Sekundärhaftung des Bauüberwachers: Auftraggeber ist darlegungs- und beweisbelastet!

OLG Naumburg, Urteil vom 25.06.2022 - 2 U 63/18; BGH, Beschluss vom 25.10.2023 - VII ZR 187/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 204, 214, 633, 634; VOB/B § 13 Abs. 5

1. Ist die sog. Sekundärhaftung begründet, so führt sie dazu, dass sich der Architekt bzw. der Ingenieur nicht auf die Einrede der Verjährung des gegen ihn gerichteten Gewährleistungsanspruchs berufen darf.
2. Eine Sekundärhaftung des Bauüberwachers kommt insbesondere dann in Betracht, wenn er es nach dem Auftreten einer konkreten Mangelerscheinung unterlässt, deren Ursachen entschieden und ohne Rücksicht auf eine mögliche eigene Haftung nachzugehen, und dadurch dem Bauherrn nicht rechtzeitig vor dem Eintritt der Verjährung der Gewährleistungsansprüche ein zutreffendes Bild der Schadensbehebung zu verschaffen.
3. Die Darlegungs- und Beweislast für die Sekundärhaftung trägt der Auftraggeber.

OLG Naumburg, Urteil vom 25.06.2022 - 2 U 63/18; BGH, Beschluss vom 25.10.2023 - VII ZR 187/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB §§ 204214633634; VOB/B § 13 Abs. 5

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Ingenieur mit Planungs- und Überwachungsleistungen der Technischen Ausrüstung bis einschließlich Leistungsphase 9 (HOAI 1996) für die Errichtung eines Blockheizkraftwerks. Nachdem die Anlage verschiedene Mängel zeigte, verklagte der AG neben dem bauausführenden Unternehmen auch den Ingenieur auf Schadensersatz. Der Ingenieur hafte, weil u. a. die Objektüberwachung mangelhaft gewesen sei. Das Landgericht wies die Klage wegen eingetretener Verjährung ab. Der AG wendet sich mit der Berufung gegen das klageabweisende Urteil und trägt vor, die Verjährung sei nicht eingetreten, weil ein unverjährter Sekundärhaftungsanspruch bestehe.

Entscheidung

Das OLG Naumburg bestätigt die vorinstanzliche Entscheidung und weist die Klage wegen Verjährung der Mängelhaftungsansprüche ab! Das Gericht setzt sich zunächst im Einzelnen mit Beginn und Ende der Verjährungsfrist auseinander, um sich schließlich der Frage zuzuwenden, ob die Berufung auf die Einrede der Verjährung wegen der sog. Sekundärhaftung des Ingenieurs ausgeschlossen ist. Anknüpfungspunkt für die Sekundärhaftung sei die Sachwalterstellung des Architekten/Ingenieurs für den Bauherrn. Diese gebiete es, dem Bauherrn im Laufe der Mängelursachenprüfung auch Mängel des eigenen Werks zu offenbaren, so dass der Bauherr seine Auftraggeberrechte auch gegen den Bauüberwacher rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung wahrnehmen könne. Dem umfassend mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten/Ingenieur obliege im Rahmen seiner Betreuungsaufgaben nicht nur die Wahrung der Auftraggeberrechte gegenüber dem Bauunternehmer, sondern auch und zunächst die objektive Klärung von Mangelursachen, selbst wenn zu diesen eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehörten. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete AG habe indessen keinen hinreichenden Sachvortrag gehalten, um die Sekundärhaftung zu begründen.

Praxishinweis

Ob die Grundsätze der Sekundärhaftung in diesem Fall überhaupt Anwendung finden, hätte angesichts der Stellung des Ingenieurs als Fachplaner der Technischen Ausrüstung hinterfragt werden können. Der BGH hat der Anwendung dieser Grundsätze auf Sonderfachleute einen Riegel vorgeschoben (IBR 2011, 589). Ungeachtet dessen sind Architekten und Ingenieure aufgrund der im Urteil beschriebenen Pflichtenlage gut beraten, Mängelursachen sorgfältig zu prüfen. Insbesondere bleiben die Pflichten unvermindert bestehen, wenn die Leistungsphase 9 nicht beauftragt wird. Dieser Umstand sollte Architekten/Ingenieure nicht dazu verleiten, bei nach Abnahme der Bauleistungen auftretenden Gewährleistungsmängeln die Hände in den Schoß zu legen und der Verjährung entgegenzusehen.

RA Thomas Ryll, Ludwigshafen