Wann verjähren verzugsbedingte Ansprüche aus dem Bau- und Planervertrag? - Teil 3

Bei langjährigen Bauvorhaben, aber auch bei lang andauernden rechtlichen Auseinandersetzungen mit Konsequenzen für die Fertigstellung sollte auch besonderes Augenmerk auf eine mögliche Verjährung von verzugsbedingten Ansprüchen gelegt werden, zumal diese bei näherer Betrachtung früher beginnt als vielfach angenommen. Nachfolgend wird der in der letzten Ausgabe (Heft 12/2021, BauR 2021, 1886 ) begonnene Beitrag zu Beginn, Dauer und Ende der Verjährung verzugsbedingter Ansprüche, der zuletzt unter III.1. die Verzugsschadensersatzansprüche des Auftraggebers behandelte, fortgeführt und abgeschlossen:

2. Vertragsstrafenansprüche

Ein Anspruch des Bauherrn auf Vertragsstrafe wegen Verzug basiert auf einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung, für die ergänzend §§ 339 ff. BGB  gelten. Im VOB/B-Vertrag finden sich zudem eine Regelung in § 11 VOB/B , die die Gesetzeslage allerdings nicht abändert, sondern nur feststellende bzw. ausgestaltende Bestimmungen enthält. Die Frage der Verjährung von Vertragsstrafenansprüchen kann daher einheitlich für den BGB-Vertrag und den VOB/B-Vertrag behandelt werden.

a) Verjährungsfrist und -ende

Der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung unterliegt der dreijährigen Regelverjährung gem. §§ 195 , 199 BGB. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Akzessorietät zur Hauptforderung,  da diese mit Verwirkung der Vertragsstrafe endet  und der Vertragsstrafenanspruch nicht an die Stelle der gesicherten Hauptforderung tritt, sondern bei deren Verletzung als eigener Anspruch entsteht.

Nach nahezu einhelliger Meinung ist der Vertragsstrafenanspruch keine abhängige Nebenleistung i.S.v. § 217 BGB  und verjährt daher unabhängig von der Verjährung des Hauptanspruchs.

b) Verjährungsbeginn

Der Vertragsstrafenanspruch wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung entsteht bei nicht oder nicht vertragsgerechter Leistung bei Fälligkeit, die der Auftragnehmer zu vertreten hat. Nicht zutreffend ist die teilweise vertretene Auffassung, es handle sich um einen verhaltenen Anspruch, der erst mit seiner Geltendmachung entsteht. Denn anders als der Anspruch auf Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung gem. § 340 Abs. 1 Satz 2 BGB  hängt der Anspruch wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung nach § 341 BGB  gerade nicht von einer Wahl zwischen Erfüllung und Vertragsstrafe ab,  sondern entsteht, ohne dass es noch einer Erklärung des Auftraggebers bedarf.

Auch ist die nach § 341 Abs. 3 BGB  erforderliche Vorbehaltserklärung bei der Annahme keine Anspruchsvoraussetzung, vielmehr führt der nicht erklärte Vorbehalt kraft Gesetzes zum Verlust eines bereits entstandenen Rechts.  Das bestätigt nicht zuletzt auch die Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahr 2015, wonach ein Vorbehalt nach § 341 Abs. 3 BGB  nicht mehr erforderlich ist, wenn ein entstandener Vertragsstrafenanspruch bereits vor der Abnahme durch Aufrechnung erloschen ist.

Gleiches gilt schließlich auch, wenn vertraglich vereinbart ist, dass eine Vertragsstrafe auf Zwischentermine verfällt, sofern der Gesamttermin eingehalten wird. Hier steht der Vertragsstrafenanspruch lediglich unter einer auflösenden Bedingung (mit Rückbeziehung gem. § 159 BGB ), die an der wirksamen Entstehung des Anspruchs nichts ändert.

Für den verzugsbedingten Vertragsstrafenanspruch gilt wie für Verzugsschadensersatzansprüche der Grundsatz der Schadenseinheit, da auch bei diesem während der voraussichtlichen Verzugsdauer in der Regel sukzessive Schäden eintreten, mit denen gerechnet werden kann.

Nach allem gilt für den Verjährungsbeginn des Vertragsstrafenanspruchs nichts anderes als für den des Verzugsschadensersatzanspruchs, abgesehen davon, dass die Rechtsfolge hier bereits gleichzeitig mit der Verwirkung eintritt. Der entstandene Anspruch umfasst die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe für den Zeitraum der voraussichtlichen Verzugsdauer, wie sie sich aus dem Leistungsstand bei Fälligkeit bzw. aus der einvernehmlichen Festlegung eines neuen Fälligkeitstermins ergibt. Hält der Auftragnehmer auch den fortgeschriebenen Fertigstellungstermin aufgrund erneuter, in seinen Verantwortungsbereich fallender Störungsereignisse während des Verzugs nicht ein, so entsteht ein weiterer, verjährungsrechtlich eigenständiger Anspruch, der den zusätzlichen Verzug aufgrund dieser neuen Störungsereignisse erfasst. Leistet der Schuldner bei Fälligkeit nicht, obwohl er hierzu in der Lage ist, entsteht täglich ein neuer Anspruch im verjährungsrechtlichen Sinn.


