Der Schutzbereich von § 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG umfasst nicht den Bauherrn. Da dieser an Herstellung oder Umbau nicht beteiligt ist, ist er nicht Baugläubiger. Letzter ist nur, wer einen Beitrag leistet, der den Wert des Grundstücks erhöht, und in einer gewissen Nähebeziehung zum Bau steht. Es sind diejenigen Personen erfasst, die an der Herstellung oder dem Umbau des Baus aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrags beteiligt sind, also Bauhandwerker und Lieferanten.*)
OLG Nürnberg, Beschluss vom 29.07.2021 - 13 U 453/21; BGH, Beschluss vom 10.05.2023 - VII ZR 833/833/21
BauFordSiG § 1 Abs. 1 Satz 1; BGB § 823 Abs. 2; StGB § 263; ZPO § 522 Abs. 2
Problem/Sachverhalt
Der private Bauherr beauftragt einen Bauunternehmer (BU), in seinem Wohnhaus umfangreiche Sanierungsarbeiten, wie Dachausbau, Türaustausch und die Komplettsanierung zweier Bäder durchzuführen. Der BU erbringt seine Leistungen schleppend und musste mehrfach zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung aufgefordert werden. Die Baumaßnahmen hat der Bauherr mit einem KfW-Darlehen finanziert. Zur Sicherung dieses Darlehens wurde eine Grundschuld auf dem Baugrundstück im Wert von 260.000 Euro eingetragen. Nachdem wieder einmal für einen längeren Zeitraum kein Mitarbeiter des BU auf der Baustelle erschienen war, beauftragte der Bauherr einen Sachverständigen, die Qualität der bisherigen Leistung zu überprüfen. Der Architekt stellte fest, dass die Bauleistung mit zahlreichen Mängeln behaftet war. Den Mängelbeseitigungsaufwand bezifferte er auf 80.000 Euro. Kurze Zeit später wurde über das Vermögen des BU das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Bauherr nimmt nunmehr den Geschäftsführer des BU auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Mängelbeseitigungsaufwands von 80.000 Euro in Anspruch. Er ist der Auffassung, bei den bisher bezahlten Beträgen für die Abschlagsrechnungen des BU handle es sich um Baugeld. Dieses habe der BU veruntreut, so dass ihm nunmehr der Geschäftsführer den entstandenen Schaden erstatten müsse.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Das OLG weist die Klage des Bauherrn ab. Der Anwendungsbereich des Bauforderungssicherungsgesetzes sei nicht eröffnet, weil der Bauherr kein Baugläubiger i.S.d. § 1 Abs. 1 BauFordSiG sei. Baugläubiger sei nur, wer an der Herstellung des Baus unmittelbar beteiligt sei und durch die Erbringung seiner Bauleistung den Wert des Grundstücks erhöht habe.
Praxishinweis
Die Entscheidung des OLG ist richtig. Das Bauforderungssicherungsgesetz schützt nur die Ansprüche von "unten nach oben", also die Ansprüche der Nachunternehmer gegen den Generalunternehmer und die Ansprüche des Generalunternehmers gegen den Bauherrn. In umgekehrter Richtung gewährt das Bauforderungssicherungsgesetz keinen Schutz: Es dient nicht dazu, dem Bauherrn zu helfen, seine vermeintlichen Ansprüche gegen die Bauunternehmer durchzusetzen. Dies ergibt sich auch schon aus der Historie des Gesetzes. Das Bauforderungssicherungsgesetz wurde im Jahr 1909 geschaffen, weil die damalige Rechtslage die Interessen der Bauunternehmer und Lieferanten nicht in ausreichendem Maße berücksichtigte (Einzelheiten hierzu: Stammkötter, Kommentar zum BauFordSiG, Einleitung Rz. 1 ff.).
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Andreas Stammkötter, Leipzig