Klage auf § 650f BGB-Sicherheit: Gericht kann Abschlag vornehmen!

KG, Urteil vom 08.11.2022 - 21 U 142/21 (nicht rechtskräftig) BGB §§ 648, 650f; ZPO § 287 Abs. 2

1. Klagt ein Bauunternehmer auf eine Sicherheitsleistung gem. § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB, deren Höhe zwischen den Parteien umstritten ist, so ist sie durch das Gericht ohne Beweisaufnahme nach freier Überzeugung festzusetzen (§ 287 Abs. 2 ZPO). Dabei kann das Gericht auch auf einen Betrag erkennen, der geringer ist als die vom Unternehmer schlüssig dargelegte Vergütungsforderung.*)
2. Bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung nach Kündigung des Bauvertrags ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich der Besteller nicht auf einen wichtigen Kündigungsgrund berufen kann; im Ausnahmefall kann aber anderes gelten.*)
3. Die schlüssige Darlegung der großen Kündigungsvergütung gem. § 648 BGB bzw. § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB setzt nicht voraus, dass der Werkunternehmer Angaben zu seinem anderweitigen Erwerb macht.*)
4. Die Möglichkeit, dass der Werkunternehmer durch den anderweitigen Einsatz seines kündigungsbedingt freigesetzten Personals Umsätze erzielen konnte, die auf seine Kündigungsvergütung anzurechnen sind, kann es rechtfertigen, einen Abschlag von seinem Sicherungsanspruch vorzunehmen.*)

KG, Urteil vom 08.11.2022 - 21 U 142/21 (nicht rechtskräftig)

BGB §§ 648, 650f; ZPO § 287 Abs. 2

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) verlangt vom Auftraggeber (AG) die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit i.H.v. ca. 5 Mio. Euro für offene Vergütung. Nach fruchtlosem Fristablauf stellt er die Leistungen ein und klagt auf Stellung einer Sicherheit i.H.v. ca. 2 Mio. Euro. Der AG kündigt im Prozess den Bauvertrag aus wichtigem Grund. Am selben Tag kündigt auch der AN gem. § 650f Abs. 5 BGB. Der AN legt eine schlüssige Abrechnung seiner Kündigungsvergütung vor. Der AG bestreitet Grund und Höhe.

Entscheidung

Der AN hat Anspruch auf Sicherheitsleistung! Dieser Anspruch scheitert nicht daran, dass beide Parteien die Kündigung des Bauvertrags erklärt haben. Ist im Rahmen einer Klage aus § 650f Abs. 1 BGB die Höhe der Vergütung umstritten, ist es zulässig und in aller Regel auch geboten, dass das Gericht die Sicherheitsleistung, zu der sie den AG verurteilt, in freier Überzeugung gem. § 287 Abs. 2 ZPO festsetzt. Dabei ist die schlüssige Darlegung des Vergütungsanspruchs nur der Ausgangspunkt für die Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung, die sodann auf dieser Grundlage durch das Gericht nach freier Überzeugung festzusetzen ist. Dies hat zur Konsequenz, dass das Gericht dem AN auch eine Sicherheitsleistung zusprechen kann, die eine geringere Höhe als die von ihm schlüssig dargelegte Vergütung hat. Vorliegend hielt es das KG für hinreichend wahrscheinlich, dass der AN durch den anderweitigen Einsatz seines kündigungsbedingt freigesetzten Personals Umsätze erzielen konnte, was einen Abschlag von seinem Sicherungsanspruch rechtfertigt.

Praxishinweis

Richtig ist, dass die Interessen des AG bei der Ermittlung der Höhe der Sicherheit nicht hinreichend berücksichtigt werden, lässt man für die Höhe der Sicherheit stets allein schlüssigen Vortrag des AN genügen. Das gilt jedenfalls dann, wenn substanziiertes Bestreiten des AG gravierende Zweifel an der Höhe begründet - insbesondere, wenn es um Sicherheit für die Vergütung noch nicht erbrachter rausgekündigter Leistungen geht. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob der BGH dem in entsprechenden Fallkonstellationen folgen wird. Bei seiner Entscheidung zur Sicherheit für zusätzliche Leistungen (IBR 2023, 17) hat der BGH allein auf schlüssigen Vortrag abgestellt.

RA Dr. Oliver Koos, Frankfurt a.M.