vollgeschosse oder das Verhältnis der Baumasse zur Grundstücksgröße. Dadurch soll erreicht werden, dass Neubau, aber auch bauliche Änderungen wie Nachverdichtungen zum städtebaulichen Ziel des qualifizierten Bebauungsplanes „passen“. Darüber ob es für ein bestimmtes Grundstück einen qualifizierten Bebauungsplan gibt, erteilt die jeweilige Stadt oder Gemeinde Auskunft. Beim kommunalen Bauamt kann der Plan auch eingesehen oder Kopien angefordert werden. Heutzutage bietet aber auch das Internet schnellen Zugriff. In sogenannten „Geoportalen“ finden sich Informationen über Bebauungspläne und andere gemeindliche Satzungen, die für Nachverdichtung ebenfalls relevant sein können (sogenannte Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen).

Unser Nachbar informiert sich in Leipzig online im „Themenstadtplan“. Stößt er dabei übrigens auf kritische Vorgaben, so muss für seine Überlegungen noch nicht aller Tage Abend sein. Führt eine geplante Nachverdichtung nur zu geringfügigen Überschreitungen von Festsetzungen des Bebauungsplanes, ist es möglich, eine Ausnahme oder Befreiung nach § 31 BauGB zu beantragen. Wichtig ist, dass die Ziele der Bebauungsplanung grundsätzlich eingehalten werden. Die Ziele ergeben sich aus der schriftlichen Begründung des Planes. Wurde für das Baugebiet kein Bebauungsplan verabschiedet oder enthält er nicht mindestens die vorgenannten Angaben, richtet sich die Zulässigkeit von Nachverdichtungsmaßnahmen allein nach dem Gesetz, konkret für Innenbereiche nach § 34 BauGB. In solchen, also innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen – also regelmäßig in Innenstadtlagen, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Dies bedeutet, dass sich die Grundstücksbebauung an die Bebauung der Nachbargrundstücke anlehnen muss. Außerdem muss die Erschließung gesichert sein.

 


 

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Der Beitrag „Aus eins mach zwei (oder drei)“ erschien zuerst in der Zeitschrift „bauen 6-7/2020“. Lesen Sie hier den vollständigen Artikel online.

 

Rechtsanwalt Martin Voigtmann ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Mitglied der ARGE Baurecht.

Rechtsanwalt Joachim Kloos  ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht.