
Werden aufgrund mündlicher Absprache geleistete Bauarbeiten bezahlt, so können in diesem Zusammenhang noch nicht abgerechnete Mehrarbeiten unentgeltlich erbracht worden sein, wenn die Gesamtumstände insoweit einer stillschweigenden Vergütungsvereinbarung (§ 632 BGB) entgegenstehen. Auch kann eine spätere Abrechnung treuwidrig sein (§ 242 BGB).*)
LG Karlsruhe, Urteil vom 09.10.2024 - 6 O 160/23
BGB §§ 242, 631, 632
Problem/Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG) - ein Bauunternehmer - und der Auftragnehmer (AN) - ein Radladerfahrer - stehen in ständiger Geschäftsbeziehung und "schustern" sich offenbar nicht nur wechselseitig Aufträge zu, sondern "helfen" sich auch sonst gegenseitig.
Der AN erbringt auf dem Privatanwesen des AG im Frühjahr 2022 Bauarbeiten, für die er mit Rechnung vom 24.04.2022 für Aushub/Boden, Transport und Energiezuschlag 1.050 Euro berechnet, die der AG kurz darauf bezahlt. Der AN führt für den AG in der Folgezeit weitere Leistungen aus. Es kommt zum Streit zwischen den Parteien.
Mit Rechnung vom 27.04.2024 stellt der AN dem AG u.a. 1.800 Euro für die im Frühjahr 2022 geleisteten Arbeiten in Rechnung. In der Rechnung vom 24.04.2022 seien nur die Abfuhrkosten für die Deponie erfasst worden, nicht jedoch sein Arbeitsaufwand nebst Material etc. Der AG zahlt nicht, der AN erhebt Klage.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Es bestehen bereits durchgreifende Zweifel, dass den nicht bereits im Jahr 2022 abgerechneten "Mehrarbeiten" eine stillschweigende Vergütungsvereinbarung (§ 632 Abs. 1 BGB) zu Grunde liegt. Jedenfalls handelt der AN treuwidrig (§ 242 BGB), indem er mit Rechnung vom 27.04.2024 noch Tätigkeiten vom Frühjahr 2022 i.H.v. 1.800 Euro abrechnet.
Zwar bewirkt die Schlussrechnung vom 24.04.2022 keine Bindungswirkung dergestalt, dass die abgerechneten Beträge quasi eine Nachforderung sperren (vgl. zum VOB-Vertrag: BGH, Urteil vom 17.12.1987 - VII ZR 16/87, IBRRS 1987, 0614; OLG Düsseldorf, IBR 2015, 536). Der AN kann jedoch sein Verhalten darauf einrichten, ob der AG die Schlussrechnung in vollem Umfang anerkennt und begleicht.
Geht der AG darauf ein, kann je nach den Umständen des Einzelfalls eine Nachforderung gegen Treu und Glauben verstoßen (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). So liegt der Fall hier.
Der AN hat in der Rechnung vom 24.04.2022 nicht nur die von seinem Nachunternehmer berechneten Kosten weitergeleitet, sondern auch einen Zuschlag auf diese Beträge erhoben. Der AG hat hierzu keine Einwendungen erhoben und diese Rechnung umgehend beglichen.
Mit seiner Nachforderung hat der AN sodann über 12 Monate zugewartet und durch keinerlei Verhalten zu erkennen gegeben, dass ein Rest noch nicht beglichen sei. Der AG hat sich nach der Rechnung vom 24.04.2022 auch darauf eingestellt, dass es zu keinen weiteren Forderungen wegen der Märzarbeiten 2022 kommen wird, denn er ging insoweit von einer Vereinbarung über Gefälligkeitsarbeiten aus.
Weiterhin war ihm wegen Arbeiten an seinem Privatgrundstück im März 2022 als Unternehmer das Umsatzsteuergesetz bekannt und er konnte deshalb auch erwarten, dass binnen sechs Monaten, mithin bis spätestens Ende September, sämtliche Arbeiten abgerechnet sein würden.
Indem der AN nunmehr erstmals mit Rechnung vom 27.04.2023 diese Arbeiten geltend macht, handelt er daher treuwidrig, weshalb ihm die Durchsetzung insoweit versagt bleibt.
Praxishinweis
Der Auftragnehmer ist bei einem VOB/B-Vertrag über die sich aus § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ergebenden Beschränkungen (vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung) hinaus (nur) grundsätzlich nicht an die von ihm gestellte Schlussrechnung gebunden (BGH, a.a.O.).
Wo es einen Grundsatz gibt, finden sich aber auch durchaus praxisrelevante Ausnahmen, wie diese Entscheidung des LG Karlsruhe zeigt.
RA Dr. Stephan Bolz, Mannheim
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