Gebäudeversicherung: Leistungsausschluss für Schäden durch Schwamm kann unwirksam sein!

BGH, Beschluss vom 13.11.2024 - IV ZR 212/23 BGB § 307; VVG § 6

Leistungsbegrenzungen bleiben der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstelllungen weckt.

Eine nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zur Unwirksamkeit führende Vertragszweckgefährdung liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (BGH, Urteil vom 12.07.2017 - IV ZR 151/15, Rz. 15, IBRRS 2017, 2676 und ständig).


BGH, Beschluss vom 13.11.2024 - IV ZR 212/23

BGB § 307; VVG § 6


Problem/Sachverhalt

Der Versicherungsnehmer (VN) unterhält eine Gebäudeversicherung beim Versicherer (V). Danach besteht Deckung u. a. gegen Leitungswasserschäden. Ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht versichert sind Schäden durch Schwamm. Der VN errichtet sein Wohnhaus in Holzständerbauweise. Dem V ist die Konstruktionsart bekannt

Nach einem später entdeckten Wasserschaden aufgrund Leitungswasseraustritts in der Dusche im ersten Obergeschoss wird die Bodenkonstruktion massiv von weißem Porenschwamm befallen. V beruft sich auf den Schwammausschluss. Dies bestätigen Landgericht und OLG.


Entscheidung

Anders der BGH! Ob die Klausel unwirksam aufgrund einer Vertragszweckgefährdung i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist, hätte das OLG nicht ohne den angebotenen Sachverständigenbeweis verneinen dürfen. Der durchschnittliche VN erwartet von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und lückenlosen Schutz, soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergeben. Die umfassende Deckung des Vertrags wird durch die Ausschlussklausel für Schäden durch Schwamm eingeschränkt

Die Deckungseinschränkung führt erst dann zu einer Gefährdung des Vertragszwecks, wenn sie den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht. Durch den Schwammausschluss kann der Vertragszweck nur gefährdet werden, wenn Schwammschäden die regelmäßige oder zumindest sehr häufige, zwangsläufige und kennzeichnende Folge des Austritts von Leitungswasser sind. Der durchschnittliche VN will sich mit dem Abschluss der Leitungswasserversicherung vor solchen Schwammschäden schützen. V würde sich mit dem Ausschluss von seiner Kardinalpflicht des Versicherungsvertrags, solche Schäden zu entschädigen, freizeichnen

Genau diese Folgen hatte der VN vorgetragen und unter Sachverständigenbeweis gestellt. Das Gericht kann sich in diesem Fall nur auf eigenes Fachwissen stützen, wenn es dieses ausweist. Da dies nicht erfolgte, durfte das OLG die vorgenannte Typizität nicht ohne sachverständige Hilfe verneinen. Auf diesem Gehörsverstoß beruht der Beschluss, so dass er aufzuheben ist. In einer "Segelanweisung" stellt der BGH klar, dass als Vergleichsgruppe für die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht die Gruppe der VN mit in Holzständerbauweise errichteten Gebäuden zu betrachten ist, sondern diejenige aller Wohngebäude

Voraussetzung für die Betrachtung der Interessenlage einzelner Vertrags- oder Fallgruppen, d. h. die Unterteilung der Klauselgegner in Fallgruppen, sei eine hinreichend deutliche aussagekräftige Abgrenzbarkeit der Unterschiede. Daran fehlt es hier aber. Zudem weist der BGH für das weitere Verfahren darauf hin, dass ein Berufen des V auf die Schwammausschlussklausel rechtsmissbräuchlich sein und eine Beratungspflichtverletzung nach § 6 Abs. 1 VVG vorliegen könnte. Der Versicherer hatte bei Vertragsschluss Kenntnis von der Konstruktionsart des Hauses.


Praxishinweis

Einen vergleichbaren Ausschluss kennt die Bauleistungsversicherung in A1-2.2 m) ABBL. Die Begründung zur Vertragszweckgefährdung dürfte aber nicht übertragbar sein, da dort nicht nur die Gefahr "Leitungswasser", sondern grundsätzlich alle Gefahren versichert sind.


RA und FA für Versicherungsrecht Stefan Schmitz-Gagnon, Köln 

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