Bauherr trägt die Verantwortung
Grundsätzlich trägt der Bauherr die Verantwortung für alles, was auf der Baustelle passiert. Ihn trifft zunächst die Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf sein Bauvorhaben, da er Veranlasser der Baumaßnahme ist und damit auch die Gefahrenquellen geschaffen hat, die damit einhergehen (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1992, III ZR 91/91; OLG Hamm, Urteil vom 29.09.1995, 9 U 48/95; OLG Hamm, Beschluss vom 21.02.2014, 11 W 15/14; OLG Celle, Urteil vom 02.02.2005, 9 U 74/04; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.1998, 22 U 168/97; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.02.2017, I-21 U 223/14). Unter die Verkehrssicherungspflichten des Bauherrn fallen nicht nur die Einhaltung der (örtlichen) Bauvorschriften, sondern auch die Sicherheit auf der Baustelle sowie die Haftung für sämtliche Unfälle, die Dritte auf oder aufgrund der Baustelle erleiden oder Schäden am Eigentum Dritter, die im Zuge des Baus verursacht werden. Der Bauherr, der sich dadurch in Sicherheit wiegt, dass er auf der Baustelle entsprechende Hinweisschilder aufstellt, die seine Haftung ausschließen wie bspw. das klassische Schild „Achtung, Baustelle. Betreten auf eigene Gefahr. Eltern haften für ihre Kinder“, irrt. Solche Schilder haben keinerlei rechtliche Wirkung und entbinden den Bauherrn erst recht nicht von seinen Verkehrssicherungspflichten und den damit einhergehenden Haftungsrisiken.
Übertragung der Verkehrssicherungspflichten
Diese Haftungsgefahr muss der Bauherr jedoch selbstverständlich nicht vollständig alleine tragen. So kann der Bauherr seine ihn primär treffenden Verkehrssicherungspflichten und seine diesbezüglichen Pflichtenstellungen dadurch verkürzen, dass er die Planung und Durchführung des Bauvorhabens zuverlässigen und sachkundigen Fachleuten, wie beispielsweise Architekten oder Ingenieuren oder sonstigen Sonderfachleuten oder einem fachkundigen Bauunternehmer überträgt (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1992, a.a.O., Urteil vom 09.03.1982, VI ZR 220/80, Urteil vom 23.02.2001 – V ZR 389/99; OLG Köln, Beschluss vom 28.01.2004 – 11 U 73/03). Bei einer wirksamen Delegation der Sicherungspflichten durch den Bauherrn auf den Architekten oder den Bauunternehmer verändern sich die Sorgfaltspflichten des Bauherrn inhaltlich dahingehend, dass sie nun in Auswahl-, Instruktions- und Überwachungspflichten fortbestehen (vgl. OLG Celle, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Daher bleibt der Bauherr auch dann verpflichtet, persönlich zu überprüfen, ob die gebotenen Sicherungsmaßnahmen vorgenommen wurden. Auch die regelmäßige Kontrolle der Baufirma gehört – im Rahmen des für Laien Zumutbaren – dazu. Erkennt der Bauherr Gefahren, muss er handeln und die Firma oder von ihm hierfür beauftragte Fachpersonen anweisen, Missstände zu beheben. Handelt der Bauherr dabei fahrlässig, trifft ihn jedenfalls ein Mitverschulden.
Einschränkung bei Anlass zu Zweifeln
Ganz aus der Haftung kann sich der Bauherr daher auch bei der Delegation dieser Sicherungspflichten nicht herausnehmen. In der eigenen Verantwortung bleibt der Bauherr jedenfalls dann, wenn er Anlass zu Zweifeln haben muss, ob der Unternehmer oder die von ihm beauftragte Fachperson den Gefahren an und auf der Baustelle in gebührender Weise Rechnung trägt oder wenn deren Tätigkeit mit besonderen Gefahren verbunden ist, die auch vom Bauherrn selbst erkannt und durch eigene Anweisungen abgestellt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1992, a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 28.01.2004, a.a.O.). Die Auswahl der mit der Planung und Bauausführung befassten Fachleute reicht nach der Rechtsprechung nämlich dann nicht zur Entlastung des Bauherrn oder Grundstückseigentümers aus, wenn auch für ihn erkennbar eine besondere Gefahrenlage gegeben war oder wenn Anlass zu Zweifeln bestand, ob die eingesetzten Fachkräfte in ausreichendem Maße den Gefahren und Sicherheitsanforderungen Rechnung tragen (OLG Köln, Beschluss vom 28.01.2004, a.a.O.; Anschluss an BGH, Urteil vom 23.02.2001, V ZR 389/99).
Schutz abhängiger Arbeitnehmer
Für den Bauherren gilt es auch zu beachten, dass diese rechtlichen Möglichkeiten, seine ihn originär treffenden Sicherungsverpflichtungen abzubedingen bzw. diese aufgrund mit Dritten getroffener rechtsgeschäftlicher Regelung auf jene zu übertragen, in bestimmten Sachverhaltskonstellationen eine Einschränkung erfahren. Dies ist der Fall, wenn es um den Schutz abhängiger Arbeitnehmer des mit dem Bauherrn über einen Werkvertrag verbundenen Auftragnehmer geht. In entsprechender Anwendung des § 618 BGB, der unmittelbar dienstvertragsrechtlich die Schutzpflichten des Dienstberechtigten gegenüber dem Dienstverpflichteten regelt, wird dies auch im Werkvertrag für die vertragliche Verpflichtung des Bauherrn gegenüber dem Auftragnehmer abgeleitet. Der Bauherr muss die Baustelle in einem sicheren Zustand zur Verfügung stellen (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.1971, VI 262/69, Urteil vom 20.02.1958, VII ZR 76/57; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2001, 22 U 204/00). Dies bedeutet, dass der Bauherr diese gegenüber dem Werkunternehmer im Hinblick auf die Sicherheit der Baustelle bestehende Fürsorge-, Schutz- und Sicherungspflicht wegen der ebenfalls entsprechend anzuwendenden Regelung des § 619 BGB nur im Verhältnis zu einem selbständigen (Werk-)Unternehmer abbedingen oder einem Dritten auferlegen kann, jedoch nicht, soweit der Schutz des abhängigen Arbeitnehmers betroffen ist, der für den Werkunternehmer tätig geworden ist.
