Auch wenn die Leistung nicht der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, kann der Besteller keine Gewährleistungsansprüche geltend machen, wenn die Ist-Beschaffenheit aus technischer Sicht höherwertiger ist als die Soll-Beschaffenheit.
OLG Koblenz, Urteil vom 23.02.2017 - 6 U 150/16; BGH, Beschluss vom 18.12.2019 - VII ZR 68/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
BGB §§ 242, 633; VOB/B § 2 Nr. 7, § 13 Nr. 1
Problem/Sachverhalt
Der Besteller (B) beauftragte den Unternehmer (U) mit der Errichtung eines Drogeriemarkts. Nach der Abnahme machte U mit seiner Schlussrechnung einen Restwerklohnanspruch geltend. B zahlte nicht, weil der Fliesenbelag abweichend von der Baubeschreibung nicht (lediglich) im Dünnbettverfahren verlegt, sondern (zusätzlich) gerüttelt worden war. Außerdem gewährleiste die Bodenplatte nicht die vertraglich vereinbarte Nutzlast von 5.000 kN/qm. Er erklärte daher die Aufrechnung mit einem Vorschussanspruch in Höhe der Mängelbeseitigungskosten.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Zwar sei hinsichtlich der Verlegung der Fliesen und auch in Bezug auf die Nutzlast der Bodenplatte von der vereinbarten Beschaffenheit abgewichen worden. Jedoch könne B hieraus nach Treu und Glauben keine Gewährleistungsansprüche herleiten, weil beide Abweichungen zu einer qualitativ hochwertigeren Ausführung geführt hätten. Denn das zusätzliche Einrütteln der Fliesen habe deren Bruchfestigkeit erhöht und auch die Belastbarkeit der Bodenplatte übersteige mit 5.900 kN/qm den vertraglich vereinbarten Wert.
Praxishinweis
Häufig hört man in Bauprozessen das Argument, eine höherwertige Ausführung als die vereinbarte könne doch keinen Mangel darstellen. Diese Begründung verkennt aber die seit der Schuldrechtsmodernisierung von 2002 geltende Gesetzessystematik, die nunmehr vorrangig auf den versprochenen Erfolg und damit letztlich auf die subjektiven Wünsche des Bestellers und nicht auf die vielleicht aus objektiver Sicht vorzugswürdige Ausführungsart abstellt (vgl. BGH, BauR 2003, 533, 534). Erst wenn es keine Beschaffenheitsvereinbarung gibt - was übrigens nur selten der Fall sein dürfte -, kommt es nach § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB auf die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die für die gewöhnliche Verwendung erforderliche Funktionstauglichkeit des Werks an. Jede noch so geringe Abweichung von einer Beschaffenheitsvereinbarung stellt damit einen Mangel dar, selbst wenn sich die Ausführung für den Besteller - wie im vorliegenden Fall - als technisch oder wirtschaftlich vorteilhafter erweist. Damit ist die Situation für den Unternehmer zwar schwierig, aber nicht aussichtslos. Zunächst einmal sieht das Gesetz - allerdings sehr selten eingreifende - Grenzen für die Nachbesserung gem. § 275 Abs. 2, 3, § 635 Abs. 3 BGB (unverhältnismäßig hohe Kosten) und für den Rücktritt gem. § 634 Nr. 3, § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB (unerhebliche Pflichtverletzung) vor. Die Rechtsprechung hilft dem Unternehmer ferner dadurch, dass sie dem Besteller nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Berufung auf Gewährleistungsansprüche verwehrt. Allerdings kann man dies nicht, wie es das OLG Koblenz tut, allein mit der höherwertigen Ausführung begründen, weil dies den gesetzlich definierten Mangelbegriff konterkarieren würde. Daher stellen andere Entscheidungen (OLG Düsseldorf, IBR 2012, 639; OLG Stuttgart, IBR 2008, 1056 - nur online) zusätzlich darauf ab, dass der Besteller auf die vereinbarte Ausführungsart auch keinen besonderen Wert gelegt habe. Gerade diese Argumentation belegt aber, dass - wie so oft - die sachgerechte Lösung bereits durch eine präzise Auslegung der Parteivereinbarungen zu finden sein dürfte. So können die vorliegenden Baubeschreibungen etwa ohne Weiteres als bloße Mindestanforderungen an die Herstellung einer bestimmten Belastbarkeit von Bodenplatte und Fliesenbelag verstanden werden. Dann aber stellt eine höherwertige Ausführung bereits keinen Verstoß gegen die so verstandene Beschaffenheitsvereinbarung dar.
RiOLG Dr. Georg Rehbein, Köln
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