Bauprodukte in deutschen Bauverträgen

Die deutsche Bauwirtschaft wurde 2015 durch zwei Urteile des EuGH aufgewirbelt, da besagte Urteile langjährige gesetzliche Grundlagen für die Verwendung von Baustoffen abgeschafft haben. Der Gesetzgeber konnte bislang nicht für adäquaten Ersatz sorgen. Dr. Anke Leineweber zeigt in diesem Fachartikel die enormen Haftungsrisiken auf, denen sich planende und ausschreibende Architekten sowie Ingenieure bei der derzeitigen Rechtslage stellen.

Zwei Urteile des EuGH haben seit 2015 für Unruhe und Verunsicherung in der deutschen Bauwirtschaft gesorgt. Konsequenz dieser Urteile war der Wegfall von langjährigen gesetzlichen Grundlagen für die Verwendung von Bauprodukten, ohne dass der deutsche Gesetzgeber in der Lage gewesen wäre, geeigneten Ersatz zu schaffen. Beim derzeitigen Stand der Veröffentlichungen im Hinblick auf die Verwendung von Bauprodukten im allgemeinen und die Zulässigkeit von Ü-Zeichen im Besonderen steht eigentlich nur eins fest: Hier handelt es sich derzeit um eine tickende Zeitbombe mit unübersehbaren Haftungsfolgen für planende und ausschreibende Architekten und Ingenieure, Auftragnehmer, aber auch Bauherren. Die vier größten deutschen Architekten- Haftpflichtversicherer sollen bereits Prämienerhöhungen von 20 % ab 2017 beschlossen haben, um die zu erwartenden Haftungsrisiken Ihrer Versicherungsnehmer aufzufangen.

Leineweber: Die EU Rechtsprechung zu Bauprodukten und deren Konsequenzen für deutsche Bauverträge - BauR 2017 Heft 7 - 1100 >>

Vor der Verkündung des ersten EuGH-Urteils vom 16.10.2014 (Europäische Kommission gegen BRD) galt in zivilrechtlicher Hinsicht für die Ausführung von Bauverträgen bzw. die Verwendung von Bauprodukten:

§ 633 BGB:  Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art und Weise erwarten kann.

Beim VOB-Vertrag:

§ 1 Abs. 1 VOB/B:  Die auszuführende Leistung wird nach Art und Umfang durch den Vertrag bestimmt. Als Bestandteil des Vertrags gelten auch die Allgemeinen technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C).

§ 4 Abs. 2 VOB/B: Der Auftragnehmer hat die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen. Dabei hat er die anerkannten Regeln der Technik zu beachten.

Inhaltlich bestand dabei trotz andersartiger sprachlicher Fassung kein Unterschied zwischen BGB- und VOB-Verträgen: Die subjektive Komponente der vertraglichen Leistungsbestimmung erfolgt durch den Vertrag (konkretisiert durch das Leistungsverzeichnis, technische Vorbemerkungen u.ä.). Die objektive Komponente ergibt sich aus den anerkannten Regeln der Technik, welche beim VOB-Vertrag durch die Einbeziehung der VOB/C, d.h. der veröffentlichten DIN-Normen), definiert sind, beim BGB Vertrag dagegen durch die „gewöhnlicher Verwendung“ bzw. die „übliche Beschaffenheit“, welche im Regelfall ebenfalls durch die anerkannten Regeln der Technik und damit die DIN-Normen definiert werden.

DIN-Normen sind – was vielfach übersehen wird – keine Rechtsnormen sondern private technische Regelungen, die Empfehlungscharakter haben; sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, müssen dies jedoch nicht. Die Einhaltung der DIN Normen begründet aber die widerlegbare Vermutung, dass sie die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, führt zu einer Umkehr der Beweislast. Bei Nichteinhaltung spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine mangelhafte Bauleistung.


Der vollständige Aufsatz „Die EU Rechtsprechung zu Bauprodukten und deren Konsequenzen für deutsche Bauverträge“ erschien zuerst in der Fachzeitschrift „baurecht“ (BauR 2017, 1099 - 1109 (Heft 7)). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.