Zur Sekundärhaftung des Architekten

OLG Brandenburg, Urteil vom 01.12.2022 - 12 U 199/21 BGB a.F. §§ 633, 634, 639; BGB § 634 a Abs. 1 Nr. 2; HOAI a.F. § 15 Abs. 2, §§ 64, 78

1. Ein Anspruch des Bauherrn auf Schadensersatz wegen Planungs- und/oder Bauüberwachungsfehlern setzt den Abschluss eines Architektenvertrages oder zumindest die tatsächliche Übernahme der Bauaufsicht voraus (hier für die Bauüberwachung über den Bereich Rohbau hinaus verneint.
2. Der mit der Überwachung der Errichtung eines Rohbaus beauftragte Architekt hat auch die Herstellung der Bodenplatte/Keller einschließlich der Abdichtung zu überwachen. Dazu gehört die Aufsicht über die Ausführung von Mängelbeseitigungsarbeiten.
3. Dem Überwacher obliegt im Rahmen seiner Betreuungsaufgabe nicht nur die Wahrung der Rechte des Bauherrn (Auftraggebers) gegenüber dem Bauunternehmen, sondern auch und zunächst die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn zu diesen eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören.
4. Eine Vertragsverletzung durch pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung, mit der der Bauüberwacher möglicherweise die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche herbeiführt, begründet einen weiteren Schadensersatzanspruch dahin, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt.

OLG Brandenburg, Urteil vom 01.12.2022 - 12 U 199/21

BGB a.F. §§ 633634639; BGB § 634 a Abs. 1 Nr. 2; HOAI a.F. § 15 Abs. 2, §§ 64, 78

 

Problem/Sachverhalt

Die klagenden Bauherren (B) nehmen den Architekten (A) als Bauleiter und Statiker auf Schadensersatz wegen Planungs- und Überwachungsfehlern bei verschiedenen Gewerken (Rohbau, Dach, Trockenbau) zur Erstellung eines Landhauses in einer Gesamthöhe von 425.768,12 Euro nebst Zinsen in Anspruch. Die B beauftragten A auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrags vom 24.11.1999 mit den Leistungsphasen 1 bis 4 der Tragwerksplanung sowie der Erstellung eines Wärmeschutznachweises. Darüber hinaus beauftragten die B den A mündlich mit der Erstellung der Genehmigungsplanung gemäß der Leistungsphasen 1 bis 4 des § 15 Abs. 2 HOAI a.F., mit der Erstellung einer Ausführungsplanung für das Tragwerk, mit der Erstellung einer Ausführungsplanung für den Rohbau, mit der Bauüberwachung für die Erstellung eines Daches und mit der Durchführung von Abnahmeterminen für diese Gewerke. Zudem vermittelte A den B auch die dann mit der Bauausführung beauftragten Unternehmen, wie Fliesenleger, Fensterbauer, Elektriker etc. und war zur Klärung von Detailfragen auf der Baustelle tätig. Noch vor Bezug des Hauses wiesen die B den A auf Mängel an der Kellerabdichtung hin. Es trat Wasser in den Keller ein. A erkannte insoweit seine Verantwortlichkeit als Bauüberwacher an und zeigte den Schaden seiner Haftpflichtversicherung an. Diese regulierte den Schaden. Mit der Mängelbeseitigung wurde ein Drittunternehmen beauftragt, das die Abdichtung im Wesentlichen neu herstellte, in dem es eine zweite Abdichtung auf die bereits vorhandene aufbrachte. Im September 2001 bezogen die B schließlich das Haus und zeigten gegenüber A noch im Jahr 2001 erneut einen Wasserschaden an. A verwies auf Trocknungsmaßnahmen, die den Wasserschaden verursacht hätten sowie auf eine nicht ordnungsgemäße Abdichtung der Kellertreppe. Die B haben im Jahr 2005 zwei selbständige Beweisverfahren eingeleitet. Das eine selbständige Beweisverfahren hatte die Bauwerksabdichtung zum Gegenstand. Das andere selbständige Beweisverfahren beschäftigte sich mit Mängeln im Bereich des Trockenbaus und des Daches. Schließlich reichten die B am 24.09.2010 eine Klage ein. Diese richtet sich sowohl gegen A als auch gegen die jeweils bauausführenden Unternehmen. A verteidigt sich u. a. mit der Einrede der Verjährung. Das Landgericht verurteilte A als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz im Bereich des Komplexes "Dach" i.H.v. 36.737,01 Euro. In Bezug auf die Kellerabdichtung wies das Landgericht die gegen A gerichtete Klage ab. Dazu hat das Landgericht die Ansicht vertreten, die Forderung sei verjährt. Dagegen richtet sich die Berufung.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Die Entscheidung entspricht der Rechtsprechung des BGH. Das OLG hat sich zwar u. a. mit der Frage der Verjährung der Schadensersatzansprüche gegen A unter dem Gesichtspunkt der Sekundärhaftung auseinandergesetzt und entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BGH ausgeführt, der bauüberwachende Architekt sei verpflichtet, den Bauherrn bei der Untersuchung und Behebung eines Baumangels sowie bei der Durchsetzung der Ansprüche gegen die anderen Bau- und Planungsbeteiligten zur Seite zu stehen, die Verjährung aber gleichwohl angenommen. Eine Vertragsverletzung durch pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung, mit der der bauüberwachende Architekt möglicherweise die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche herbeiführt, begründet einen weiteren Schadensersatzanspruch zu Gunsten des Bauherrn dahingehend, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt. Im Anschluss hat sich das OLG mit der Frage der Verjährung dieses Schadensersatzanspruchs beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gelangt, die Verjährungsfrist richte sich nach dem ab dem 01.01.2002 geltenden Verjährungsrecht, so dass die §§ 195199 Abs. 1 BGB anzuwenden seien. Die Regelung des § 634a BGB komme also nicht zur Anwendung. Unter Berücksichtigung der Allgemeinen Verjährungsregelungen der §§ 195199 BGB sei die Forderung in weiten Teilen verjährt.

Praxishinweis

Den Architekten trifft eine umfangreiche Aufklärungspflicht. Er muss auch ungefragt über eigene Fehler Auskunft erteilen. Die Rechtsprechung hat diese Aufklärungspflicht auch auf Überwachungsfehler erstreckt. (BGH, Urteil vom 06.07.2000 - VII ZR 82/98IBRRS 2000, 0847). Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten bisher nur für den Architekten, in seiner Funktion als Sachwalter des Bauherrn.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Achim Hering, Hamm

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