Bauherrenhaftpflichtversicherung dringend zu empfehlen
Aufgrund dieser verbliebenen Haftungsrisiken ist es für den Bauherrn stets ratsam und dringend zu empfehlen, noch vor dem ersten Spatenstich eine Bauherrenhaftpflichtversicherung abzuschließen. Dabei sollte sich der Bauherr auch nicht dadurch täuschen lassen, dass in vielen „normalen“ Haftpflichtversicherungen in der Regel ebenfalls eine Absicherung der Bauherrenhaftung beinhaltet ist. Denn in der normalen Haftpflicht ist diese Absicherung des Bauherrenhaftungsrisikos in der Regel auf einen bestimmten Auftragsumfang, das heißt, meist auf eine geringe Summe begrenzt, sodass hier schnell der Versicherungsschutz entfällt.
Die Bauherrenhaftpflicht deckt laut Definition „die Haftungsrisiken des Versicherungsnehmers als Bauherrn und/oder Besitzer des zu bebauenden Grundstücks“ ab. Grundsätzlich werden solche Schäden ersetzt, die Dritten auf der Baustelle oder aufgrund ihres Vorhandenseins zugefügt werden. Das umfasst sowohl Personen- und Sachschäden als auch Vermögensschäden. Abgesichert sind somit beispielsweise die Kosten, die aufgrund von Verletzungen, Invalidität oder Tod einer geschädigten Person entstehen, aber auch alle Schäden an Gegenständen und sonstigen Dingen, die im Eigentum des Geschädigten stehen, wie beispielsweise Kosten für Reparaturen-, Sicherungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen.
Achtung, aber auch hier werden nicht sämtliche Schäden abgedeckt. Die Bauherrenhaftpflichtversicherung deckt zwar solche Schäden ab, für die Dritte einen Ersatzanspruch formulieren können. Zu Dritten in diesem Sinne gehören jedoch nicht enge Familienangehörige, die im eigenen Haushalt leben. Bei Schäden enger Familienangehöriger haftet in der Regel nicht die Bauherrenhaftpflichtversicherung. Ferner besteht eine Einstandspflicht der Bauherrenhaftpflichtversicherung, wie bei nahezu allen Versicherungen nicht für Vorsatz oder vorsätzlicher Missachtung bestimmter Verpflichtungen.
Vorsicht ist auch dort geboten, wo Eigenleistungen selbst oder mit Hilfe von Freunden oder Bekannten durchgeführt werden. Für solche tritt die Bauherrenhaftpflichtversicherung ebenfalls nicht ein. Der Bauherr muss hier zudem beachten, dass wenn er selbst Eigenleistungen an seinem Bauvorhaben durchführt oder dies mit Freunden oder Bekannten tut, eine Melde- und Versicherungspflicht bei der Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau) bestehet, bei der diese Personen pflichtversichert werden müssen. Will der Bauherr mit Hilfe von Familie, Freunden und Bekannten Eigenleistungen erbringen, kann sich daher eine zusätzliche Bauhelferversicherung für ihn empfehlen.
Die Bauherrenhaftpflichtversicherung ist daher für die gesamte Bauphase ein Muss für den Bauherrn. Im Vergleich zu einer normalen Haftpflichtversicherung ist sie zeitlich beschränkt. Der Versicherungsschutz der Bauherrenhaftpflichtversicherung beträgt in der Regel zwei Jahre und endet mit Beginn der Nutzungsphase. Dies bedeutet mit Abschluss der Baumaßnahmen und Beginn der Nutzung endet auch der Versicherungsschutz der Bauherrenhaftpflichtversicherung. Wird ein Haus nach Beendigung der Bauarbeiten genutzt – wenn auch nicht fertiggestellt oder sogar mangelbehaftet – haftet der Inhaber oder Eigentümer nicht mehr als Bauherr, sondern als Hauseigentümer (OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.04.2005, 19 U 189/04). Mit Übergang in die Nutzungshase tritt dann wiederum die Privathaftpflichtversicherung ein.
Auch wenn ein Bauvorhaben mit hohen finanziellen Belastungen für den Bauherrn einhergeht und der Kostenfaktor stets eine Rolle spielt, sollte der Bauherr auch darauf achten, dass er einen ausreichenden Versicherungsschutz abschließt und die Versicherungssumme nicht zu gering wählt. Denn der Bauherr haftet mit seinem gesamten Vermögen für den entstandenen Schaden. Übersteigen also die tatsächlichen Kosten die vereinbarte Versicherungssumme, müsste der Bauherr die Differenz selbst bezahlen, und dies womöglich ein Leben lang.
Ein Bauherr sollte daher, trotz der Vielzahl zu bewältigender Aufgaben, gerade zu Beginn eines Bauvorhabens, die Absicherung seiner eigenen Haftungsrisiken nicht aus dem Blick verlieren. Vor Beginn seiner Baumaßnahme sollte der Bauherr daher die Absicherung seines Haftungsrisikos weit oben auf seine Checkliste setzen, damit er auch für den Fall abgesichert ist, wenn tatsächlich einmal etwas passiert.