Architekt muss die aktuellste Arbeitsstättenverordnung beachten!

OLG Brandenburg, Urteil vom 27.01.2021 - 4 U 86/19 BGB § 280 Abs. 1, §§ 389, 631, 633 Abs. 2 Satz 1, § 634 Nr. 4; HOAI 2009 § 15 Abs. 1

1. Der planende und bauüberwachende Architekt hat die anerkannten Regeln der Technik ebenso wie die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen zu beachten. Zu Letzteren zählen auch die erteilte Baugenehmigung und die darin enthaltenen Auflagen.
2. Der Architekt hat das Bauwerk so zu planen, dass es sich für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck eignet, und die Erfordernisse zu beachten, die sich aus dem ihm bekannten Nutzungszweck ergeben. Dabei hat er auch die Anforderungen des Arbeitsschutzes zu beachten, soweit sie durch bauliche Maßnahmen zu erfüllen sind.
3. Für die Frage der Mangelhaftigkeit von Architektenleistungen ist nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder der Baugenehmigung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Abnahme des Bauwerks.
4. Ändern sich die anerkannten Regeln der Technik oder Anforderungen an den Arbeitsschutz nach Abschluss des Architektenvertrags, hat der Architekt den Auftraggeber hierauf unmissverständlich hinzuweisen.

OLG Brandenburg, Urteil vom 27.01.2021 - 4 U 86/19

BGB § 280 Abs. 1, §§ 389, 631, 633 Abs. 2 Satz 1, § 634 Nr. 4; HOAI 2009 § 15 Abs. 1

 

Problem/Sachverhalt

Der Architekt macht Honorar für den Neubau eines Universitätsgebäudes mit Rechenzentrum geltend. Das Land verteidigt sich aufrechnungsweise mit Schadensersatzansprüchen auf Vorfinanzierung der Kosten für die Beseitigung von Planungsmängeln infolge einer Nichteinhaltung der Anforderungen des Arbeitsschutzes an die Raumbelüftung wegen unzureichender Lüftungsquerschnitte.

Entscheidung

Mit Erfolg! Die berechtigten und vom Gericht geschätzten Gegenansprüche übersteigen das Honorar. Der geplante Neubau weist Mängel der Belüftung des Lehrgebäudes auf, die auf einer unzureichenden Berücksichtigung der Regeln des Arbeitsschutzes beruhen. Die planende Tätigkeit des Architekten dient der Erstellung des Bauwerks. Daher hat er mit seinen Plänen dafür zu sorgen, dass das Bauwerk frei von Mängeln entsteht und zur Vollendung kommt (BGH, Urteil vom 29.09.1988 - VII ZR 182/87). Der planende und überwachende Architekt hat die anerkannten Regeln der Technik sowie die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen zu beachten. Zu den behördlichen Bestimmungen zählen auch die erteilte Baugenehmigung und die darin etwa enthaltenen Auflagen (BGH, IBR 1998, 147). Zudem besteht die Verpflichtung, ein Bauwerk so zu planen, dass es sich für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck eignet (§ 633 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dabei sind die Erfordernisse zu beachten, die sich aus dem Nutzungszweck des Gebäudes ergeben, wozu - vorliegend unstreitig - auch die Anforderungen des Arbeitsschutzes gehören, soweit sie durch bauliche Maßnahmen zu erfüllen sind. Stellt man für die Frage der Mangelhaftigkeit auf die Eignung zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzungszweck ab, ist auf die zum Zeitpunkt der Abnahme des Bauwerks geltenden Technischen Regeln - hier für die Lüftung von Arbeitsstätten - abzustellen. Diese wurden nicht eingehalten und das Land hat deshalb die Abnahme zu Recht verweigert.

Praxishinweis

Wie das OLG zutreffend ausführt, kann der Bauherr eines Neubaus erwarten, dass seine Beschäftigten in den geplanten Arbeitsräumen arbeiten können, ohne dass er sich damit rechtfertigen muss, dass durch andere Maßnahmen als die Einhaltung der technischen Regeln, z. B. durch manuelle Querlüftung bei jedem Wetter, der gleiche Schutz der Gesundheit der Beschäftigten erreicht wird. In Zeiten der COVID-19-Pandemie eine umso nachvollziehbarere Begründung.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dominik Boisserée, Köln

© id Verlag