1. Im VOB/B-Vertrag sind in sich abgeschlossene Teile der Leistung auf Verlangen gesondert abzunehmen (§ 12 Abs. 2 VOB/B).
2. In sich abgeschlossene Teile der Leistung liegen vor, wenn sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als selbstständig und von den übrigen Teilleistungen aus demselben Bauvertrag unabhängig anzusehen sind. Das ist anzunehmen, wenn sie sich in ihrer Gebrauchsfähigkeit abschließend für sich beurteilen lassen, und zwar sowohl in ihrer technischen Funktionsfähigkeit als auch im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung.
3. Leistungsteile innerhalb eines Gewerks können grundsätzlich nicht als in sich abgeschlossen angesehen werden. Ihnen mangelt es regelmäßig an der Selbständigkeit, die eine eigenständige Beurteilung der Teilleistung ermöglicht. Dies kann bei klarer zeitlicher oder räumlicher Trennung anders sein, etwa dann, wenn die Leistungsteile an verschiedenen Bauwerken, z. B. an mehreren zu errichtenden Häusern zu erbringen sind.
OLG Bamberg, Urteil vom 02.03.2023 - 12 U 48/22; BGH, Beschluss vom 13.03.2024 - VII ZR 57/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
VOB/B § 12 Abs. 2
Problem/Sachverhalt
Das bauausführende Unternehmen (AN) wurde vom Bauherrn (AG) mit Elektroeinlegearbeiten beauftragt. Nach Ausführung der Arbeiten zeigt der AN zunächst für das "Untergeschoss mit Ausnahme der Treppenhäuser" schriftlich die Fertigstellung der Leistungen an und fordert den AG zur Teilabnahme auf. Einige Wochen später zeigt der AN auch die Fertigstellung der "Bauteile C+D (UG bis 2. OG)" schriftlich an und fordert deren Teilabnahme.
Der AG weist beide Abnahmeverlangen zurück. Der AN klagt auf Feststellung der Teilabnahmefähigkeit und trägt vor, es handle sich jeweils um in sich abgeschlossene Teile der Leistung, die nach § 12 Abs. 2 VOB/B teilabnahmefähig seien.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Dem AN stehe kein Anspruch auf Teilabnahme zu. Das Gericht legt zunächst dar, wann "in sich abgeschlossene Teile der Leistung" im Sinne von § 12 Abs. 2 VOB/B anzunehmen sind (Leitsätze 1. bis 3.). Es kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass es sich bei den beiden Leistungsteilen, deren Teilabnahme der AN begehrt, um unselbstständige Teile eines einheitlichen Gewerks handelt.
Die Leistungen seien nach der Verkehrsauffassung nicht unabhängig von den übrigen Teilleistungen aus demselben Bauvertrag. Sie bezögen sich insbesondere nicht auf in sich abgeschlossene, räumlich getrennte Gebäudeteile. Es komme nicht entscheidend darauf an, ob die Leistungen etagenübergreifend seien, sondern dass es sich um Leistungen in funktional unselbstständigen Teilbereichen eines einheitlichen Gebäudes handle.
Das Gericht stützt sich dabei auf die vorgelegten Planunterlagen und würdigt ausführlich die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme mit mehreren Zeugenvernehmungen zu den technischen Gegebenheiten des Bauwerks.
Praxishinweis
1. Im Verhandlungsprotokoll wurde vereinbart, dass eine förmliche Abnahme stattfindet und eine Abnahme durch konkludentes Verhalten ebenso ausgeschlossen ist wie eine fiktive Abnahme. Aus diesem Grund kamen nach Auffassung des Gerichts weder eine konkludente noch eine fiktive Abnahme in Betracht; AGB-rechtliche Bedenken hatte der Senat offenbar nicht.
2. Neben der Teilabnahme (§ 12 Abs. 2 VOB/B ggf. i. V. m. §§ 13 Abs. 4 Nr. 3, 16 Abs. 4 VOB/B) spielt der Begriff der "in sich abgeschlossenen Teilleistung" auch bei der Teilkündigung eine zentrale Rolle (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B, zuletzt: OLG Düsseldorf, IBR 2023, 180). Im BGB-Werkvertragsrecht bezieht sich die Teilkündigung "auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks" (§ 648a Abs. 2 BGB).
RA Thomas Ryll, Ludwigshafen
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