Prüfpflichten und Hinweispflichten betreffend der Ergebnisse von Vorunternehmern sind in Baurechtsfällen häufig entscheidend für das Bestehen oder Entfallen einer Haftung eines Bauunternehmers. Auch „Vorabreiten“ oder Werkleistungen eines vermeintlichen „Vorunternehmers“ die nicht in Berührung mit einer eigenen Leistung kommen, können für einen nachfolgenden Unternehmer gefährlich werden.
Ausgangssituation:
Beruht die Mangelhaftigkeit eines Werkes auf der Mangelhaftigkeit von Vorarbeiten eines anderen Unternehmers, so besteht die Möglichkeit dass der nachfolgende Unternehmer nicht für seinen Mangel eintreten muss, wenn er seine Prüf- und Hinweisobliegenheiten beachtet hat. Häufig wird allerdings von Hinweispflichten gesprochen, auf deren Basis im Falle einer Verletzung eine Haftung begründet wird. Nicht alle Fremdgewerke anderer Unternehmer sind Vorarbeiten im technischen Sinne, können aber dennoch zu einer Haftung führen.
Beispiel:
(Nach OLG Schleswig, Urteil vom 04.12.2012 Az.: 3 U 102/09)
Ein „Vorunternehmer“ hat für ein Dach eines Neubaus eine Unterspannbahn hergestellt. Diese enthielt allerdings Lücken und Fehlstellen. Als zeitlich nachfolgender Unternehmer hat ein Dachdecker eine Metalldacheindeckung hergestellt. Der Dachdecker konnte die Fehlstellen erkennen und hat dies auch. Er wies den Bauherrn hierauf aber nicht hin, weil das Bestehen einer Unterspannbahn für sein Gewerk des Metalldaches unerheblich sei. Es ließe sich auch ohne Unterspannbahn mangelfrei herstellen.
Der Bauherr verklagt den Dachdecker Anspruch in Höhe von ca. 110.000 Euro auf Schadensersatz in Höhe der Mangelbeseitigungskosten an der Unterspannbahn, wozu ein Großteil des im Wesentlichen mangelfreien Metalldaches geöffnet werden muss. Er stützt sich auf das Unterlassen eines Hinweises.
Das Gericht stellt, sachverständig beraten, fest, dass es für eine Mangelfreiheit des Metalldaches unerheblich sei, ob eine Unterspannbahn bestehe, auch wenn diese sehr empfehlenswert sei. Die Unterspannbahn könne dazu dienen, Treibregen und Flugschnee, der unter die Metalldachhaut gelangt, davon abzuhalten, von oben auf die Dämmung zu gelangen. Denn unter der Unterspannbahn befinde sich die Dämmung, hierunter wiederum eine Dampfdiffusionsbahn.
Das Gericht spricht dem Kläger den Anspruch zu und meint, nach § 242 BGB in Verbindung mit § 280 BGB habe eine Hinweispflicht dahingehend bestanden, den Bauherrn auf die Fehlstellen hinzuweisen. Diese sei verletzt, weil nachgewiesen ist, dass der Dachdecker die Fehlstellen gesehen habe.
Hinweis:
Das Gericht bezieht sich einerseits auf die §§ 242, 280 BGB und andererseits auf § 4 Abs. 3 VOB/B. Hierbei scheint es zwei unterschiedliche Rechtssachverhalte miteinander zu vermischen. Die Hinweisobliegenheit des § 4 Abs. 3 VOB/B vermag einen eigenen Mangel entfallen zu lassen. Im zu entscheidenden Fall war das Gewerk des Dachdeckers an sich aber ohnehin im Wesentlichen mangelfrei und hatte keine technischen Berührungspunkte zu der mangelhaften Fremdunternehmerleistung an der Unterspannbahn. Der Fall ist daher grundsätzlich von den „Fliesenfällen“ und „Estrichfällen“ zu unterscheiden, wonach der Mangel des nachfolgenden Gewerkes auch technisch auf dem Mangel eines Vorgewerkes beruht. Indem das Gericht sich auf § 242 und § 280 BGB stützt, geht es gar nicht um einen Mangel, sondern um eine anderweitige Pflichtverletzung aus dem Rechtsverhältnis der Vertragsparteien. Gegebenenfalls wäre deswegen auch ein Bezug auf die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB, die für Rücksichtnahmepflichten Anwendung findet, naheliegend gewesen. Hierbei geht es um eine ganz allgemeine Pflicht zur Rücksicht auf die Interessen des Vertragspartners. Bei der hierfür gebotenen Betrachtung hätte auch Augenmerk darauf gelegt werden können, dass nach der Leistung des Dachdeckers die Fremdleistung der Unterspannbahn nicht mehr sichtbar war, zumindest nicht ohne Bauteilöffnung.
Rechtsanwalt Johannes Jochem
RJ Anwälte, Wiesbaden