
1. Die Entwicklung von Vertragsentwürfen stellt eine Rechtsdienstleistung dar, die nicht als Nebenleistung zur Tätigkeit eines Architekten erlaubt ist.
2. Die in den HOAI-Leistungsbildern enthaltenen Grundleistungen umfassen nicht die Tätigkeit eines vertragsgestaltenden Juristen.
OLG München, Beschluss vom 08.12.2023 - 28 U 3311/23 Bau (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)
BGB §§ 116, 133, 157, 812, 817; RDG §§ 2, 3, 5
Problem/Sachverhalt
Die Parteien schlossen im Jahr 2019 einen "Konzeptionsvertrag" für den geplanten Bau eines Reihenhauses. Der Vertrag sieht auch Architektenleistungen vor, darunter die Erstellung eines GU-Vertrags.
Nach Vertragsschluss leistete der Auftraggeber (AG) Zahlungen in Höhe von 135.000 Euro, die er nunmehr klageweise zurückfordert. Das Landgericht gibt der Klage statt. Dagegen wendet sich die Berufung des Auftragnehmers (AN).
Entscheidung
Ohne Erfolg! Der AG hat einen Anspruch auf Rückzahlung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, da die von ihm geleisteten Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt sind. Die geschuldete Erstellung eines GU-Vertrags stellt eine unzulässige Rechtsdienstleistung dar.
Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG).
Die Erarbeitung eines Vertragsentwurfs ist die zentrale Tätigkeit eines Kautelarjuristen, mithin ureigenste juristische Tätigkeit und damit als Rechtsdienstleistung zu qualifizieren.
Der Einwand des AN, er habe nur entsprechende Musterformulare verwenden wollen, verfängt nicht, da im Konzeptionsvertrag die Erstellung eines GU-Vertrags versprochen wurde (vgl. § 116 BGB). Diese Vertragspflicht wurde mit dem Hinweis, man habe entsprechende Fachanwälte zur Sicherung der juristischen Qualität, bekräftigt.
Die Erstellung des GU-Vertrags ist auch keine zulässige Nebentätigkeit (§ 5 RDG). Bereits wegen der Bedeutung der Kautelarjuristerei ist Zurückhaltung dabei geboten, die Entwicklung von Verträgen als Nebentätigkeit zu klassifizieren.
Bei Steuerberatern oder Maklern - ausgesprochen rechtlich geprägten Berufen - zählen Vertragsentwicklungen ebenso wenig zu zulässigen Nebentätigkeiten wie bei Architekten: Die in der HOAI genannten Tätigkeiten umfassen nicht die Tätigkeit eines Kautelarjuristen.
Die Unwirksamkeit erstreckt sich hier auf den gesamten Vertrag. Es sind keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche des AG wegen erbrachter Leistungen im Wege der Saldierung zu berücksichtigen.
Aus den - hier nicht näher dargestellten - Gesamtumständen ergibt sich, dass der AG unlauter zum Vertragsschluss bestimmt wurde, weshalb der Vertrag nicht nur gesetzes-, sondern auch sittenwidrig ist (§ 817 Satz 2 BGB).
Praxishinweis
1. Wenn bereits die Erstellung einer Skontoklausel zur Verwendung in Bauverträgen keine erlaubte Nebentätigkeit eines Architekten ist (BGH, IBR 2024, 22), dann muss das erst recht für - typischerweise komplexe - GU-Verträge gelten.
Teilweise wird vertreten, der auf Grundlage von Anlage 10.1 zu § 34 Abs. 4 HOAI beauftragte Architekt müsse und dürfe dem Auftraggeber jedenfalls gängige Vertragsmuster aushändigen (OLG Hamm, IBR 2005, 334; a.A. Beck HOAI/Seifert/Fuchs, 3. Aufl. 2022, HOAI § 34, Rz. 239; Ryll, BauR 2024, 1099, 1111 f.).
Planer sollten dies mit Blick auf die Risiken bei der Verwendung von AGB-rechtswidrigen Klauseln tunlichst vermeiden (paradigmatisch: BGH, a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; OLG Brandenburg, IBR 2003, 426).
2. Die Gesamtunwirksamkeit ist ebenso wie das Eingreifen der Kondiktionssperre nach § 817 Satz 2 BGB den Besonderheiten des Falls geschuldet, der sich durch ein unseriöses Gebaren des "Bauträgers" auszeichnet.
Im Regelfall wird der Vertrag nur insoweit nichtig sein, als er die Pflicht zur Erbringung einer unzulässigen Rechtsdienstleistung umfasst (§§ 134, 139 BGB).
RA Thomas Ryll, Ludwigshafen
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