1. Ein Vertrag über die Herstellung und Lieferung eines Fertighauses ist ein Werkvertrag (Anschluss an BGH, NJW 1983, 1489).
2. Verpflichtet sich der Unternehmer dazu, das Fertighaus nach den anerkannten Regeln der Technik zu errichten, schuldet er einen üblichen Qualitäts- und Komfortstandard.
3. Wird ein üblicher Qualitäts- und Komfortstandard geschuldet, muss sich das einzuhaltende Schalldämmmaß an dieser Vereinbarung orientieren. Anhaltspunkte können sich aus den Regelwerken der Schallschutzstufen II und III der VDI-Richtlinie 4100 aus dem Jahr 1994 oder aus dem Beiblatt 2 zur DIN 4109 ergeben (Anschluss an BGH, IBR 2007, 473).
4. Ein Fertighaushersteller muss sich im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit dem Bauherrn ausführlich mit den schallschutztechnischen Anforderungen an das Bauwerk auseinandersetzen. Unterlässt er dies, liegt ein gravierender Planungsfehler vor.
Problem/Sachverhalt
Ein Besteller (B) und ein Fertighaushersteller (U) schließen 2010 einen Vertrag über die Errichtung eines Fertighauses an einer stark befahrenen Landstraße. Nach Abnahme verlangt U klageweise eine offene Schlussvergütung von 14.610 Euro. B wendet ein, dass der Schallschutz des Fertighauses gegen den Straßenlärm völlig unzureichend sei, und verlangt im Wege der Widerklage u. a. hierfür nach Aufrechnung mit einem Kostenvorschussanspruch noch weitere 48.000 Euro. Mit Erfolg?
Entscheidung
Weitgehend ja! Der Kostenvorschussanspruch besteht nahezu vollständig. Der auf Errichtung eines Fertighauses gerichtete Vertrag ist ein Werkvertrag (vgl. Leitsatz 1). Der Anspruch wegen des Schallmangels ist nicht mangels Vorbehalts des B zur Abnahme ausgeschlossen, weil die Probleme mit dem Schallschutz erst nach Einzug im Februar 2011 erkennbar waren. Nach § 4 Abs. 1 des Fertighausvertrags muss U das Haus mindestens nach den anerkannten Regeln der Technik errichten. Abweichende Vereinbarungen zum Schallschutz ergeben sich weder aus dem Vertrag noch aus den Werbematerialien. U schuldet also den üblichen Qualitäts- und Komfortmaßstab (vgl. Leitsatz 2), der sich nicht aus der DIN 4109 ergibt. Diese schützt nämlich, bauaufsichtlich eingeführt, allein gegen unzumutbare Beeinträchtigungen. Der übliche Schallschutzmaßstab ist daher durch Vertragsauslegung zu ermitteln (vgl. Leitsatz 3). Vorliegend genügt der Schallschutz noch nicht einmal dem öffentlich-rechtlichen Mindestschallschutz nach DIN 4109. Als "Fachplaner" hätte es U zudem oblegen, sich mit B auch aufgrund der Lage des Baugrundstücks über die schalltechnischen Anforderungen der Regelwerke und deren Konsequenzen eingehend auseinanderzusetzen. Dies ist nicht erfolgt. Allein die Angabe im Verhandlungsprotokoll "Schallschutzverglasung nicht gewünscht" reicht nicht aus. Der fachfremde B kann eine intensive Aufklärung und Beratung über die komplexe Materie des Schallschutzes erwarten.
Praxishinweis
Will der Unternehmer von den anerkannten Regeln der Technik "nach unten" abweichen, muss eine solche Vereinbarung zum einen ausdrücklich erfolgen. Zum anderen muss er den Besteller auf die mit der Nichteinhaltung der anerkannten Regeln verbundenen Risiken und Konsequenzen verständlich hinweisen, es sei denn, sie sind diesem bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen (BGH, IBR 2018, 67). Ob eine solche Vereinbarung in vorformulierten Baubeschreibungen wirksam möglich ist, ist ungeklärt und meines Erachtens zu verneinen.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Achim Olrik Vogel, München