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3. Zinsansprüche

a) Verzugszinsen, §§ 286 , 288 BGB

Ein Anspruch des Auftraggebers auf Verzugszinsen nach §§ 286 , 288 BGB  ist etwa denkbar bei einem Zahlungsanspruch aus Überzahlung oder Schadensersatzansprüchen. Er unterliegt als selbständiger Anspruch der Regelverjährung gem. §§ 195 , 199 BGB.  Nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung hat der Schuldner grundsätzlich für seine Leistungsfähigkeit einzustehen, weshalb das für den Verzug erforderliche Verschulden bei Nichtzahlung stets gegeben ist.  Vor allem folgt aus dem Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung aber auch, dass der fortgeschriebene Fälligkeitstermin bei Nichtzahlung stets der Folgetag ist. Somit liegt täglich eine neue Pflichtverletzung vor, die einen eigenen verjährungsrechtlichen Anspruch begründet. Damit gilt: Ist der Schuldner mit einer Geldforderung in Verzug, entsteht der Zinsanspruch mit Ablauf jeden Tages neu. Aufgrund des Verjährungsbeginns zu Jahresende verjähren die in einem Kalenderjahr entstandenen Zinsansprüche jedoch einheitlich.

Verzugszinsansprüche sind nach wohl allgemeiner Meinung Nebenansprüche i.S.d. § 217 BGB , weshalb sie unabhängig von ihrer eigenen Verjährung spätestens mit dem Hauptanspruch verjähren.

b) Verzinsung wegen unberechtigter Nachtragsforderung, § 650c Abs. 3 Satz 3 BGB

Ein spezieller Zinsanspruch wegen Überzahlung findet sich in § 650c Abs. 3 Satz 3 BGB , wonach eine vom Auftragnehmer nach § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB  geforderte Nachtragszahlung, soweit sie sich nach § 650c Abs. 1, 2 BGB  als unberechtigt erweist, nicht nur zurückzugewähren, sondern ab ihrem Eingang beim Unternehmer gem. §§ 288 Abs. 1 Satz 2 , Abs. 2 , 289 Satz 1 BGB  auch zu verzinsen ist. Auch hier entsteht ab Zahlungseingang beim Unternehmer täglich ein Zinsanspruch. Für den Verjährungsbeginn kommt es allerdings auch noch auf die Kenntnis des Auftraggebers vom ihm zustehenden Zinsanspruch an, die hier im Gegensatz zu anderen Zahlungsansprüchen nicht selbstverständlich ist. Hierfür gilt Folgendes: In der Höhe, in der der Auftraggeber die Nachtragsforderung für unberechtigt gehalten hatte, so dass es überhaupt zu der einseitigen Festlegung nach § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB  kam, liegt eine Kenntnis von der Überzahlung und damit auch vom Zinsanspruch bereits mit Eingang der Zahlung beim Auftragnehmer vor, so dass die Verjährung der Zinsansprüche bereits mit Ablauf des Jahres ihrer Entstehung beginnt. Lediglich dann, wenn die letztlich als berechtigt festgestellte Nachtragsforderung noch niedriger ist als die vom Auftraggeber im Zuge der Nachtragsverhandlung als berechtigt angenommene Forderung, liegt Kenntnis und damit der Verjährungsbeginn erst mit der späteren Feststellung der berechtigten Nachtragshöhe vor.

c) Prozesszinsen, § 291 Satz 1 BGB

Der Anspruch auf Prozesszinsen unterscheidet sich von dem auf Verzugszinsen nur dadurch, dass mit Rechtshängigkeit auch ohne Verzug ein Zinsanspruch entsteht, sofern der Zahlungsanspruch fällig ist (§ 291 Satz 1, Halbs. 1. BGB ). Auch der Anspruch auf Prozesszinsen ist ein selbständiger Anspruch, der der regelmäßigen Verjährungsfrist der §§ 195 , 199 BGB  unterliegt  und verjährungsrechtlich für jeden Tag neu entsteht. Schließlich steht dem Verjährungsbeginn mit Rechtshängigkeit auch nicht entgegen, dass der Anspruch auf Prozesszinsen sowohl seinem Grund als auch seiner Höhe nach erst mit der rechtskräftigen Entscheidung über die Klageforderung feststeht. Denn es ist gerade das Wesen abhängiger Nebenleistungen, dass Bedingung ihrer Entstehung der Bestand des Hauptanspruchs ist, sie andererseits jedoch aufgrund ihrer verjährungsrechtlichen Selbständigkeit auch vor dem Hauptanspruch – und damit auch vor dessen rechtskräftiger Feststellung – verjährt sein können.

Auch der Anspruch auf Prozesszinsen ist nach § 217 BGB  begrenzt auf die Verjährung des Hauptanspruchs.

 

von Rechtsanwalt Martin Steiner, Berlin


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz "Wann verjähren verzugsbedingte Ansprüche aus dem Bau- und Planervertrag? " Teil 3 von Martin Steiner erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2022, 24 - 30 (Heft 1). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.