Überwachungsfehler kann ohne "Überwachungstagebuch" nicht widerlegt werden!

OLG Köln, Urteil vom 11.01.2024 - 7 U 39/23; BGH, Beschluss vom 04.09.2024 - VII ZR 34/24 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB § 280 Abs. 1, §§ 633, 634 Nr. 4

1. Ein Bauwerksmangel kann einen Anscheinsbeweis für einen Bauüberwachungsfehler nur dann begründen, wenn es sich um Bauarbeiten handelt, die einer umfangreichen Bauaufsicht des Architekten bedürfen (hier bejaht für Dachdeckerarbeiten).

2. Die Erschütterung des Anscheinsbeweises bedarf substantiierten Vortrags dazu, wann der bauüberwachende Architekt was kontrolliert hat.

3. Verkörpern sich Planungs- oder Überwachungsfehler im Bauwerk, kann der Auftraggeber Vorschuss zur Vorfinanzierung der Mängelbeseitigungskosten verlangen.

 

OLG Köln, Urteil vom 11.01.2024 - 7 U 39/23; BGH, Beschluss vom 04.09.2024 - VII ZR 34/24 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB § 280 Abs. 1, §§ 633, 634 Nr. 4

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Architekten (A) im Jahr 2011 mit den Leistungsphasen 1 bis 8 nach HOAI für den Neubau einer Unternehmervilla. Nach Abschluss der Arbeiten wurden die Leistungen des Architekten im Jahr 2016 abgenommen und schlussgerechnet. Im Mai 2018 rügte der AG erstmals Feuchtigkeitsschäden an der Dachuntersicht, die A zurückwies.

Daraufhin leitete der AG ein selbständiges Beweisverfahren ein und verklagte nach dessen Abschluss den A auf Zahlung eines schadensgleichen Vorschusses für die Mängelbeseitigung. Gegen das vollumfänglich klagestattgebende Urteil des Landgerichts wendet sich die Berufung des A.


Entscheidung

Ohne Erfolg! Der AG hat einen Anspruch gegen A auf Zahlung eines Kostenvorschusses i.H.v. 258.308,54 Euro. Die Planung der Dachkonstruktion ist mangelhaft. Sie entspricht nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, weil der von A geplante gedämmte, jedoch ungeheizte Spitzboden weder den an einen kalten Dachraum noch den an einen warmen Dachraum zu stellenden Anforderungen genügt.

Daneben sind auch Überwachungsfehler festzustellen. Die Bauwerksmängel bestehen u.a darin, dass beide Dampfbremsen an unverputztes Mauerwerk angeschlossen waren, dass die untere Dampfbremse nicht abgedichtete Durchdringungen durch Rohre und Kabel aufwies, dass die Dachschalung bereits beim Einbau partiell feucht war und dass die eingebrachten Dampfbremsen nicht den erforderlichen bauaufsichtlichen Verwendungsnachweis besaßen.

Aufgrund dieser Baumängel spricht der erste Anschein dafür, dass A einen Bauüberwachungsfehler begangen hat. Dieser kann nur bei Mängeln an Arbeiten angenommen werden, die in jedem Fall einer umfangreichen Bauaufsicht des Architekten bedürfen. Das war bei den hier streitgegenständlichen Dachdeckerarbeiten, die u.a. die Ausführung von Dampfsperrbahnen und einer Wärmedämmung beinhalteten, der Fall, weil es sich dabei um schwierige und gefahrträchtige Arbeiten handelte.

Die vorbezeichneten Mängel wären bei gebotener Überwachung der Dachdeckerarbeiten ohne weiteres erkennbar gewesen. Den Anscheinsbeweis hat A nicht erschüttert. Es fehlt detaillierter Vortrag zu den vorgenommenen Kontrollen. Da sich die Planungs- und Überwachungsfehler im Dach des Bauwerks verkörpert haben, kann der AG Vorschuss zur Finanzierung der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten verlangen. Dieser umfasst auch solche Kosten, die für die Beseitigung von Schäden am Dach anfallen werden, die erst infolge der nicht regelgerechten Dachkonstruktion, der nicht luftdicht angeschlossenen Dampfbremsen und der partiell feuchten Teile der Dachschalung entstanden sind.


Praxishinweis

Architekten sind gut beraten, nicht nur - im Rahmen ihrer Leistungspflichten - den Bauablauf zu dokumentieren (Bautagebuch), sondern auch die unternommenen Überwachungsmaßnahmen ("Überwachungstagebuch"). Denn ohne eine belastbare Dokumentation ist es nahezu unmöglich, den von der Rechtsprechung konstruierten Anscheinsbeweis zu erschüttern.

 

RA Thomas Ryll, Ludwigshafen

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