Planerische Vorgabe fehlt: Aufforderung zur Mängelbeseitigung wirkungslos!

OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2021 - 10 U 58/21 (nicht rechtskräftig) BGB §§ 203, 204, 275; VOB/B § 4 Nr. 3, § 13 Nr. 3, 5, 6, 7; ZPO §§ 296, 485

Bedarf eine Mängelbeseitigung einer planerischen Vorgabe des Auftraggebers, ist eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung ohne diese planerische Vorgabe wirkungslos.*)

OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2021 - 10 U 58/21 (nicht rechtskräftig)

BGB §§ 203204275; VOB/B § 4 Nr. 3, § 13 Nr. 3, 5, 6, 7; ZPO §§ 296485

 

Problem/Sachverhalt

Die Parteien streiten über Pflichten zur Mängelbeseitigung im Zusammenhang mit vom Auftragnehmer (AN) erbrachten Arbeiten an einer Betonfertigteilfassade. Der AN ist der Meinung, eine Mängelbeseitigung (Durchbiegungen von Betonlamellen) sei mit den vorgegebenen Maßen unmöglich, da nach den Feststellungen der Sachverständigen die DIN 1045 nicht einzuhalten sei. Der gerichtliche Sachverständige erarbeitet Vorschläge zur Mängelbeseitigung, die einen Eingriff in die Optik der Fassade darstellen würden. Somit sei eine Änderung des Bauentwurfs erforderlich, zu der der Auftraggeber (AG) nicht bereit oder willens sei. Damit fehle es an der erforderlichen Mitwirkung des AG, dem AN zur Mängelbeseitigung planerische Vorgaben zur Verfügung zu stellen. Zwar habe der AG den AN zur Mängelbeseitigung aufgefordert, allerdings sei der AN nicht in der Lage, die Leistung unter Einschaltung eines Planers ohne einen Eingriff in die Fassadengestaltung und die Planungshoheit des AG auszuführen.

Entscheidung

Sowohl das Landgericht als auch das OLG Stuttgart schließen sich dieser Auffassung an. Dem AG stehen derzeit keine Mängelansprüche aufgrund der durchgebogenen Betonlamellen zu. Es fehlt trotz mangelhafter Werkleistung des AN mangels Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit des AG an einer wirksamen Fristsetzung zur Nacherfüllung. Aus diesem Grund wird die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die seitens des AN vertraglich geschuldete Leistung beinhaltet die Herstellung gerader Betonlamellen. Änderungen an den Betonlamellen bedürfen der planerischen Mitwirkung des AG. Eine Mitwirkung an den planerischen Vorgaben zur Mängelbeseitigung oder ein entsprechendes Angebot hierfür hat der AG nicht vorgetragen, zumal er sich konsequent auf den Standpunkt stellt, die Planung obliege dem AN allein. Die Folge der unterlassenen - und nicht angebotenen - erforderlichen Mitwirkung des AG ist die Wirkungslosigkeit einer von ihm erfolgten Aufforderung zur Mängelbeseitigung (BGH, IBR 2008, 78; OLG Oldenburg, IBR 2019, 190; OLG Hamm, IBR 2009, 1321 - nur online). Somit fehlt es für einen Kostenvorschussanspruch nach § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B an einer wirksamen Aufforderung zur Mängelbeseitigung.

Praxishinweis

Kommt es zu einem planungsbedingten Baumangel, hat der AN grundsätzlich Anspruch auf Vorlage einer Sanierungsplanung (OLG Hamm, IBR 2011, 260). Der AN hat das Recht, die Art und Weise der Mängelbeseitigung festzulegen. Haben die umzusetzenden Mängelbeseitigungsarbeiten zur Folge, dass der optische Gesamteindruck beeinträchtigt oder sogar das Urheberrecht des planenden Architekten (Eingriff in die planerische Gestaltung) tangiert wird, muss der AG dem AN verbindliche Vorgaben für die Umsetzung der gewünschten Mängelbeseitigung zur Verfügung stellen. Das Dispositionsrecht des AN, über die Art und Weise der Mängelbeseitigung zu entscheiden, wird dadurch auch nicht torpediert. Denn zu berücksichtigen ist, dass dem AN auch im Erfüllungsstadium - zumindest im Grundsatz - keine Planungsverantwortung zukommt. Nach der Systematik der VOB/B (§ 1 Abs. 4, § 2 Abs. 9 Nr. 1 VOB/B) handelt es sich hierbei eher um untergeordnete Planungsleistungen, für die der AN auch noch eine Vergütung erhält.

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Janis Heiliger, Düsseldorf 

 

Anmerkung der Redaktion

Gegen das Urteil wurde Revision beim BGH eingelegt (Az.: VII ZR 881/21).

 

© id Verlag