Kein Widerspruch, kein Anspruch!

OLG Bamberg, Urteil vom 20.07.2023 - 12 U 9/22; BGH, Beschluss vom 07.08.2024 - VII ZR 167/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 145, 147; HGB § 346

1. Das bloße Schweigen ist in der Regel keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil einer Erklärung. Eine Ausnahme hiervon besteht im Handelsverkehr nach den Grundsätzen über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.
2. Der Empfänger eines solchen Schreibens muss diesem unverzüglich widersprechen, wenn er dessen Inhalt nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, wird der Vertrag mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich.

OLG Bamberg, Urteil vom 20.07.2023 - 12 U 9/22; BGH, Beschluss vom 07.08.2024 - VII ZR 167/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
BGB §§ 145, 147; HGB § 346

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) bezahlt die Schlussrechnung des Auftragnehmers (AN) nicht vollständig. Die Parteien telefonieren am 13.09.2019 miteinander. Am 17.09.2019 teilt der AG dem AN schriftlich mit: " ... (wir) werden (...) so vorgehen wie zwischen uns besprochen. Ihre letzte durch uns geprüfte und freigegebene Abschlagsrechnung (...) wird als Schlussrechnung angesehen (...).

Der Einbehalt in Höhe von 5 % für die Vertragserfüllung wird von uns hiermit ausgezahlt. Der 5%-ige Einbehalt für die Gewährleistung wird nach deren Ablauf durch uns ausbezahlt." Der AN macht einen Restbetrag aus seiner Schlussrechnung i.H.v. 13.550 Euro geltend und verlangt vom AG eine Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Es besteht kein Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherheit, weil eine zu sichernde Restwerklohnforderung nicht mehr besteht. Der AN hat durch sein Schweigen auf das Schreiben des AG vom 17.09.2019 der darin vorgeschlagenen Lösung zugestimmt. Zwar ist bloßes Schweigen grundsätzlich keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil einer Erklärung (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., Einf. vor § 116 Rz. 7). Von dieser Regel gibt es Ausnahmen. Hier sind die Grundsätze über das Schweigen auf ein kaufmännisches (kfm.) Bestätigungsschreiben (§ 346 Abs. 1 HGB) anwendbar.

Im Handelsverkehr muss der Empfänger eines kfm. Bestätigungsschreibens unverzüglich widersprechen, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, wird der Vertrag mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich, es sei denn, dass der Bestätigende das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder das Bestätigungsschreiben so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte (Grüneberg/Ellenberger, a.a.O., § 147 Rz. 8).

Davon, dass das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben oder weit abweichend vom Verhandlungsergebnis wiedergegeben wurde, kann nicht ausgegangen werden. Der AN hat auf das Schreiben vom 17.09.2019 nicht innerhalb angemessener Frist reagiert. Er wäre dazu verpflichtet gewesen, wenn er mit der in dem Schreiben des AG vom 17.09.2019 als Ergebnis des Telefonats wiedergegebenen Lösung nicht einverstanden war, unverzüglich zu reagieren und dem zu widersprechen.

Dies ist hier nicht erfolgt. Das Schweigen des AN ist nach den Grundsätzen des kfm. Bestätigungsschreibens als Zustimmung zu werten. Demzufolge besteht aufgrund der getroffenen Vereinbarung keine zu sichernde Restwerklohnforderung mehr.

Praxishinweis

Dem Inhalt eines kfm. Bestätigungsschreibens, das nicht als solches bezeichnet werden muss (siehe BGH, IBR 2011, 190, für ein Baustellenprotokoll), hat der Empfänger unverzüglich zu widersprechen, wenn er damit nicht einverstanden ist.

Unverzüglich bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern" (§ 121 Abs. 1 BGB), das heißt innerhalb von ein bis zwei Tagen. In Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls können auch mal drei Tage noch als unverzüglich angesehen werden (BGH, NJW 1962, 246), nicht jedoch ein Zeitraum von einer Woche. Die Beweislast für den rechtzeitigen Eingang des Widerspruchs beim Absender trägt der Empfänger des kfm. Bestätigungsschreibens (BGH, NJW 1962, 104).

RA Dr. Stephan Bolz, Mannheim

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