Commercial Courts: Mehr Schlagkraft für die Justiz im Wirtschaftsrecht

Zum 1. April 2025 tritt das Justizstandort-Stärkungsgesetz in Kraft. Mit ihm führt der Gesetzgeber die sogenannten Commercial Courts ein – spezialisierte Spruchkörper für internationale und wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten. Was steckt dahinter? Und was bedeutet das für das private Baurecht?

Mehr Effizienz, Spezialisierung und internationale Wettbewerbsfähigkeit 

Der internationale Rechtsverkehr wächst – und mit ihm der Bedarf nach spezialisierten, effizienten und mehrsprachigen Verfahren. Der deutsche Gesetzgeber reagiert mit dem Gesetz zur Stärkung des Justizstandorts Deutschland (kurz: Justizstandort-Stärkungsgesetz, BGBl. I 2024, Nr. 302). 

Zentrales Element des Gesetzes ist die Einführung von Commercial Courts und Commercial Chambers. Sie ermöglichen einen englischsprachigen Verfahrenszug von der ersten bis zur letzten Instanz – ein Novum im deutschen Zivilprozessrecht. Ziel ist es, Unternehmen in grenzüberschreitenden oder hochkomplexen Streitigkeiten eine leistungsfähige, attraktive Alternative zur Schiedsgerichtsbarkeit zu bieten – öffentlich, effizient und rechtssicher. 

 

Rechtsgrundlage: Neue Vorschriften in der ZPO 

Die Commercial Courts sind in einem neuen Abschnitt der Zivilprozessordnung geregelt: §§ 610 bis 614 ZPO-neu. Diese Vorschriften bilden den verfahrensrechtlichen Rahmen für: 

  • die einvernehmliche Wahl der englischen Verfahrenssprache 
  • die Zuständigkeit spezieller Kammern und Senate, die von den Ländern eingerichtet werden können 
  • die Möglichkeit, das gesamte Verfahren – inklusive Berufung und Revision – auf Englisch zu führen 
  • die Einbindung Dritter (z. B. durch Streitverkündung) in englischsprachige Verfahren 
  • die richterliche Möglichkeit, aus wichtigen Gründen die Rückkehr zur deutschen Sprache anzuordnen 

Damit schafft der Gesetzgeber eine neue Struktur innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, ohne deren Grundsätze in Frage zu stellen – im Gegenteil: Die Verfahren bleiben öffentlich, mit gesetzlich geregelter Instanzenfolge, vollstreckbar und revisionsfähig. 

 

Zentrale Merkmale der Commercial Courts 

  • Zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen (ausgenommen z. B. gewerblicher Rechtsschutz) 
  • Einvernehmliche Verfahrenswahl der Parteien erforderlich 
  • Ab einem Streitwert von 500.000 Euro kann direkt beim OLG (Commercial Court) geklagt werden 
  • Verhandlung und Urteile vollständig auf Englisch möglich 
  • Englischer Instanzenzug bis zum Bundesgerichtshof 
  • Spezialisierte Richterinnen und Richter mit wirtschaftsrechtlichem Fokus 

 

Warum Commercial Courts? Die Perspektive der Praxis 

In der Vergangenheit haben sich viele Unternehmen gegen den ordentlichen Rechtsweg entschieden – zu langsam, zu unflexibel, zu wenig wirtschaftsnah. Gerade im Bereich des Bau- und Architektenrechts, bei Unternehmenskäufen oder gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten mit hoher wirtschaftlicher Tragweite, wich man häufig auf Schiedsgerichte aus. 

Doch auch Schiedsverfahren haben Schwächen: hohe Kosten, mangelnde Transparenz und eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten. Die Commercial Courts sollen dieses Vakuum schließen – und dem Justizstandort Deutschland wieder größere internationale Sichtbarkeit und Attraktivität verleihen. 

 

Startklar in mehreren Bundesländern – auch für das Baurecht 

Mehrere Bundesländer nutzen die Öffnungsklauseln des Gesetzes. In Nordrhein-Westfalen wird zum 1. April 2025 ein besonders praxisrelevanter Commercial Court geschaffen: 
Ein Commercial Court-Senat für Bau- und Architektensachen am Oberlandesgericht Düsseldorf, zuständig für ganz NRW. Dort können komplexe Bauprozesse mit hohem Streitwert künftig hoch spezialisiert, zügig und auf Wunsch auch auf Englisch geführt werden. Die Leitung des neuen Senats übernimmt Dr. Tobias Rodemann.

Die ARGE Baurecht begrüßt diese Entwicklung ausdrücklich. Gerade im Baurecht – mit seinen komplexen Sachverhalten, interdisziplinären Fragen und langen Prozessdauern – kann ein spezialisierter Gerichtszweig erheblich zur Qualität und Effizienz der Rechtsfindung beitragen. 

 

Weiterführende Links 

Gesetzestext im Bundesgesetzblatt: BGBl. I 2024 Nr. 302 

LinkedIn-Beitrag des OLG Düsseldorf zum Start der Commercial Courts