Die Tagung begann – zumindest für diejenigen, die trotz Bahnstreik einen Weg (und ein Transportmittel) nach Straßburg gefunden haben – am Freitagvormittag mit dem bereits bekannten und bewährten Grundlagenfrühstück.
Den Auftakt machte im Rahmen der Grundlagenveranstaltung Nikolaj Schmolke mit seinem Vortrag „Lesen Sie Abschlüsse Sie glauben nicht, was da alles drinsteht!“ wobei er eindrucksvoll aufzeigte, dass man nicht BWL oder Mathematik studiert haben muss, um Jahresabschlüsse eines Unternehmens lesen zu können. Vielmehr reichen zwei bis drei geübte Blicke in die Bilanzen, um die Gefahr einer Insolvenz des eigenen Mandanten und / oder des (zukünftigen) Vertragspartners des Mandanten, beurteilen zu können.
Im Anschluss an die Grundlagenveranstaltung fand zum zweiten Mal das Welcome-Event für das Mentorenprogramm statt. Ziel dieser Form des Erfahrungsaustausches ist es, junge Baurechtstalente mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zu verbinden. 13 junge Juristinnen und Juristen aus ganz Deutschland waren angereist, um im Zuge der Willkommensrunde auf ihren Mentor aus den Reihen der ARGE Baurecht zu treffen. Welcher der zehn Mentoren welchen Mentee während der Baurechtstagung (und sicher auch darüber hinaus) begleiten durfte, wurde über ein Losverfahren ermittelt.
Sodann begrüßte die Vorsitzende der ARGE Baurecht, Dr. Birgit Franz, die zahlreichen Teilnehmenden sowohl online als auch präsent in der Europäischen Hauptstadt und eröffnete die Baurechtstagung.
Wer sich schon mal – sei es aus persönlichem, sei es aus beruflichem Interesse – die Frage gestellt haben sollte, wie eigentlich das Baurecht bei unserem Nachbarn Frankreich gelebt wird und welche Besonderheiten es dort im Vergleich zu dem deutschen Baurecht gibt, dürfte spätestens nach dem Vortrag des Rechtsanwalts Pascal Rivera und Rechtsanwältin Dr. Myriam Alimi erhellende Antworten erhalten haben. In Ihrem Vortrag zum Thema „Besonderheiten des französischen Baurechts“ zeigten sie nicht nur die Parallelen zum deutschen Baurecht, sondern auch die wesentlichen Unterschiede im Vergleich zum französischen Baurecht auf.
Nach diesem interessanten Ausflug in das französische Recht, führte uns der Vorsitzende Richter am Kammergericht Berlin Björn Ratzlaff in die Thematik „Definition und Reichweite des Annahmeverzuges gemäß § 642 BGB“ ein und beleuchtete umfangreich die Frage, wann die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind und ein Unternehmer eine Entschädigung beanspruchen kann. Der Vortrag sorgte nicht nur bei der sich anschließenden Kaffeepause für viel Gesprächsbedarf, sondern löste auch noch am Abend bei der Abendveranstaltung die ein oder andere Diskussion aus.
Passend zu dem Vortrag, zeigte der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Celle Dr. Markus Wessel die einzelnen sich aus der Rechtsprechung ergebenen Probleme zur Bemessung der Höhe des Anspruches aus § 642 BGB sowie zur Frage der Darlegungslast (Stichwort: bauablaufbezogene Darstellung) auf.
Der Tag endete mit dem Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Stefan Althaus zu dem Thema „Vergütung / tatsächlich erforderliche Kosten (§650 c Abs. 1 BGB)“, in dem er sich mit der viel diskutierten Frage beschäftigte, was unter den „tatsächlich erforderlichen Kosten“ im Rahmen der Vergütung nach § 650 c Abs. 1 BGB zu verstehen ist.
Am Abend ging es nach einem kleinen Sektempfang zur Abendveranstaltung in das Maison Kammerzell, in dem wir gemeinsam klassisch französisch-elsässische Speisen und Getränke zu uns nahmen, die Vortragsthemen des Tages Revue passieren und den Abend gemeinsam ausklingen ließen.
Am nächsten Morgen ging das Fachprogramm traditionell weiter mit der BGH-Rechtsprechungsübersicht des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Rüdiger Pamp. Hierbei ging er insbesondere auf das Urteil des BGH vom 9. November 2023 zu dem Thema der unerlaubten Rechtsberatung durch Architekten ein, das nicht nur im Vorwege für viel Diskussion sorgte.
Im Anschluss an eine gesellige und wohlverdiente kleine Kaffeepause, referierte Rechtsanwältin Katja Alexander zu dem Thema „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ – Zur (Un-)Wirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln. Hierbei ging sie insbesondere auf die Folgen und vielseitigen Auswirkungen der aktuellen BGH-Rechtsprechung, insbesondere zur Anfechtbarkeit der Aufrechnungslage im Falle einer Insolvenz ein.
Wer schon mal als Anwalt/-wältin einen Prozess in erster Instanz verloren hat, hat sich vielleicht im Rahmen der sich anschließenden Berufung schon mal die Frage gestellt, was in der ersten Instanz schiefgelaufen ist und wie sich diese Probleme in der zweiten Instanz umschiffen lassen, um den Prozess in die gewünschte Richtung zu lenken. Mit einigen Problemen, die einem in der Berufung begegnen können, hat sich die Richterin am Oberlandesgericht München Christine Haumer in ihrem Vortrag „Ausgewählte Probleme der Berufung in Bausachen unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung“ auseinandergesetzt.
Und mit diesem beeindruckenden Vortrag endete die 63. Baurechtstagung in Straßburg. Und wer sich noch nicht gleich auf den Heimweg begeben musste, der konnte bei bestem Sonnenschein im Rahmen des sich anschließenden Architekturspaziergangs die „Hauptstadt Europas“ noch einmal von einer ganz anderen Seite kennenlernen.
Nach der Tagung ist vor der Tagung
Zu den vielen positiven individuellen und persönlichen Rückmeldungen zur 63. Baurechtstagung passen auch die Ergebnisse der Evaluation. So bewerteten 86 Prozent der Teilnehmenden das Event mit acht, neun oder zehn von zehn Punkten. Für die Qualität der Inhalte vergaben 80 Prozent mindestens acht, vornehmlich neun oder zehn von zehn Punkten, für die Praxisrelevanz waren es 83 Prozent und für die Aktualität der Inhalte 91 Prozent. Zudem bedanken wir uns für die inhaltlichen Anregungen, von denen wir mit Sicherheit einige für die nächsten Tagungen aufnehmen werden. Zusätzlich scheint es eindeutig zu sein, wohin es Ihrer Meinung nach zur nächsten Auslandstagung gehen soll:
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